1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Das Fasten ist ein Fest für mich"

16. November 2001

30 Tage lang sollen die rund 3,5 Millionen Muslime in Deutschland fasten. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang sind Essen und Trinken tabu. Rund die Hälfte der Muslime halten die strengen Regeln zum Ramadan ein.

https://p.dw.com/p/1N8w
Bild: AP

Mit dem Sonnenaufgang am Freitag (16. November 2001) beginnt für viele der rund 3,5 Millionen Muslime in Deutschland ein Höhepunkt des geistlichen Lebens - der Fastenmonat Ramadan. Die gläubige Muslimin Karola Kahn kennt die mitleidigen Blicke von Arbeitskollegen in dieser Zeit. "Doch das Fasten ist ein Fest für mich", sagt die Vorsitzende der islamischen Religionsgemeinschaft in Frankfurt/Main. Andere wiederum verbergen nicht, dass es ihnen schwer fällt, 30 Tage lang von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang nichts zu essen und zu trinken. Selbst ein Schluck Wasser wird als Sünde angesehen. Auch Rauchen und Sex sind tabu. Aber vor allem jüngere Muslime in Deutschland nehmen es mit der religiösen Pflicht des Fastens nicht so genau.

Ramadan stößt nicht überall auf Gegenliebe

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) schätzt, dass etwa die Hälfte der Muslime in Deutschland die strengen Regeln zum Ramadan einhalten. Einer Studie in Berlin zu Folge seien es bei den Jugendlichen, die von der Pubertät an auch fasten sollen, knapp 30 Prozent, berichtet der ZMD-Vorsitzende Nadeem Elyas. "Bei den jungen Leuten ist schon Widerstand da." Das Fasten, das Teil des Gottesdienstes mit fünf Gebeten täglich ist, sollen Muslime zur inneren Einkehr und Vertiefung des Glaubens nutzen. Während dieser Zeit besuchten mehr Muslime die Moscheen als sonst, erzählt der Türke Muharrem Caglayan, der in Hanau als Busfahrer arbeitet und Vorsitzender des Ausländerbeirates ist.

Zuckerfest am 16. Dezember

"Quälen ist nicht der Sinn des Fastens, sondern Selbstbeherrschung", betont der saudische Arzt Elyas. Es solle gelernt werden, auf etwas zu verzichten. Nach Sonnenuntergang aber, wenn das Fasten beendet wird, kommt das gesellige Leben in Gang: Viele Familien tischen groß auf und laden Freunde und Verwandte zu einem Abendessen mit Suppe, Fleisch, Salat und Süßigkeiten ein. "Es kommt vor, dass sogar mehr gegessen wird als außerhalb des Ramadan", meint Elyas. Aber eigentlich sei auch am Abend "Maßhalten" angebracht. Erst wenn der Fastenmonat am 16. Dezember endgültig vorbei ist, wird mehrere Tage lang gefeiert. Türken nennen das "Zuckerfest", weil Kinder mit Süßigkeiten beschenkt werden.

Für manche Muslime in Deutschland hat der Ramadan allerdings an Bedeutung verloren. Völliges Desinteresse herrschte beispielsweise bei mehreren Besitzern von Döner-Buden in Frankfurt. Auch der Vorsitzende des Ausländerbeirates in Fulda, der iranische Informatiker Hashem Savoji, fastet nicht, weil ihm die religiöse Bindung fehle.

Den Willen in den Griff kriegen

Dagegen sieht der Libanese Ali Ali-Tachem aus Kassel den Ramadan als eine Herausforderung, "um den Willen im Griff zu haben": "Ich habe Hunger, und ich sage nein." Doch nicht immer war der Wille des Muslimen stark genug. Jeder Tag, an dem gegen das Fasten verstoßen wird, muss nach der Zeit des Ramadan allerdings nachgeholt werden. "Wenn man mit dem Herzen daran glaubt, ist es (das Fasten) einfach", meint voller Überzeugung der Türke Caglayan aus Hanau.

Bei jungen Leuten hat das Interesse am Ramadan nach Ansicht der Vorsitzenden der islamischen Religionsgemeinschaft in Frankfurt, Kahn, seit den Terror-Anschlägen in den USA zugenommen. "Sie suchen die Gemeinschaft der Fastenzeit als Reaktion auf das schlechte Bild, das man sich seit den Terroranschlägen vom Islam macht."

Der Mondkalender bestimmt die Fastenzeit

Im Herbst und Winter ist es allgemein leichter, die Zeit ohne Essen und Trinken durchzustehen, da die Tage bis zum Sonnenuntergang viel kürzer sind als im Sommer, wenn noch dazu Schweiß treibende Hitze herrscht. Da sich der Ramadan wie das gesamte islamische Jahr nach dem Mondkalender richtet, verschiebt sich der Fastenmonat zeitlich in jedem Jahr. Schwangere, Kinder und Reisende müssen nach den religiösen Regeln übrigens nicht fasten. (pg)