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So viele Ziele

Tamsin Walker/A-S. Engler18. September 2015

Die Tatsache, dass die Welt nun auf 17, statt nur acht Ziele achten muss, betrachten einige als großes Problem. Andere sehen sie als 17 Chancen.

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Vietnam Hunger
Bild: picture-alliance/Godong

DW: Dieses Mal gibt es viel mehr Ziele. Glauben Sie, dass das gut ist oder eher schlecht?

Abhijit Banerjee: Es ist schrecklich. Denken Sie nur an die bürokratischen Kapazitäten, die beansprucht werden, um diese Dinge zu erreichen. Wie können die Länder da den Überblick behalten? Irgendwann kommt der Punkt an dem sie sagen werden, die Ziele lenken uns zu sehr von unserem tagtäglichen Regieren ab. Sie haben ja ihre eigene Politik und Ziele. Es sind einfach viel zu viele.

Erik Solheim: Wir werden uns sicher schnell darüber einig, dass dies viel zu viele sind. Der Reiz der neuen Ziele ist, dass sich die internationale Gemeinschaft auf diese einigen wird. Sie werden sowohl für Deutschland, als auch für Malawi oder Nepal gelten. Natürlich wird sich niemand, außer ein paar Bürokraten in der UN, an all diese Ziele erinnern. Aber was die Welt in ihrer Gesamtheit verstehen wird, ist, dass wir vereinbart haben, Armut zu beseitigen, auf den einen Planeten, den wir uns teilen, achtzugeben, und dass wir eine friedlichere und gerechtere Welt brauchen.

Wie finden Sie diese Ziele im Vergleich zu den Millenniums-Entwicklungszielen?

Abhijit Banerjee: Das Großartige an den ursprünglichen Zielen war, dass sie alle, mit Anstrengung, erreichbar waren. Einige wurden erreicht, andere nicht, aber sie waren nicht unangemessen. Und man konnte den Menschen sagen: „Das ist ein absolut vernünftiges Ziel, sag uns nicht, es ist unerreichbar, versuch' es einfach.“

Abhijit Banerjee
"Achtgeben auf den Planeten, den wir uns teilen". Erik Solheim, OECD-EntwicklungsausschussBild: R. Gacad/AFP/Getty Images

Erik Solheim: Die MDGs wurden im Grunde von Kofi Annan auf einen Schlag durch das System der Vereinten Nationen durchgebracht, und auf einmal waren sie da. Sie haben sehr, sehr gut funktioniert, und es war eine außerordentliche Leistung von Kofi Annan, aber es gab kein Verfahren oder etwa eine globale Übereinkunft. Die SDGs müssen von der ganzen Welt vereinbart werden.

Wie viel wird es kosten, die gesetzten Ziele zu erreichen? Und wird die Welt dafür bezahlen?

Erik Solheim: Eine beträchtliche Menge, aber immer noch ein sehr kleiner Prozentsatz von dem Geld, das insgesamt in der Welt ausgegeben wird. Die Hauptsache dabei ist, bessere Steuersysteme einzuführen, damit die Regierungen das Geld für Gesundheit und Bildung nutzen können. Also brauchen wir sehr viel mehr Unterstützung für Nationen, die schwache Steuersysteme haben, und wir brauchen mehr Privatinvestitionen. Entwicklungshilfe kann uns näher an die Ziele bringen, aber die Hauptantriebsmittel werden Steuern und Privatinvestitionen sein.

Abhijit Banerjee: Wir werden 0,7 Prozent des BIP hergeben, und das auch nur, wenn wir großzügig sind. Wenn die Republikaner die US-Wahlen gewinnen, wird das in noch weitere Ferne rücken.

Wie viele der Ziele können Ihrer Meinung nach in 15 Jahren erreicht werden?

Erik Solheim: Es ist definitiv möglich, absolute Armut zu beseitigen. Wenn genug politischer Wille da ist, werden wir auch fast alle Umweltziele erreichen. Aber nicht bis 2030. Die Welt wird 2030 kein Nirwana sein, aber es wird eine bessere Welt sein als die Heutige. Und die Welt ist schon heute ein viel besserer Ort als jemals zuvor.

Norwegen Umweltminsiter Erik Solheim
"Angst dass das Ganze irrelevant wird", Abhijit Banerjee, Professor für VolkswirtschaftslehreBild: DW/Uhlig

Abhijit Banerjee: Das weiß ich nicht. Meine Angst ist, dass das Ganze komplett irrelevant wird und die Leute sagen werden: "Was soll's”. Und wenn das so ist, fällt es schwer zu glauben, dass sie überhaupt Fortschritte machen. Sie werden einfach nur ihre eigenen Ziele herauspicken. Ich glaube es war eine verpasste Chance. Wir müssen noch mal von vorne anfangen. Die Diskussion war gut, also das hat vielleicht einen gewissen Wert. Insofern, dass die Leute darüber nachgedacht haben, was sie wollen. Aber ich glaube nicht, dass das Ergebnis die Relevanz hat, die es haben könnte.

Erik Solheim: Wir neigen dazu, die Geschichte zu verklären, zu glauben, die Vergangenheit war friedlich und angenehm. Ganz im Gegenteil: Bis zum 20. Jahrhundert lebten fast alle Menschen in extremer Armut. Sie litten Hunger, hatten keinerlei Bildung, und Krieg und Gewalt spielten in ihrem Leben eine viel größere Rolle, als für den Großteil der heutigen Weltbevölkerung. Wir sind die glücklichste Generation zum glücklichsten Zeitpunkt in der Geschichte der Menschheit. Uns sollte es bis 2030 sogar noch besser gehen.

Abhijit Banerjee ist Professor für Volkswirtschaftslehre am Massachusetts Institute of Technology (MIT), Mitgründer des Abdul Latif Jameel Poverty Action Lab (J-PAL), und ist Forschungsmitglied der Innovations for Poverty Action NGO. Außerdem war er Co-Autor von "Poor Economics: Plädoyer für ein neues Verständnis von Armut" (Originaltitel: "Poor Economics: A Radical Rethinking of the Way to Fight Global Poverty")

Erik Solheim war sowohl Umweltminister als auch Minister für Internationale Entwicklung in Norwegen. Seit 2013 ist er Vorsitzender des OECD-Entwicklungsausschusses. Er ist mehrfacher Preisträger, unter anderem wurde ihm der Preis “Champion of the Earth” des Umweltprogramms der Vereinten Nationen verliehen.