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Das peruanische Wintermärchen

Olivia Gerstenberger20. Februar 2014

Ein Geschwisterpaar aus München geht bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi für Peru an den Start. Die Organisation für das Experiment übernimmt die Familie.

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Ornella Oettl-Reyes. (Foto: dpa)
Ornella Oettl-Reyes (Foto) vertritt zusammen mit ihrem Bruder Manfred Peru bei den Winterspielen 2014.Bild: picture-alliance/dpa

Ornella Oettl-Reyes muss viele Fragen beantworten, als sie nach ihrem 57. Platz beim Riesenslalom an den Journalisten vorbeikommt. Es geht dabei nicht um das Sportliche, um Medaillenchancen oder die Aussichten bei ihrem nächsten Auftritt im Slalom. Alle wollen wissen, wie das denn nun war mit ihrer Familie und der Idee, den peruanischen Skiverband zu gründen - als Deutsche.

Und so erzählt die in München geborene Skirennläuferin ihre verrückte Olympia-Geschichte - auf Deutsch, auf Englisch und auch mal auf Spanisch. Diese drei Sprachen spricht sie fließend, denn ihre Mutter ist Peruanerin. "Meine Mama hat schon immer gesagt, sie will, dass ich für Peru starte und das Mutterland vertrete." Und die Mama ist eine sehr engagierte Frau: Mit viel Herzblut und Geduld bei den bürokratischen Hindernissen in dem südamerikanischen Land begründete sie den peruanischen Skiverband - mit ihren Kindern Ornella und dem zwei Jahre jüngeren Sohn Manfred als einzige Athleten. Beide nahmen 2009 auch die peruanische Staatsbürgerschaft an. Im deutschen Skiverband hatten sie langfristig keine Chance, obwohl sie jeweils seit ihrem dritten Lebensjahr auf Skiern stehen.

Mama organisiert, Papa präpariert die Skier

Es war ein Experiment, das eigentlich zum Scheitern verurteilt war. In Peru gibt es zwar Skigebiete in den Anden, doch diese sind kaum touristisch erschlossen und eher etwas für Freerider. Die meisten Peruaner haben Skier noch nie gesehen. "Wintersport ist dort sehr unbekannt, das wollen wir ändern", erzählt Ornella. Zunächst gab es unzählige bürokratische Hürden zu nehmen, dann mussten sich die zwei sportlich qualifizieren. Das Abenteuer begann für die Geschwister vor vier Jahren in Vancouver, damals kam die Zusage erst kurz vor dem Beginn der Spiele. Und so wurden sie die ersten Sportler, die jemals für Peru bei Olympischen Winterspielen an den Start gingen. Mittlerweile ist immerhin noch ein Langläufer dazu gekommen.

"Vor Sotschi war es wieder knapp, es gab einige organisatorische Schwierigkeiten mit der Akkreditierung", berichtet die 22-jährige Ornella, die sich von ihrem Freund trainieren lässt. Er war selbst Leistungssportler und ist der Sohn des deutschen Biathlon-Mannschaftsarztes Klaus-Jürgen Marquardt. "Nur so funktioniert das bei uns, mit Kontakten und viel Unterstützung unserer Eltern", lächelt Ornella. Ihr Vater präpariert die Skier, einen professionellen Servicemann kann man sich im Skiteam Peru nicht leisten. "Meine Mama macht die Büroarbeit: telefonieren, anmelden, den Kontakt mit Peru halten. Meine Eltern sind so toll, dass die uns das ermöglichen wollen und dafür viel arbeiten."

Schneebedeckte Berge kennen sie in Peru, nur der Wintersport ist dort nicht verbreitet. (Foto: dpa)
Schneebedeckte Berge kennen sie in Peru, nur der Wintersport ist dort nicht verbreitet.Bild: picture alliance/blickwinkel/F. Neukirchen

Finanziell lohnt es sich nicht

Immerhin gibt es für die zwei sehr speziellen "Olympia-Exoten" mittlerweile Materialsponsoren. "Weil wir nur zu zweit sind. Aber finanziell werden wir leider nicht unterstützt." Die Flüge nach Sotschi wurden nur für die Athleten bezahlt, der Rest der Familie musste die Anreisekosten aus eigener Tasche zahlen. Funktioniert aber auch, weil "die Mama bei einer großen Fluggesellschaft arbeitet."

Nun hoffen die zwei auf mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung, sportlich ist auch noch Luft nach oben. "Mein Trainer hat gesagt, im Training war ich besser, aber was soll's", sagt Ornella nach ihrem ersten Auftritt etwas enttäuscht. "Ich war froh, dass ich durchgekommen bin. Ich wollte nicht rausfliegen und das hat funktioniert." Vor vier Jahren in Vancouver war sie noch bei beiden Wettkämpfen ausgeschieden. Ihr Bruder war damals zumindest beim Riesenslalom als 67. ins Ziel gefahren, in Sotschi wurde er 70., immerhin nicht Letzter.

Manfred Oettl-Reyes wird beim Riesenslalom in Sotschi 70. (Foto: dpa)
Manfred Oettl-Reyes wird beim Riesenslalom 70.Bild: picture-alliance/dpa

Sich mit den Besten der Welt zu messen, mache schon großen Spaß, sagt Ornella. Oft stellt sie sich an den Rand der Piste und schaut zu. "Dass Maria Höfl-Riesch sich beim Riesenslalom geschont hat, fand ich schade, vielleicht war es aber eine gute Entscheidung. Dafür fand ich es interessant, Vanessa Mae zu sehen, unsere Geigenspielerin. Die macht das toll." Vanessa Mae wurde Letzte. Die beiden Geschwister dagegen wollen noch einmal angreifen, jeweils im Slalom (21./22.02.2014). Und bei den nächsten Spielen in Pyeongchang 2018 soll dann alles noch besser laufen, mit etwas mehr Ruhe im Vorfeld. Vielleicht hat der peruanische Skiverband bis dahin ja auch ein wenig mehr Zulauf bekommen.