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Beim "Kulinarischen Kino" steht auch hartes Brot auf der Karte

19. Februar 2010

Beim "Kulinarischen Kino" zaubern Spitzenköche für die Berlinale-Gäste ein Menü passend zum Film. Manchmal regt das den Appetit an. Manchmal aber auch eher nicht.

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Mann kniet neben toten Haifischen
Der König der Meere ist vom Aussterben bedrohtBild: Internationale Filmfestspiele Berlin

In den Spätvorstellungen geht es um die dunkle Seite des Genusses: um Ausbeutung, Profitsucht, Gewissenlosigkeit. Die Rede ist von drei Dokumentarfilmen, die einem den Appetit verderben: "Collapse", "Im Einsatz für Haie" und "BANANAS!*". Gemein sind ihnen die düsteren Szenarien, die sie zeichnen. Und die Tatsache, dass es ausschließlich um Männer geht. Um den Blogger Michael Ruppert mit seinen apokalyptisch angehauchten Zukunftsvisionen. Um den beliebten Schauspieler und Umweltaktivisten Hannes Jaenicke, der für das deutsche Fernsehen teils mit versteckter Kamera "Im Einsatz für Haie" drehte. Um den US-Anwalt Juan Dominguez, der in einem Musterprozess gegen den Fruchtkonzern Dole Schmerzensgeld in Millionenhöhe für zwölf Bananenarbeiter aus Nicaragua erkämpfte.

Das Gute gegen das Böse

Eine Familie in Nicaragua beugt sich über einen Sarg mit mit einem Fenster, durch das man den Toten sieht
"BANANAS!*" beginnt mit einer BeerdigungBild: Internationale Filmfestspiele Berlin

Diese Liste ließe sich ergänzen um den schwedischen Regisseur Fredrik Gertten, der mit seinem Film selber in die Fänge der Bananenindustrie geriet: Dole verklagte seine Produktionsfirma, nachdem sie den Trailer gesehen hatten. Um die unzähligen Haifisch-Fänger, Flossen-Händler, Haifisch-Fresser. Und natürlich um die Bananenarbeiter in Nicaragua, die jahrzehntelang mit einem giftigen Schädlingsbekämpfungsmittel in Berührung kamen, das sie unfruchtbar gemacht hat. Dole hatte das Mittel dort noch eingesetzt, als es in den USA längst verboten war.

Was wissen wir schon über unser Essen?

Filmplakat mit vielen knallgelben Bananen und der Aufschrift "your bananas"
Wer hat eigentlich mein Pausenbrot gepflückt?Bild: Internationale Filmfestspiele Berlin

Drei Filme voller hartem Brot, doch das ist verzeihlich. Wer nicht wusste, dass hierzulande Haifisch zum Beispiel als Schillerlocke oder See-Aal getarnt in den Theken landet, lässt nun wahrscheinlich die Finger davon. Und bei den rund 15 Kilo Bananen, die wir so im Jahr verzehren, werden wir nun wohl genauer auf den Aufkleber schauen und an die zahllosen Pestizide denken, die Madame Cavendish (so heißt die von uns bevorzugte Dessertbanane) von ihrem bösartigen Pilzbefall befreien sollen. Doch was machen wir mit Mr. Ruppert, dem Kettenraucher mit Hund aus "Collapse"?

Ein Mann, ein Stuhl, eine Kamera

Mann im Profil vor dunklem Hintergrund
Rupperts Argumentation kennt keine LückenBild: Internationale Filmfestspiele Berlin

Der Regisseur Chris Smith stieß bei einer CIA-Recherche auf Michael Ruppert. Der frühere Drogenfahnder hat sich als investigativer Journalist und Sachbuch-Autor einen Namen gemacht, etwa mit seiner Homepage "From The Wilderness" und dem dazugehörigen Newsletter. Eins seiner Hauptthemen ist Einfluss der sinkenden weltweiten Ölreserven ("Peak Oil") auf die US-Politik. Und darum geht es also auch in der intellektuellen Horror-Doku "Collapse". 2006 sagte er detailliert die Finanzkrise voraus, nun prophezeit er den Kollaps unserer Gesellschaft. "Jeder Aspekt menschlichen Lebens steht zur Diskussion", sagt er und nimmt einen tiefen Zug. Ruppert prophezeit, was mit der Menschheit geschieht, wenn das Öl ausgeht: Alles wird zusammenbrechen, alles. Regisseur Chris Smith stellt einige wenige Fragen aus dem Off und lässt Ruppert reden. An Argumenten fehlt es dessen Monologen nicht, gewürzt sind sie mit viel Sarkasmus und kritischem Denken.

Der Film verselbstständigte sich

Ein Flugzeug spritzt Pestizide über einer Bananenplantage
Bananen sollen mit Pestiziden geschützt werdenBild: Internationale Filmfestspiele Berlin

Fredrik Gertten, Regisseur von "BANANAS!*", ist mit seinem Rechtsanwalt zur Berlinale gereist. Sein Film, der ohne Off-Kommentar auskommt, begleitet den Musterprozess, den US-Anwalt Juan Dominguez und sein Team mit zwölf Bananenarbeitern aus Nicaragua gegen Dole führen. Prozessbilder wechseln sich ab mit Aufnahmen aus Nicaragua, die die dramatische Lage der Arbeiter und ihrer Familien untermalen. Der Film beginnt mit der Beerdigung eines Arbeiters und endet mit einem Erfolg: Dole muss mehrere Millionen US-Dollar Schmerzensgeld zahlen. Doch blieb das Nachspiel für die Macher des Dokumentarfilms nicht aus. Die schwedische Produktionsfirma wurde von Dole verklagt mit der Begründung, "BANANAS!*" kränke die Ehre der Dole Food Company und sei geschäftsschädigend. Die Klage wurde mittlerweile zurückgezogen.

Autorin: Ricarda Otte
Redaktion: Marcus Bösch