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Persiflage auf das Kino

28. August 2010

Dani Levy dreht konsequent Komödien. Nun hat er einen neuen, sehr persönlichen Film über das Filmemachen, jüdische Identitäten und das Spiel zwischen Traum und Wirklichkeit in den Kinos. Wir haben mit ihm gesprochen.

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(Foto: Horst Ossinger/dpa)
Filmregisseur Dani LevyBild: picture-alliance / dpa/dpaweb

DW-WORLD.DE: Sie haben oft in ihren Filmen Ihr Jüdisch-Sein thematisiert. Warum?

Ich sehe die letzten drei Komödien, "Alles auf Zucker", "Mein Führer" und "Das Leben ist zu lang" tatsächliche in einer Entwicklung. Bei "Alles auf Zucker" waren die jüdische Familie und die jüdische Kultur im Zentrum. Dann kam "Mein Führer", da war letztendlich Adolf Hitler im Zentrum, aber es gab einen jüdischen Lehrer, der als Therapeut mit dem Führer umgehen musste. Mit "Das Leben ist zu lang" kommt jetzt ein Film über einen Juden, der das Jüdisch-Sein gar nicht so vor sich her trägt, sondern der es mit einer großen Selbstverständlichkeit nimmt. Ich habe das Gefühl, es mündet jetzt in eine Natürlichkeit. Jüdisch-Sein muss nicht mehr ausgestellt sein, sondern ist etabliert und auch integriert in die deutsche Gesellschaft.

Ist es in Deutschland leichter, ein Schweizer Jude zu sein, als deutscher Jude?

Dani Levy hält freudestrahlend beiden gewonnenen Lola-Trophäen in die Kamera (Foto: AP Photo/ Jan Bauer)
Deutscher Filmpreis 2005Bild: AP

Ich habe mich nicht so als Schweizer Jude im Gegensatz zu als deutscher Jude gefühlt, weil ich gar keine richtigen Schweizer Vorfahren habe. Ich könnte auch sagen, ich bin weder noch, weil meine Mutter in Deutschland geboren und aufgewachsen ist und mein Vater in Frankreich. Also bin ich wohl am ehesten Europäer. Aber ich fühle mich diesem Land mehr verpflichtet als der Schweiz. Ich habe auch das Gefühl, dass ich als Jude in diesem Land eine größere Aufgabe habe, als ich das in der Schweiz hätte.

In Ihrem neuen Spielfilm geht es um den Filmregisseur Alfi Seliger, der sehr egozentrisch sein kann. Gerade die Tochter wünscht sich dann oft: Ich will einen anderen Papa. Sagen Ihre Kinder das manchmal auch?

Natürlich. Das sagen Kinder schnell, wenn es nicht nach ihrem Kopf geht. Entscheidender ist, dass Alfi spürt, dass er die Entwicklung seiner Kinder nicht mehr richtig miterlebt. Ich bin manchmal am Wochenende mit meiner Familie zusammen und habe trotzdem mit mir selber zu tun. Ich bin dann so in ein Projekt verwickelt, dass ich für meine Kinder gar nicht richtig erreichbar bin. Das finde ich viel schlimmer als physisch nicht da zu sein. Ich denke, so geht es Alfi Seliger auch. Mich zerreißen diese beiden Leben gelegentlich. Das extrem anstrengende, leidenschaftlich auch aufopfernde Leben für meine Filme, die ich mit vollem Herzblut machen möchte und auf der anderen Seite meine Familie, die ich über alles liebe. Das ist schwierig zusammen zu bringen. Ich brauche dann eine gewisse Zeit, bis ich wieder in der Familie angekommen bin.

Können Sie denn loslassen? Ihren Cutter im Schnitt auch mal alleine lassen? Oder müssen Sie jede Sekunde bei ihm sitzen?

Ich kann gut abgeben, aber ich bin auch anspruchsvoll und manchmal wird abgeben fast anstrengender als wenn man es selber begleitet hätte. Aber im Grunde bin ich ein überzeugter Team-Player. Gerade ein Film kann erst dann zur Vollendung und Schönheit kommen, wenn andere Mitspieler sich auch entfalten können. Aber es gibt bestimmte Prozesse, die ich mitgestalten muss, weil ich das Gefühl habe, sie sind so individuell von mir gefüllt, dass es kein anderer für mich tun kann. Wir leben in einer Zeit, in der wir unsere Kinder überversorgen und so habe ich auch das Gefühl, dass ich meine Filme überversorge. Das liegt vielleicht auch an der Trägheit des Systems. Ich wünschte mir manchmal die 60er und 70er Jahre zurück, wo jemand wie ich vielleicht jedes Jahr einen Film machen könnte, wie Wim Wenders das früher gemacht hat und Fassbinder sogar zwei bis drei Filme pro Jahr drehte. Dadurch dass ich immer so zwei, drei Jahre Zeit habe, fange ich an, den Film zu betütteln. Dadurch bin ich immer so präsent und das finde ich auch gar nicht immer gut.

Produzentenmogul Miesbach-Boronowski (Hans Hollmann) mit Gattin (Veronica Ferres) auf dem Weg zum Filmfestival (Foto: X-Verleih/ Nik Konietzny)
Das Leben ist zu langBild: X Verleih/Nik Konietzny

Wir sprechen hier ja eigentlich über eine Komödie und über die deutsche Filmbranche. Aber wie realistisch ist das Bild, das Sie in Ihrem neuen Film zeigen?

Eine Komödie braucht meiner Meinung nach intime Kenntnisse und Realität. Eine gute Komödie unterscheidet sich von einer Tragödie nur über den Blickwinkel. Die Komödie, die sich von der Realität löst und nur so Slapstick wird, interessiert mich persönlich nicht so. Ich finde Komödien interessanter, die wirklich in der Realität und im Leben fußen, die auch durchdrungen sind von Ehrlichkeit und von Wahrheit. Deshalb sind die Insiderkenntnisse, die ich von der Branche habe, sicherlich hilfreich. Das war bei "Alles auf Zucker" auch der Fall, dass man das Gefühl hatte, da wird ein Milieu beschrieben, das einfach stimmt. Und natürlich habe ich Alfi Seliger nach realen Vorbildern geschrieben. Aber das bin - Gott sei Dank - nicht nur ich.

Ist Woody Allen ein Vorbild für Sie?

Woody Allen ist ein großes Vorbild auf verschiedenen Ebenen. Einerseits, weil er einen Film nach dem Anderen dreht - ohne wenn und aber, mal einen Besseren, Relevanteren, dann einen Spielerischen, Unwichtigeren. Diese Freiheit würde ich gerne einmal erreichen. Andererseits hat er die Fähigkeit, die allerschönsten Filmmärchen zu erzählen, die auf die eine oder andere Art auch immer sehr authentisch sind. Und weil er uns zeigt, dass eine Komödie nicht immer lustig sein muss, sie muss primär berühren.

Interview: Jörg Tszman

Redaktion: Conny Paul