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Das Mädchen mit dem Jungenkopf

23. März 2011

Gegen Kinder, Küche, Kirche rebelliert Fanny Lewald schon zur Zeit des Biedermeier. Mit Erfolg. Sie war die erste bürgerliche Autorin in Deutschland, die von ihren Büchern leben konnte. Vor 200 Jahren wurde sie geboren.

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Portrait der deutschen Schriftstellerin Fanny Lewald (Foto: Ulrike Helmer Verlag)

Auf diese Chance hatte sie viele Jahre gewartet. "Hier ist Platz, etwas zu werden!" schrieb Fanny Lewald begeistert, als sie 1845 nach Berlin zog. Damit behielt sie recht. Sie verdiente als Schriftstellerin so viel Geld, dass sie sich eine eigene Wohnung und Reisen durch ganz Europa leisten konnte. Und das alles mit einer Literatur, die die gesetzliche Benachteiligung der Frau und ihre Festlegung auf die Rolle als Ehefrau und Mutter kritisierte.

Aufnahme von Königsberg, heute Kaliningrad, von 1897Koenigsberg (Foto: Ullstein)
Königsberg im 19. JahrhundertBild: ullstein bild - histopics

Mitte des 19. Jahrhunderts gehörte die am 24. März 1811 in Königsberg geborene Schriftstellerin zu den meistgelesenen Autorinnen ihrer Zeit. "Fanny Lewalds Karriere war für eine Frau sehr außergewöhnlich", sagt Roswitha Hoffmann. Die Erziehungswissenschaftlerin aus Hannover hat zum 200. Geburtstag der Autorin eine Biografie veröffentlicht. "Ihre Bücher waren Bestseller, obwohl sie darin die damalige Heiratspolitik und die Abhängigkeit der Frauen, die Lage der Arbeiter und die Diskriminierung der Juden anprangerte."

Bildung statt Heirat

Bis sich die Situation der Frauen in Deutschland tatsächlich änderte, vergingen noch viele Jahre. Trotzdem sieht Roswitha Hoffmann in der Schriftstellerin eine Vorreiterin der Frauenbewegung. "Sie hat das, was sie forderte, auch gelebt – allen Widerständen zum Trotz." So wehrte sich Fanny Lewald erfolgreich dagegen, von ihrem Vater, einem gebildeten jüdischen Kaufmann, verheiratet zu werden. "Wie überlästig muss ich in unserem Hause sein", schrieb sie enttäuscht, "wenn der Vater mich zwingen will, unglücklich zu werden, nur um mich nicht mehr versorgen zu müssen."

Buchcover von Veröffentlichungen der Werke der deutschen Schriftstellerin Fanny Lewald (Foto: Ulrike Helmer Verlag)

Statt zu heiraten, begann sie als Jugendliche für die Zeitschrift eines Cousins Essays zu schreiben. Sie interessierte sich für Politik, was der Vater stets unterstützte. "Es war für die damalige Zeit ungewöhnlich, wie liebevoll ihr Vater sie gefördert hat", erklärt Hoffmann. Von klein auf sei sie in ihrem jüdischen Elternhaus ermutigt worden, Fragen zu stellen. "Die Eltern waren sehr stolz auf ihre schnelle Auffassungsgabe und wollten ihr so viel Bildung wie möglich mitgeben." Fanny Lewald besuchte eine Privatschule bis sie 14 Jahre alt war. Danach half sie der Mutter in dem großen Haushalt mit acht Kindern, erhielt aber nebenbei weiterhin Privatunterricht.

Erfolgreich als Salondame

Bis zu ihrem 34. Lebensjahr lebte Fanny Lewald in Königsberg bei ihren Eltern. Der Durchbruch als Schriftstellerin gelang ihr 1843 und 1843 mit den beiden Romanen "Jenny" und "Clementine". Auch ihre Essays zur Mädchenerziehung und Lage der Dienstboten, ihre Reiseberichte und ihre Memoiren verkauften sich bestens. „"Mein gutes Fräulein", schrieb ihr der Verleger Heinrich Brockhaus, "es läuft blendend. Bei uns muss ein guter Roman von Ihnen drei andere schlechte von anderen Autoren mittragen."

Buchcover von Veröffentlichungen der Werke der deutschen Schriftstellerin Fanny Lewald (Foto: Ulrike Helmer Verlag)

Doch nicht nur als Schriftstellerin war Fanny Lewald erfolgreich. In Berlin lud sie regelmäßig zu einem "literarisch-politischen Salon" ein, in dem die Geistesgrößen der Zeit ein und aus gingen, darunter Heinrich Heine, Franz Liszt, Ferdinand Lassalle, Hedwig Dohm, Johann Jacoby und Heinrich Laube. 1848 gehörte die Autorin und überzeugte Demokratin zu den wenigen Frauen, die an der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche teilnehmen durften.

Verliebt in einen Ehemann

Im Jahr 1855, mit 44 Jahren, entschied sich Fanny Lewald dann doch noch für eine Ehe. Da hatte sie bereits zehn Jahre mit dem Schriftsteller Adolf Stahr, einem verheirateten Mann und Vater von fünf Kindern, zusammengelebt. Eigentlich ein Skandal in der damaligen Zeit. Ihrer Beliebtheit als Schriftstellerin aber schadete die wilde Ehe nicht. Trotz ihres ungewöhnlich selbstbestimmten Lebens geriet die Autorin nach ihrem Tod 1889 in Vergessenheit. "Auch die Forschung hat Fanny Lewald viele Jahre vernachlässigt", bedauert Roswitha Hoffmann. Sie hofft, dass sich das mit dem 200. Geburtstag der Autorin ändert.

Autorin: Sabine Damaschke

Redaktion: Marlis Schaum

Roswitha Hoffmann: "Das Mädchen mit dem Jungenkopf", Ulrike Helmer Verlag, 160 Seiten, ISBN 978-3-89741-312-2, 24,95 Euro.