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Das Reich der Frauen im Macholand

Suzanne Cords27. November 2008

Mexiko ist vom Machismus geprägt. Die Ausnahme bildet das Volk der Zapoteken, die im Bundesstaat Oaxaca leben. In der Stadt Juchitán haben die Frauen das Sagen.

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„Ay, Sandunga“, singt Martha Toledo, "Du bist der Himmel meines Herzens und der Schlüssel zu meinem Schicksal“. "La Sandunga“ verkörpert die kraftvolle Weiblichkeit und die spielt bekanntlich eine große Rolle in der Heimatstadt der Zapotekin. Viele Anthropologen seien schon in Juchitán uns vorbei gekommen, erzählt Martha Toledo.

Sie hätten versucht zu ergründen, wie in einem Land wie Mexiko, das so dermaßen im Machismo verwurzelt ist, die Zapotekenfrauen so stark sein können. "Die weiblichen Werte werden bei uns sehr hochgehalten und die Mütter impfen ihren Töchtern von klein auf ein: Lass Dir nichts gefallen! Du bist mächtig und du bist sehr viel wert. Mit diesem Bild der Frau und starken Mutter wachsen wir auf,“ erklärt die Sängerin und Fotografin.

Frauenstadt Juchitán

In der Stadt am Golf von Mexiko beherrschen üppige Frauen in bunt gestickten Blusen und bodenlang schwingenden Röcken das Bild. Die stolzen und sinnlichen Zapotekinnen von Juchitán sind berühmt für ihre Eigenständigkeit und Tatkraft; sie sind es, die für Handel und Produktion, für Haus und Familie verantwortlich sind und die die Finanzen verwalten.

"Bis vor kurzem beschäftigten die Männer sich nur mit Musik, Malerei und Dichtung, und wir Frauen waren für die Geschäfte und den Gelderwerb zuständig“, erzählt Martha Toledo. "Wir tanzen und singen zwar auch gern, aber zuhause und nicht auf der Bühne.“ Das sei Männersache.

Strenge Rollenverteilung

Ebenso wie die Politik. "Als Händlerinnen können wir es uns nicht leisten, uns politische Feinde schaffen, die dann nicht mehr bei uns kaufen. Deshalb haben wir die Politik in Männerhände gelegt. Ich glaube übrigens nicht, dass das Matriarchat für die Männer schwer zu ertragen ist, im Gegenteil. Sie müssen nicht die ganze Last alleine auf den Schultern tragen, das Geld verdienen und noch die Familie repräsentieren. Unseren Männern geht es sehr gut“, ist die Sängerin aus Juchitán überzeugt.

Die Lieder der Zapoteken sind fröhlich, besinnlich und sie spiegeln die Welt des Matriarchats wider, so wie das Lied "Son Huiini“, von dem Martha Toledo erzählt: "Das ist ein Liebeslied. Ein Bauer schenkt seiner Angebeteten Bohnen, Mais, Blumen, seine beiden Kühe und die Kälber. Das ist sehr symbolisch, denn normalerweise ist es ja in der Gesellschaft so, dass die Frau eine Mitgift beisteuern muss. Bei uns ist das genau andersrum. Außerdem muss seine Familie die komplette Hochzeit bezahlen. Wenn man also bei uns einen Sohn hat, kann das sehr kostspielig werden.“

Matriarchat in Gefahr

In letzter Zeit scheint die heile Frauenwelt von Juchitán allerdings bedroht, denn der Einfluss der Außenwelt hat auch vor dem Städtchen im Bundesstaat Oaxaca nicht halt gemacht. Viele Männer verlassen die Region, um anderswo zu studieren oder zu arbeiten. „Und dann merken sie plötzlich: hoppla, bei uns zu Hause scheint es ja recht seltsam zuzugehen. Und diese Generation junger Männer versucht, die alte Männerrolle wieder in der Gesellschaft zu etablieren“, so Martha Toledo.

Die Kraft der Tradition

Eigentlich ist Musikmachen in Juchitáns Welt ja Männersache, aber angesichts dieser Vorzeichen hat die Zapotekin aus Juchitán ein Anliegen an alle Frauen dieser Welt: "Eine Frau zu sein ist etwas absolut Wundervolles. Wir Frauen verfügen über eine große innere Stärke, und wir müssen zusammenhalten.“

Gerade in Zeiten, in denen die patriarchalische Gesellschaft rücksichtslos den Planeten zerstöre, so Martha Toledo, haben die Frauen mehr Verantwortung denn je. "Das ist der Grund, dass ich singe und auf Tour gehe. Ich trage in meinem Herzen viel Liebe und Licht. Und die Kraft, die ich von meiner Mutter, meiner Großmutter und all meinen Vorfahrinnen vererbt bekommen habe, diese Kraft möchte ich anderen weitergeben.“

Die aktuelle CD von Martha Toledo: “Teca Huiini”

(Alfa Records/ CDAMI-64)