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Das Ende des Generationen-Streits

Verica Spasovska22. Dezember 2003

Die Jungen klagen, Senioren würden auf ihre Kosten leben. Und Senioren finden, dass die Jugend sie kaum unterstützt. Dieser Streit ist vorbei, sagt eine Studie: Alt und Jung helfen sich. Verica Spasovska kommentiert.

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Pünktlich zum Weihnachtsfest erreicht uns eine frohe Botschaft: In Deutschland gibt es keinen Generationenkrieg, es gibt keinen Streit zwischen Jung und Alt um die Kosten der Solidargemeinschaft. Stattdessen zeichnet sich ein neuer Generationenpakt ab, denn das Verhältnis zwischen der jungen und der alten Generation in Deutschland ist weitaus besser als sein Ruf. Das sind höchst erfreuliche Ergebnisse einer Familienstudie, die Bundesfamilienministerin Renate Schmidt in Berlin vorgestellt hat.

Alle helfen sich gegenseitig

Vom Tisch ist der Streit um künstliche Hüftgelenke für Rentner über 85, die nach Ansicht des Vorsitzenden der christdemokratischen Jungen Union, Mißfelder, nicht mehr in den Genuss solcher Leistungen kommen sollten. Der soziale Friede zwischen den Generationen ist wieder ein Stück näher gerückt. Was sind die Ursachen für die überraschende Einigkeit von Jung und Alt? Es hängt mit dem Ende des Wohlfahrtstaates zusammen, denn nun entdecken die Deutschen ihre wichtigste Wurzel wieder: die Familie. Die Generationen helfen sich gegenseitig, um die sozialen und finanziellen Belastungen des Alltags zu bewältigen. Eine überwältigende Mehrheit der Befragten lehnt das Klischee ab, das da heißt: "Die Alten leben auf Kosten der Jungen."

Das Gegenteil sei der Fall, heißt es in der Studie. Sie belegt, dass Alt und Jung gegenseitig ein hohes Verantwortungsbewusstsein haben und dass es eine enorme Alltagssolidarität in allen Generationen gibt. Die Ergebnisse der Studie sind beeindruckend. Fast ein Viertel der ganz Jungen leistet persönliche Hilfe im Haushalt, ein Drittel der mittleren Generation unterstützt ihre Kinder finanziell, auch wenn sie nicht mehr zu Hause wohnen. Und die Alten sparen, um die Jungen in großem Umfang mit Geld und Sachleistungen zu unterstützen.

Ohne Familien wäre die Gesellschaft am Ende

Eine Schlussfolgerung der Zukunftsforscher aus diesen Ergebnissen ist deshalb durchaus nachvollziehbar: Die Altersvorsorge wird künftig mehrere Standbeine haben. Sie dürfte aus einer gesetzlichen Grundversorgung bestehen, einer privaten Zusatzversorgung und den sozialen Leistungen der Familie. Die Familie springt ein, wo der Staat sich aus der sozialen Verantwortung zurückzieht. Welch frohe Kunde in den Ohren deutscher Politiker, die in den Zeiten knapper Kassen jeden Cent umdrehen. Zu glauben, die Politik könne sich bequem zurücklehnen, weil der staatliche Generationenvertrag von einer Art privatem Generationenpakt abgelöst wird, ist allerdings ein Trugschluss.

Angesichts der zunehmenden Bedeutung der Familien ist der Staat erst recht in die Pflicht genommen. Denn die Politik muss die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die Familie als Lebensgemeinschaft wieder attraktiv wird. Die finanziellen und materiellen Hürden, welche die junge Generation bislang davon abhalten, eine Familie zu gründen, müssen abgebaut werden. Familienpolitik muss ins Zentrum politischen Handelns rücken, wenn der Staat das Überleben der Gesellschaft sichern will.

Er muss dafür Sorge tragen, dass es Müttern, Vätern und Kindern gut geht. Eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, wie es die Bundesfamilienministerin durch die verstärkte Einrichtung von Ganztagsschulen und anderen Betreuungsmöglichkeiten anstrebt, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Denn: Ohne Kinder, auf die sich die Gesellschaft von morgen stützen kann, geht gar nichts.