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"Das Remixen von Texten ist kein neues Phänomen"

25. Februar 2011
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Martin Muno, Redaktionsleiter Aktuelles und Nachrichten (Foto: DW)
Martin Muno, Redaktionsleiter Aktuelles und NachrichtenBild: DW/Christel Becker-Rau

"E Pluribus Unum" - aus vielem wird eins. Dieses Motto steht nicht nur am Beginn der derzeit meistdiskutierten Doktorarbeit Deutschlands. Nein, es ist allgemeine Praxis im Internet. Plastisch wird das anhand einer der prominentesten Seiten des Netzes - der Online-Enzyklopädie Wikipedia. Die Kernidee von Wikipedia ist die Idee der Schwarmintelligenz. Sie besagt, dass das gesamte Wissen der anonymen Netz-Gemeinde größer ist als das Wissen einzelner Experten.

Was sich Wikipedia explizit auf die Fahnen schreibt, zieht sich durch das gesamte Netz hindurch, etwa in den zahllosen Web-Tagebüchern. Wie es dort zugeht, beschreibt der Blogger Michael Seemann. "Fast alle meine halbwegs brauchbaren Gedanken entstehen nicht aus mir alleine. Sie entstehen im Gespräch, in der Konfrontation, im ständigen Argumentieren-Müssen." Schon lange vor der Erfindung des Internets bezeichnete der französische Poststrukturalist Roland Barthes das literarische Abschreiben nicht nur als legitim, sondern als notwendige Bedingung für jedes Schreiben. In diesem Zusammenhang spricht er vom "Tod des Autors".

Das Remixen von Texten ist also kein neues Phänomen. Schon die biblische Geschichte der Sintflut ist keine Original-Erzählung. Wir finden sie schon im wesentlich älteren Gilgamesch-Epos. Und auch die berühmtesten deutschen Schriftsteller, Johann Wolfgang von Goethe und Thomas Mann, haben geklaut wie die Raben. Zitieren, montieren heißt auch immer, den Autoren, die man benutzt, seine Referenz und damit seinen Respekt zu erweisen.

Auch dieser Kommentar ist keine reine Kopfgeburt. In ihm fanden Texte zahlreicher Journalisten Eingang - etwa zur Debatte um die Autorin Helene Hegemann. Damit dürfte klar sein: Abgeschrieben wurde schon immer. Auch dem modernen "Lügenbaron" Guttenberg wirft man nicht das Zum-eigen-Machen fremder geistiger Leistungen vor. Sondern, dass er die wissenschaftlichen Regeln einer Dissertation verletzt und dann versucht hat, diesen Vorgang zu vertuschen und herunterzuspielen.

Autor: Martin Muno
Redaktion: Kay-Alexander Scholz

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