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Das Kabinett spart – größtenteils

Die Koalition kreißte und gebar einen Kompromiss. Keine Zeit, sich die Köpfe weiter heiß zu reden, es muss regiert werden in Deutschland, denn genug ist allemal zu tun.

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Minister Eichel und Clement: Die erste Hürde genommenBild: AP

Finanzminister Hans Eichel (SPD) wird es mit einem lachenden und einem weinenden Auge sehen: Sein Ziel, null Euro neue Schulden aufzunehmen, um den Haushalt für das Jahr 2003 zu bestreiten, hat er nicht ganz erreicht. Aber fast. Auch der grüne Koalitionspartner ist nicht ganz am Ziel angekommen. Pragmatismus heißt die Devise in harten Zeiten und mit knappen Parlamentsmehrheiten.

Erste Ergebnisse im einzelnen

Mit dem Sparpaket in seiner jetzigen Form werden vor allem Konzerne und Spitzenverdiener stärker zur Kasse gebeten. Bis zur Vertragsunterzeichnung am Mittwoch müssen die Unterhändler noch über Personalfragen und Kompetenzverteilung im Kabinett entscheiden. Zur Schließung des Finanzlochs von 14,2 Milliarden Euro im Haushalt 2003 vereinbarte die Koalition Streichungen von Steuervergünstigungen im Umfang von 4,2 Milliarden Euro und Ausgabenkürzungen von 7,4 Milliarden Euro. Die Aufnahme weiterer Kredite in Höhe von 18,1 Milliarden Euro wird um 2,6 Milliarden Euro höher ausfallen als bisher geplant.

Finanzen:

Dazu gehören unter anderem eine Mindeststeuer für Unternehmen, die Beschränkung der Eigenheimzulage auf Familien mit Kindern und die erweiterte Steuerpflicht für Veräußerungsgewinne. Über die Fortschreibung der Ökosteuer wird erst 2004 entschieden.

Kinder und Familie: Beruf und Familie sollen besser vereinbar werden. Vier Milliarden Euro werden für die Kinderbetreuung, unter anderem für den Ausbau von Ganztagsschulen, ausgeben. Jedes fünfte Kind unter drei Jahren soll künftig einen Krippenplatz bekommen. Dafür stehen 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung.

Arbeit:

Das Hartz-Konzept zur rascheren Vermittlung von Arbeitslosen soll am 1. März in Kraft treten. Die Höchstgrenze für Minijobs wird zunächst nur für haushaltsnahe Dienstleistungen von 325 auf 500 Euro angehoben werden. Auf diese geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse wird pauschal eine zehnprozentige Sozialabgabe erhoben.

Umwelt:

Deutschland setzt sich in der EU dafür ein, bis 2020 den Ausstoß klimaschädlicher Gase um 30 Prozent zu verringern. Wenn diese Zielsetzung gelingt, wird Deutschland die Emissionen sogar um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Zum Hochwasserschutz entfallen Staustufen in Donau und Saale. Die Elbe wird nicht weiter ausgebaut.

Bildung:

Sprachtests vor der Einschulung sollen gezielte Hilfen von Anfang an möglich machen. Die Zahl der Studenten soll erhöht und die Forschungsförderung verstärkt werden. Geplant ist ferner die Festlegung nationaler Bildungsstandards.

Innen und Recht: Bund und Länder sollen sich über eine Neuaufteilung von Kompetenzen einigen. Volksentscheide auf Bundesebene werden angestrebt. Bei den Streitthemen Kronzeugenregelung, Cannabis-Konsum und Geheimdienstreform wurden Kompromissformeln vereinbart.

Verbraucher und Landwirtschaft:

Die Bundesregierung will den Verbraucherschutz als Querschnittsaufgabe in alle relevanten Politikbereiche einbeziehen. Gentechnisch veränderte Lebensmittel sollen genau gekennzeichnet werden.

Verkehr:

90 Milliarden Euro sind für Erhalt und Ausbau der Verkehrswege vorgesehen. Das Schienennetz bleibt bei der Bahn. Das Fluglärmgesetz wird novelliert.

Bau:

Auch künftig wird die Schaffung von Wohneigentum gefördert, jedoch in geringerem Umfang als bisher. Die Städtebauförderungsprogramme gehen weiter. Die ostdeutsche Wohnungswirtschaft kann mit Härtefallregelungen rechnen.

Wirtschaft:

Die Meisterpflicht für Handwerker soll mittelfristig abgeschafft werden. In einem Übergangszeitraum sollen Gesellen schon jetzt Handwerksbetriebe übernehmen können, wenn sie einen Meister einstellen.
Bundeswehr: Die Bundeswehrreform wird fortgesetzt. Noch in dieser Legislaturperiode soll erneut überprüft werden, ob die Wehrpflicht erhalten werden soll.

Entwicklungszusammenarbeit: Das Entwicklungs-ministerium bleibt ein eigenständiges Ressort. Die Mittel für Entwicklungshilfe werden erhöht - von heute 0,27 Prozent am Bruttosozialprodukt auf 0,33 Prozent im Jahr 2006.

Erste Reaktionen

Nach der Lockerung des deutschen Sparkurses forderte die EU-Kommission von der Bundesregierung ein klares Bekenntnis zu den Euro-Stabilitätskriterien. Das sei das Mindeste, was Brüssel erwarte, sagte ein Sprecher von EU-Finanzkommissar Pedro Solbes in Brüssel. CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer warf der Koalition Wortbruch vor. Vor der Wahl habe Bundeskanzler Gerhard Schröder Steuererhöhungen als konjunkturschädigend bezeichnet, jetzt werde der ökonomische Unsinn zum Prinzip erhoben. Die FDP warf der Regierung vor, mit der Erhöhung der Neuverschuldung den letzten Rest Glaubwürdigkeit zu verspielen. (ap/dk)