Der Anti-Doping-Kampf: Wieviel Verantwortung trägt der Staat? | Sport | DW | 23.11.2008
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Sport

Der Anti-Doping-Kampf: Wieviel Verantwortung trägt der Staat?

Die Bekämpfung des Dopings wird auch im Jahr 2009 die Sportverbände beschäftigen. Aber auch der Staat steht in der Pflicht. Was kann er tun? Was muss er tun? Wäre es nicht am einfachsten Doping freizugeben?

Sagt der Dopingmafia den Kampf an: Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble

Sagt der Dopingmafia den Kampf an: Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble

Freiheitliche Selbstbestimmung, das macht unsere Demokratie aus. So wenig Staat wie möglich – zumindest solange alles gut läuft. Aber wehe, wenn die Krise kommt. Dann muss der Staat als Retter herhalten. Das ist im Sport nicht anders als in der Finanzwelt oder der Automobilindustrie. Die Zocker, die die Welt des Sports entsetzen, sind die Dopingsünder. So werden die Stimmen, die den Staat auffordern dopende Sportler zu verfolgen und zu bestrafen immer lauter. Aber kann er das überhaupt?

Klares Nein zur Dopingfreigabe

Stefan Schumacher

Letzter deutscher Dopingsünder: Radfahrer Stefan Schumacher

Im Radsport glaubt kaum noch jemand, dass es sich lediglich um "schwarze Schafe" handelt, die sich mit verbotenen Mitteln starke Beine beschaffen. Vielmehr ist die Rede von "systematischem Doping" und "einem von Grund auf verseuchten System".

Der Staat müsse eingreifen, sich stärker engagieren, Dopingsünder verfolgen und bestrafen, heißt es immer wieder. Die Sportverbände seien mit den kriminellen Machenschaften der Betrüger überfordert. Christoph Bergner, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, sieht durchaus eine staatliche Verantwortung: "Ja, wir sind verpflichtet mit den Mitteln des Strafrechts, mit den Mitteln der Sportförderung, mit den Mitteln der Rahmensetzung für einen sauberen Sport einzutreten".

Die immer wieder geforderte Freigabe des Dopings und die damit verbundene Hoffnung auf eine Selbstregulierung des Sports – Sportarten in denen gedopt wird, machen sich selbst uninteressant für Zuschauer und Sponsoren, so die Annahme – lehnt Bergner, daher strikt ab. Gründe für diese Haltung gibt es viele. Von einer Dopingfreigabe wäre, so der Staatssekretär, auch der Breitensport betroffen.

Dopen ist keine Straftat

Freizeitsportlern wäre jede Motivation genommen. "Dann sind es nicht mehr die Athletenpersönlichkeiten, die im Wettkampf stehen, sondern es sind die Medikamentenhersteller, die den eigentlichen Wettkampf führen", sagt Bergner.

Christoph Bergner Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen

Staatssekretär Christoph Bergner

Der Staat hat aber nicht nur eine gesellschaftspolitische Verantwortung im Anti-Dopingkampf, sondern auch eine verfassungsrechtliche und völkerrechtliche Verpflichtung. Die völkerrechtliche Verbindlichkeit beruht auf der UNESCO-Konvention gegen Doping. Zudem lässt sich eine haushaltspolitische Verantwortung ableiten, denn wenn der Sport durch den Staat finanziell gefördert wird, kann der Staat auch Forderungen stellen und die Rahmenbedingungen festlegen. Ein effizientes Mittel, um den Anti-Doping-Kampf voranzutreiben.

Beim dopenden Einzelfall sind den Staatsorganen dennoch die Hände gebunden, denn es gilt der Grundsatz der straflosen Selbstschädigung. Staatssekretär Bergner: "Der Staat kann Sportler, genauso wie alle anderen Bürger, nicht mit rechtlichem Zwang von einer Selbstschädigung abhalten".

"Die Dopingbekämpfung ist Sache des Sportes"

Gedopt zu sein, ist kein Straftatbestand. Der Sportler macht sich erst dann strafbar, so heißt es in der jüngsten Novelle des Arzneimittelgesetzes, wenn er "nicht geringe Mengen" – wie viel das genau ist bleibt ungeklärt – einer verbotenen Substanz besitzt. Dann wird vermutet, dass er Teil eines Versorgungsnetzwerkes ist.

Dopingkontrolle bei der Tour de France 2007

Alltag für Sportler: Der Weg zur Dopingkontrolle

Die Bundesregierung hat im Jahr 2007 ihre Gesetze verschärft und eine Zuständigkeit für bandenmäßigen und internationalen Vertrieb von Dopingmitteln beim BKA eingerichtet. Eines ist für Bergner aber klar: "Dopingbekämpfung war und bleibt in erster Linie eine Aufgabe des Sportes selbst. Seine Institutionen müssen die Werte definieren, die sie für schützenwert halten, sie müssen Regeln zu deren Beachtung für Sportler, Betreuer und Funktionäre schaffen und sie müssen für eine glaubwürdige Umsetzung ohne Augenzwinkern sorgen."

Der Staat kann also nur den rechtlichen Rahmen, die Strukturen schaffen, für die Verfolgung und Bestrafung der Dopingsünder sind die Sportverbände selbst zuständig. Diese haben, anders als der Staat, die Möglichkeit dem Sportler bei Dopingverdacht die Beweislast zuzutragen. Außerdem können die Verbände ihre Sportler zwingen sich den nervenaufreibenden Tests der Nationalen-Anti-Doping-Agentur (NADA) und der ständigen Bereitschaft für diese, zu unterwerfen. Dazu fehlt dem Staat jegliche Legitimation.

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  • Datum 23.11.2008
  • Autorin/Autor Benjamin Wüst
  • Themenseiten Doping
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