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Weltwirtschaftsforum

26. Januar 2011

Davos ist wieder für ein paar Tage der Nabel der Welt. Top-Manager, Politiker und Wissenschaftler wollen nach neuen Regeln für die Weltwirtschaft suchen. Eine wichtige Rolle spielen dabei Indien und China.

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Davos-Logo vor Lobby des Veranstaltungszentrums (Foto: dapd)
Alle Jahre wieder treffen sich Politiker und Wirtschaftsvertreter in der SchweizBild: dapd

In der Nacht vor der Eröffnung am Mittwoch (26.01.2011) hatte es reichlich Neuschnee gegeben – so bietet das 1500 Meter hoch in den Alpen gelegene Davos einen beschaulichen Rahmen für die eigentlich knallharte Agenda. Denn es geht um nichts Geringeres als neue Regeln, nach denen Wirtschaft und Politik künftig spielen sollen, um eine neue Krise zu verhindern. Eröffnet wurde das Treffen mit über 2500 Teilnehmern aus rund 100 Ländern von Russlands Präsident Dmitri Medwedew. Wegen des Terroranschlags auf dem Moskauer Flughafen Domodedowo verkürzte Medwedew seinen Aufenthalt hier in Davos auf wenige Stunden und flog unmittelbar nach seiner Rede wieder zurück nach Russland. Medwedew warb für sein Land als Investitionsstandort und forderte neue Lösungsansätze für die Probleme der Welt. Gelänge es jedoch nicht, die Terroristen in die Knie zu zwingen, wären alle Anstrengungen für ein besseres Weltwirtschaftssystem zum Scheitern verurteilt.

Großer Optimismus

PWC-Deutschland-Chef Norbert Winkeljohann (Foto: PWC)
Optimismus bei Managern: PWC-Deutschland-Chef Norbert WinkeljohannBild: PWC

Wie steht es um die Weltwirtschaft? Das war die erste Frage, die zum Auftakt hier in Davos gestellt wurde. Genügend Risiken sind noch immer vorhanden, wurden doch bestenfalls die Krisensymptome bekämpft, nicht aber die Systemrisiken. Da überrascht eine Umfrage der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PWC), die zum Auftakt des Treffens vorgestellt wurde. Demnach ist fast die Hälfte der weltweit 1200 befragten Konzernlenker "sehr zuversichtlich" für das laufende Jahr. Bei den deutschen Top-Managern sind es sogar 80 Prozent.

Dabei ginge es ihnen nicht mehr vorrangig um "Wachstum um jeden Preis", sagt PWC-Deutschland-Chef Norbert Winkeljohann im Gespräch mit DW-WORLD.DE. "Die deutschen Vorstandschefs haben erkannt, dass Wachstum um jeden Preis nicht die richtige Strategie ist." Insofern sei nachhaltiges Wachstum mit der Vorstellung verbunden, auch in sozialer Hinsicht das Wachstum richtig zu steuern und insbesondere auch in ökologischer Hinsicht zu wachsen. "Und da sehe ich die deutschen Unternehmen auf dem richtigen Weg."

Sorge um die Werte

Wasserglas vor WEF-Logo (Foto: AP)
Halb voll - halb leer? Beides, sagt Nouriel RoubiniBild: AP

Dennoch sieht so mancher Vorstandschef die rasante Entwicklung, die China und Indien nehmen, mit gewisser Sorge: Einer Umfrage der angesehenen deutschen Wirtschaftszeitung "Handelsblatt" zufolge fürchten viele den Siegeszug asiatischer Werte. So gäbe es dort andere Vorstellungen von "Fair Play" und auch staatliche Eingriffe in die Wirtschaft würden zunehmen. Dennoch könne es sich keiner leisten, auf diese boomenden Märkte zu verzichten. "Das darf jetzt freilich nicht zu einer Lethargie führen", mahnt Winkeljohann. Natürlich sei es eine große Herausforderung, mit Indien und mit China – den beiden großen Zukunftsmärkten – mithalten zu können. "Aber es ist eben an uns, an der deutschen Wirtschaft, dass man das technologische Niveau aufrecht erhält, das man weiter als High-Tech-Standort gilt."

Roubinis Kurzdiagnose

Nouriel Roubini, New York University (Foto: dpa)
Nouriel Roubini sieht einige Risiken für die WeltwirtschaftBild: picture-alliance/ dpa

Die größte Angst aber haben die befragten Manager vor einer neuen Krise der Finanzmärkte. Manche Auguren sehen sie schon am Horizont. Aber ausgerechnet der US-Wirtschaftsprofessor Nouriel Roubini, der sich als Krisenprophet einen Namen gemacht hat, hielt sich hier in Davos zurück und sagte, das Risiko einer erneuten Rezession sei zurückgegangen. Das Glas sei halb voll und eben auch halb leer und dabei deutet Roubini auf ein vor ihm stehendes Glas Wasser.

Dennoch sieht er vier akute Probleme. Da sei der demographische Faktor. "Eine alternde Bevölkerung reduziert das Wachstumspotential. Die Japaner haben dieses Problem, und Europa auch." Zweitens brauche man strukturelle Reformen in den Industriestaaten. "Doch das geht langsamer als es wünschenswert wäre", so Roubinis Kurzdiagnose. Drittens brauche es Investitionen in Bildung und Infrastruktur, um mehr Produktivität und Wettbewerb zu erreichen. Und viertens schließlich: Die staatlichen Schulden-Probleme: "Die großen Haushaltsdefizite, immer mehr Staatsschulden: Das behindert mögliches Wachstum."

Soziale Unruhen als Folge

Davos-Logo vor Lobby des Veranstaltungszentrums (Foto: dapd)
Alle Jahre wieder treffen sich Politiker und Wirtschaftsvertreter in der SchweizBild: dapd

Zur größten Wachstumsbremse könnte sich allerdings die Knappheit an Ressourcen entwickeln. Ob Metalle, Wasser oder Energie: Hier könnten dem Wachstum klare Grenzen gesetzt werden – und neue Krisenherde entstehen. Die schon jetzt stark gestiegenen Preise zeigen bereits Wirkung, sagt Roubini: "Das führt zu einem Anstieg der Inflation, speziell in den Schwellenländern." Und es führe zu sozialen Unruhen und politischer Instabilität. "Sehen sie, was derzeit in Tunesien, Ägypten, Marokko und Algerien geschieht: Steigende Lebensmittelpreise führen zu ernsthaften sozialen und politischen Problemen."

In den nächsten Tagen wird sich zeigen, ob die klare Luft hier in Davos auch den klaren Gedanken fördern kann. Denn will man das umsetzen, was der Gründer des Forums, Klaus Schwab, fordert – nämlich eine "Wende zum Weniger" oder auch eine Phase der Bescheidenheit: Dann ist ein großes Umdenken notwendig von allen Beteiligten.

Autor: Henrik Böhme, z.Zt. Davos

Redaktion: Sabine Faber