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Die Geschichte des deutschen Eishockeys

5. Mai 2010

Eishockey hat in Deutschland eine lange Tradition. Doch in über 100 Jahren kam das deutsche Team selten über die Statistenrolle hinaus. Ein Lagebericht zum Start der WM.

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Deutschland hat bei den Olympischen Spielen 2010 gegen Gastgeber Kanada erwartungsgemäß verloren.
Gegen Kanada hat Deutschland kaum eine ChanceBild: picture-alliance / Fishing4

Es war an einem Freitag im Februar 1887: In Berlin treten auf dem Halensee erstmals zwei Mannschaften zu einem Eishockeyspiel an. Der Akademische Sport Club Berlin gewinnt mit 11:4 gegen eine Studentenmannschaft. Das schnelle, kampfbetonte Spiel begeistert viele Menschen, allerdings beschränkte sich das zunächst auf die deutsche Hauptstadt. So ist es nicht verwunderlich, dass bei der ersten deutschen Teilnahme bei einer Europameisterschaft 1910 auch fast alle Spieler aus Berlin kommen. Nur ein Jahr später ist Deutschland selbst Veranstalter einer Europameisterschaft und 1912 wird die erste Deutsche Meisterschaft ausgespielt, die der Berliner Schlittenschuhclub gewinnt. Wäre nicht der Erste Weltkrieg dazwischen gekommen, hätte 1916 das erste Olympische Eishockeyturnier in Berlin stattgefunden. So aber war Deutschland ab 1920 für sechs Jahre von internationalen Turnieren ausgeschlossen.

Die erfolgreichen 30er Jahre

Den ersten internationalen Titel holt ein deutsches Eishockey-Team 1930: Europameister. Vier Jahre später ist Deutschland erneut bei einer EM Erster – die einzigen beiden internationalen Titel für den Deutschen Eishockey Bund. Als größter Erfolg wird aber eine Medaille bei einem anderen Turnier gewertet. "Bronze bei den Olympischen Spielen 1976 in Innsbruck – durch ein sensationelles 4:1 gegen die USA", erinnert sich Erich Kühnhackl, der damals selbst an allen Toren der deutschen Mannschaft beteiligt war und zum deutschen Eishockeyspieler des 20. Jahrhunderts gewählt wurde. Zwar hatte Deutschland bereits 1932 bei den Olympischen Spielen in Lake Placid den dritten Platz geholt - allerdings spielten mit den USA, Kanada, Polen und eben Deutschland auch nur vier Mannschaften mit.

Siegerehrung bei Olympische Winterspiele Innsbruck 1976. Mannschaften von links: CSSR, UDSSR, Bundesrepublik Deutschland.
Siegerehrung bei den Olympische Spielen 1976: CSSR, UDSSR und die Bundesrepublik DeutschlandBild: picture-alliance / Sven Simon

Während Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg international für einige Jahre erneut gesperrt wurde, bildet sich 1948 in der Bundesrepublik erstmals eine bundesweite Liga. Da die Vereine aus der Eishockey-Hochburg Berlin, das nach dem Krieg im sowjetischen Machtbereich lag, fehlen, entwickelt sich das Bundesland Bayern zu einer Eishockey-Macht. Erst 1967 gelingt es der Düsseldorfer EG als erstes Team außerhalb von Bayern die Deutsche Meisterschaft zu gewinnen. 1981 wechselt erstmals mit Udo Kießling ein deutscher Spieler in die höchste nordamerikanische Profiliga. Der bisher erfolgreichste deutsche Spieler in der NHL ist Uwe Krupp, der derzeitige Bundestrainer.

Wenig Nachwuchs, viele Mannschaften, andere Spielweise

Doch auch er schafft es nicht, das deutsche Team wieder zu zählbaren Erfolgen zu führen. "Das liegt zum einen daran, dass man in den vergangenen Jahrzehnten viel zu wenig für die Nachwuchsförderung getan hat", meint Erich Kühnhackl. Immer mehr ausländische Spieler kommen nach Deutschland, um hier Geld zu verdienen – dadurch bekommen immer wenige deutsche Nachwuchsspieler die Chance, auf dem Eis praktische Erfahrungen zu sammeln. "Zudem habe sich die Spielweise geändert", erklärt Erick Kühnhackl, der mittlerweile Vizepräsident des Deutschen Eishockey-Bundes ist. "Früher haben wir technisch besser Eishockey gespielt. Aber heute kommt es mehr auf ein schnelles, aggressives, druckvolles Spiel an." Der Eishockeysport habe sich so rasant entwickelt, dass man sich immer etwas Neues einfallen lassen müsse, um ganz vorne mitspielen zu können.

Erich Kühnhackl kurz vor seinem Karriereende 1989
Erich Kühnhackl 1989Bild: picture alliance/augenklick

Gernot Tripcke, Geschäftsführer der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) hat noch eine andere Erklärung: "Allein aus quantitativen Gründen ist es viel schwerer geworden, oben mitzuspielen. Die ehemalige Sowjetunion tritt inzwischen mit fünf, sechs sehr guten Mannschaften an. Tschechien und die Slowakei treten beispielsweise auch mit zwei Mannschaften an. Also es sind jetzt deutlich mehr Teams als noch vor 20 oder 30 Jahren." Momentan steht Deutschland in der Weltrangliste auf Platz zwölf. "Wenn die deutsche Mannschaft ihr Potential abruft und alle Spieler dabei sind, sollten wir normalerweise mit der Schweiz so um Platz acht, also um den letzen Viertelfinalplatz kämpfen", meint Gernot Tripcke. Beim letzten großen Turnier, bei den Olympischen Spielen im Februar in Vancouver, gelang dem deutschen Team bei vier Spielen nicht ein Sieg. Und mit fünf Toren hatte man zudem die schlechteste Trefferquote aller Mannschaften.

Zuschauer-Rekord beim Eröffnungsspiel

Ein Eishockey-Fan mit WM-Eishockey-Tickets für das Spiel Russland-Slowakei am 9. Mai 2010. Copyright: Vyacheslav Yurin
Eishockey-Fan mit WM 2010-TicketsBild: DW

Das ist zu wenig, um Kinder und Jugendliche für den Eishockeysport zu begeistern. "Was die Zahl der Aktiven angeht, sind wir sehr klein", gibt Gernot Tripcke zu. Rund 30.000 Aktive gibt es, im Handball dagegen immerhin eine Million, beim Fußball sechs Millionenen. "Dafür sind wir, was die Zuschauerzahl und die Umsätze angeht, mit deutlichem Abstand hinter Fußball die Nummer zwei." Zuschauen ja, selbst spielen nein – das ist das Motto in Deutschland. Immerhin wurde am Freitag beim Eröffnungsspiel in der ausverkauften Arena in Gelsenkirchen mit 77.803 Menschen der Zuschauer-Weltrekord bei einem Eishockey-Spiel gebrochen. Aber dass dadurch mehr Deutsche zum Eishockey spielen animiert würden, dürfte kaum der Fall sein. Das könnte nur passieren, wenn Deutschland Weltmeister wird. Aber das ist nicht realistisch. Gernot Tripcke: "Genauso wenig, wie jemand erwartet, dass Kanada Fußball-Weltmeister wird, werden wir in absehbarer Zeit Eishockey-Weltmeister."

Autorin: Sarah Faupel
Redaktion: Wolfgang van Kann