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Im Kino: "Das Ende der Wahrheit"

Jochen Kürten
19. Januar 2019

Der Film von Philipp Leinemann beleuchtet einen Politikbereich, der eher im Schatten liegt. Im DW-Gespräch verrät der Regisseur, was ihn an dem brisanten Stoff interessiert hat und warum Außenminister Maas zufrieden war.

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Filmstill "Das Ende der Wahrheit"
Bild: Prokino/B. Schuller

Martin Behrens (Ronald Zehrfeld) ist beim Bundesnachrichtendienst für den Bereich Zentralasien und damit auch für die Koordination von Auslandseinsätzen zuständig.

Je mehr der idealistische Beamte Einblick erhält in die Strukturen von Ministerien, Geheimdiensten, Lobbygruppen, Rüstungskonzernen und die Arbeit privater im Ausland agierender Sicherheitsfirmen, umso mehr erkennt er, dass sich die Grenzen zwischen Gut und Böse schnell auflösen.

Blick hinter die Kulissen des Politbetriebs

Leinemanns Film "Das Ende der Wahrheit" wirft einen desillusionierenden Blick hinter die Kulissen des Politikbetriebes. Ein Thriller mit Unterhaltungspotenzial, aber auch ein hochaktueller politischer Film über die Verflechtungen internationaler Geheimdienste, die sich zunehmend privater Söldner-Firmen bedienen.

Deutsche Welle: Was hat Sie am Thema gereizt, was hat Sie inspiriert?

Philipp Leinemann: Ich bin mit den "Jack Ryan"-Filmen aufgewachsen (die Figur des CIA-Agenten Jack Ryan diente als Vorlage für viele Action-Filme aus Hollywood seit den 1990er Jahren, A.d.R.) und wollte immer schon mal einen Politthriller drehen. Als deutscher Filmemacher hast Du natürlich die Auflage, auch eine deutsche Perspektive zu erzählen und die galt es erst einmal zu finden.

Der Film erzählt von einer klassischen Verschwörung, die nicht aufgelöst wird. Im Unterschied zu "Wir waren Könige" (Leinemanns Polizeithriller aus dem Jahre 2014, A.d.R.) wollte ich diesmal keinen Ensemblefilm drehen, sondern mich auf eine Figur konzentrieren, die des BND-Mannes Martin Behrens. Das war die Idee, ein erstes Treatment entstand schon 2007, dann gab es eine lange Recherche…

Filmstill "Das Ende der Wahrheit"
Gute Miene zum bösen Spiel: Mitarbeiter des BND in "Das Ende der Wahrheit"Bild: Prokino/B. Schuller

Wie recherchiert man, wenn es um Geheimdienste geht?

In der Tat - wie kann man in das Geheime schauen, wenn die doch alle so abgeschottet sind? Es gibt aber viele frustrierte BND-Aussteiger, die etwas erzählen. Mir hat ein Mitarbeiter des BND, den ich auch treffen durfte (was sehr konspirativ verlief), gesagt, dass die sich beim BND eigentlich sogar freuen, wenn es über sie mal wieder Bücher oder Filme gibt - auch wenn diese kritisch sind.

Es gibt auch viele Leute, die nach ihrer Karriere erzählen, was sie da erlebt haben. Und es gibt auch gute Journalisten, die sehr investigativ arbeiten. Aber der Film setzt sich ja nicht nur aus der Recherche über die Arbeit der Geheimdienste zusammen, sondern blickt auch auf das ganze Geflecht aus Lobbyismus, er schaut auf die Strukturen im Nahen Osten.

Es ist ein Blick auf ein riesiges Netzwerk, ein Mosaik aus vielen Steinchen - da fällt meine Figur rein und versucht Licht ins Dunkel zu bringen. Am Ende bleibt es mehr Dunkel als Hell.

Das heißt, die Grenzen zwischen Schwarz und Weiß, zwischen Gut und Böse, verschwimmen?

Iris Berben (die Schauspielerin war bei der Weltpremiere von "Das Ende der Wahrheit" ebenso wie Bundesaußenminister Heiko Maas im Januar beim Festival "Max Ophüls Preis" zugegen, A.d.R.) hat gesagt, der Film sei gerade deswegen so wichtig, weil wir uns heute so sehr nach einem Gut-Böse-Schema sehnen. In der heutigen Politik, im Wahlverhalten der Menschen, bei der spürbaren Wut vieler Wähler, wird diese Sehnsucht nach einem Schwarz-Weiß-Schema sichtbar.

Aber wir müssen feststellen: Diese Welt ist kompliziert und unüberschaubar geworden. Es gibt keine einfachen Antworten. Die liefert mein Film auch nicht - etwa im Sinne von: Wenn man das weiß und jenes macht, dann wird alles besser. Es ist heute alles miteinander verflochten. Die Welt, in der wir leben, ist einfach zu komplex.

Der Regisseur Philipp Leinemann im DW Gespräch beim Max Ophüls Preis 2019
Regisseur Philipp Leinemann im DW-GesprächBild: DW/J. Kürten

Wie soll und kann Politik aber heute gestaltet werden? Gerade wenn es um Themen wie die Arbeit von Geheimdiensten geht, um Auslandseinsätze?

Vielleicht fangen wir mal damit an, uns an den Ursprung zu erinnern: Was hat das Chaos ausgelöst, das wir heute zum Beispiel in Syrien haben? Die Invasion 2003 im Irak, wodurch der sogenannte "Islamische Staat" erstarken konnte. Das wurde aufgrund des Chaos, was damals bestand, von den Geheimdiensten überhaupt nicht wahrgenommen.

Vielleicht sollten wir diese Interventionen in andere Länder und andere Kulturen mal unterlassen: Interventionen, die ohne ein Verständnis für diese Kulturen geschehen, in konfliktreichen Gegenden, mit vielen verschiedenen Gruppierungen.

Ein anderes Beispiel ist Libyen. Wir hinterlassen regelmäßig ein Chaos. Das holt uns irgendwann ein. Vielleicht sollten wir uns einfach weniger mit einer aktiven Außenpolitik in andere Länder einmischen, vielleicht ist das ein erster Schritt

Aber das heißt in der Konsequenz, wenn sich die westliche Welt heraushält, dann betreten immer auch andere Player die Bühne, Russland, China?

Ja, es rückt immer jemand nach. Das Machtgefüge wird immer durch ein anderes ersetzt. Bricht ein Staat zusammen, entstehen ganz viele Gruppierungen, die um die Macht ringen. Das ist leider immer so. Das sehen wir in Somalia und vielen anderen gescheiterten Staaten. Da ist China seit vielen Jahren und Jahrzehnten aktiv, tritt fast so wie ein Kolonialreich auf. Jetzt die Russen. Das ist natürlich eine Art von Außenpolitik, die Folgen haben wird.

Filmstill "Das Ende der Wahrheit"
Meister der Intrigen: Axel Prahl und Alexander Fehling spielen hochrangige BND-Beamte, Fehling bekam für seinen Auftritt einen "Deutschen Filmpreis"Bild: Prokino/B. Schuller

Das ist in diesem Film aber gar nicht so die Kernfrage. Mir geht es vor allem um folgendes: Der Film warnt davor, was passiert, wenn wir Hoheitsaufgaben an private Sicherheitsfirmen delegieren. Können wir das noch kontrollieren? Für wen arbeiten diese Gruppen? Für sich selber? Für den Staat? Sind die neutral? Wenn Friede auf der Welt herrscht, dann verdienen diese Firmen kein Geld.

In den USA, das haben wir im Irak-Krieg gesehen, bestand das "Daily Briefing", also der Geheimdienst-Bericht, den der US-Präsident jeden Tag bekam, zu 70 Prozent aus Informationen privater Firmen. In welchem Interesse arbeiten die? Ich vermute mal, in erster Linie in ihrem eigenen. Vor dieser Entwicklung warnt der Film. Wir können das nicht kontrollieren, denn diese Firmen unterstehen keiner parlamentarischen Kontrolle.

Gibt es das denn auch in Deutschland?

Alles was im Film passiert, basiert auf wahren Hintergründe und Begebenheiten. Es hat ja auch in Deutschland Geheimflüge der CIA gegeben, als deutsche Staatsbürger heimlich verschleppt wurden, weil sie als Terror-Verdächtige galten. Da gab es auch private Firmen, die im Auftrag der Regierung und der Geheimdienste diese Flüge absolviert haben und die wurden dann durch Journalisten aufgedeckt.

Eröffnung des 40. Filmfestival Max Ophüls Preis - Ehrenpreis für Iris Berben
Nach der Weltpremiere beim "Max Ophüls Preis" in Saarbrücken: Hauptdarsteller Ronald Zehrfeld, Festivalchefin Svenja Böttger, Iris Berben, Außenminister Heiko Maas und der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (v.l.)Bild: picture-alliance/dpa/O. Dietze

Auch der BND wusste davon - oder musste davon wissen, weil es eine klassische Geheimdienstoperation gewesen ist: In Deutschland wurden Deutsche verschleppt und ins Ausland geflogen. Dann kann man selber die Hände in Unschuld waschen. Das "Schöne" ist: Man muss niemand um Erlaubnis fragen, man kann einem Land einen Krieg erklären, die Zeitungen schreiben nicht über tote Söldner. Das ist einfach für einen Politiker sehr "reizvoll".

Bei der Welt-Premiere im Januar war Bundesaußenminister Heiko Maas zugegen, die Thematik fällt ja auch in seinen Bereich. Wie hat Maas reagiert?

Er kam später zu mir, er kam ja als Cineast, das war sehr nett. Er hat mir gesagt, dass er vorher nicht gewusst habe, um was es in dem Film geht. Er hat dann gesehen, dass das auch etwas mit seinem beruflichen Kontext zu tun hat. Er hat gesagt, dass das gut recherchiert sei und er sich in die Arbeit zurückversetzt fühlte.

Er hat damit wohl auch die formalen Aspekte gemeint: Wie die ganzen Hierarchien ablaufen, die Dialoge, die Ästhetik der Räume, das ganze Protokoll. Das war schön zu hören. Ob er das für realistisch gehalten hat, weiß ich nicht. Ich hoffe, dass einiges auch fiktional ist, sonst würde mich das extrem erschrecken.

Das Gespräch führte Jochen Kürten

"Das Ende der Wahrheit" startet am 9. Mai 2019 in den deutschen Kinos. Die Rechte für den Film wurden bereits in mehrere Länder verkauft. Philipp Leinemann bereitet derzeit für den US-Anbieter "Netflix" die Dreharbeiten für die Serie "Die Barbaren" vor, die die historische Varusschlacht thematisiert.