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Der Aufstieg des Evangelos Venizelo

Jannis Papadimitriou19. März 2012

Er hat sein Ziel erreicht: Finanzminister Evangelos Venizelos ist neuer Chef der griechischen Sozialisten. Er soll die Partei aus der Krise führen.

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Evengelos Venizelos (Foto: REUTERS/Yiorgos Karahalis)
Erfolg für VenizelosBild: Reuters

Voller Zuversicht stellt Venizelos das Unmögliche in Aussicht: eine absolute Mehrheit für die in allen Umfragen auf elf Prozent abgestürzte sozialistische Partei PASOK bei der vorgezogenen Parlamentswahl in diesem Jahr. Die Partei gilt heute als mitverantwortlich für die Wirtschaftsmisere Griechenlands. Außerdem war sie an den härtesten Sparmaßnahmen in der neueren griechischen Geschichte beteiligt. Trotzdem setzt Evangelos Venizelos große Hoffnungen auf den bevorstehenden Wahlkampf.

In Rekordzeit schaffte der aus dem nordgriechischen Thessaloniki stammende Professor für Rechtswissenschaften in den neunziger Jahren den Aufstieg an die Parteispitze. Zuvor hatte er als raffinierter Anwalt des unter Korruptionsverdacht stehenden Sozialistenführers Andreas Papandreou geglänzt. Als Regierungssprecher, Justiz-, Kulturminister oder einfach nur graue Eminenz im Hintergrund imponierte Venizelos eher mit seinem ausgeprägten Machtbewusstsein als mit solider Facharbeit.

Enges Verhältnis zur orthodoxen Kirche

Sein Gesetz zur Enteignung von Privatvermögen der ehemaligen königlichen Familie begeisterte zwar die sozialistischen Stammwähler, löste aber auch einen langjährigen Streit aus, der zur Verurteilung Griechenlands durch den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg führte. Auch als Kulturminister fiel Venizelos aus dem Rahmen: Als die orthodoxe Kirche 2003 gegen ein Gemälde des belgischen Malers Thierry de Cordier protestierte, das ein männliches Glied vor einem Kreuz zeigte, ließ der Minister das Kunstwerk kurzerhand aus der Ausstellung in Athen entfernen. Daraufhin erklärte er lapidar, die Kunst finde ihre Grenzen "im Gesetz, sowie im allgemeinen Geschmack".

Spätestens seit diesem Vorfall wird Venizelos ein besonders enges Verhältnis zur Kirche nachgesagt. Möglicherweise war das auch der Grund dafür, dass er im Juli 2011 als Finanzminister dem Oberhaupt der orthodoxen Kirche, Erzbischof Hieronymus, fest zusicherte, die Besoldung der orthodoxen Geistlichen durch den Staat sei "eine Vertragsverpflichtung", die selbstverständlich auch in Krisenzeiten gelte. Immerhin kostet diese Vertragsverpflichtung die griechischen Steuerzahler im Moment über 200 Millionen Euro im Jahr.

Kündigungen bei schlechten Nachrichten

Die meisten Griechen finden, der 55-jährige Politiker habe als Finanzminister eine gute Figur gemacht. Sie berücksichtigen dabei, dass die ihm übertragenen Aufgaben fast unmöglich zu lösen waren.

Venizelos in Brüssel(Foto:Thierry Charlier/AP/dapd).
Zwischen Staatsbankrott und Rettungspaket: Venizelos in BrüsselBild: AP

Als im September 2011 unabhängige Finanzexperten des Athener Parlaments in einem Bericht ankündigten, die Defizitquote Griechenlands würde 2011 knapp neun Prozent betragen und somit deutlich höher ausfallen als bis dahin in allen offiziellen Erklärungen vorgesehen, drängte Venizelos nach griechischen Medienberichten unverzüglich auf ihre Entlassung. Die Wissenschaftler beschimpfte er als "inkompetent".

Im Nachhinein zeigte sich, dass die Finanzexperten recht hatten. Ihre Jobs haben sie trotzdem nicht zurückbekommen.