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Nichts gelernt?

24. Juni 2009

Als ob niemand aus der Krise gelernt hätte, gibt es bereits neue Finanzjongleure am US-Markt. Sie kaufen faule Kredite, treiben Zinsen ein, machen Gewinne und profitieren von der Krise, die sie selbst angezettelt haben.

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Schilder im US-Bundesstaat Vermont weisen auf zum Verkauf stehende Häuser hin, Foto: ap
Neue Finanzjongleure machen sich die Krise zunutzeBild: AP

In Worcester, im US-Bundesstaat New York, ist Amerika immer noch so unberührt, wie es einmal war. Deshalb wollte auch Donald Bozarth unbedingt hier wohnen. Vor zwei Jahren, kurz vor dem Ende des Immobilienbooms, erfüllte der Pastor sich seinen Traum vom Eigenheim. Doch dann kam das böse Erwachen. Er hatte nicht das Kleingedruckte in seinem Hypothekenvertrag gelesen und musste feststellen, dass seine Ratenzahlungen plötzlich drastisch anstiegen. "Ich hatte mir eine variable Zinsbindung andrehen lassen", erinnert er sich, "die finanzielle Last war so enorm, dass wir kurz davor waren, unser Haus zu verlieren, vom Lebensstandard ganz zu schweigen!"

Schild weist auf zum Verkauf stehendes Haus hin, Foto: ap
Alleine 2008 gab es in den USA mehr als eine Million ZwangsvollstreckungenBild: AP

Im Netz der Renditejäger ist Bozarth kein Einzelfall. Alleine 2008 gab es in den USA mehr als drei Millionen Zwangsvollstreckungen, weil die Hausbesitzer mit der Last ihrer Ratenzahlungen überfordert waren. Bozarth und seine Frau zahlten am Ende jeden Monat 2400 Dollar zurück. Er bangte um seinen Ruhestand, sie sparte am Essen. Doch dann kam der Anruf, der alles veränderte. Von einer Firma namens "PennyMac": Sie sollten ihre Unterlagen einreichen und siehe da: Der Zinssatz wurde von acht auf fünf Prozent gesenkt.

Profitieren von der Krise

PennyMac zeigt der Regierung, wie Rettung geht, sagen viele. Die Firma kauft faule Kredite auf, die Washington von den gescheiterten Banken übernommen hat, und sie zahlt dafür nur einen Bruchteil des ursprünglichen Wertes. Deshalb kann PennyMac auch so günstige Zinssätze bieten. Pikant ist allerdings: PennyMac wurde von ehemaligen Managern der Hypotheken-Bank Countrywide gegründet, die einst zahllose, hochriskante Häuserdarlehen vermittelten. Der ehemalige Chef des Unternehmens, Angelo Mozilo, sitzt nun in Los Angeles auf der Anklagebank. Seine Geschäftspartner sind indessen wieder groß ins Immobiliengeschäft eingestiegen. Sie kaufen faule Kredite für Discountpreise vom Staat, treiben die Zinsen ein und erwirtschaften hohe Gewinnmargen.

Logo der PennyMac, Quelle: DW
PennyMac: Wie zufällig ist die Nähe zu Fanny Mae und Freddie Mac?

Der "New York Times"- Reporter Eric Lipton hat diese Verstrickung aufgedeckt. PennyMac verweigert seitdem jegliche Interviews, Millionengewinne stehen auf dem Spiel. Laut Lipton verspreche PennyMac den Investoren 20 Prozent Rendite im Jahr. Bislang kontrolliere die Firma Darlehen im Umfang von 800 Millionen Dollar, innerhalb der nächsten 18 Monate sollen daraus 15 Milliarden werden.

PennyMac beschäftigt ein ganzes Heer von Mitarbeitern, die rund um die Uhr mit den säumigen Zahlern verhandeln, um Geld einzutreiben. Die Regierung bekommt gerade mal 60 Cent von jedem Dollar, den PennyMac von den Kreditnehmern erhält. Es ist ein gewaltiges Verlustgeschäft für die Steuerzahler, sagt Eric Lipton. Zwar gebe es bei jeder Rezession Leute, die daran verdienten, aber in diesem Fall mache es die Regierung ihnen besonders einfach. "Sie hat im Rahmen des Bankenrettungsplanes so viele Kredite aufgekauft, die sie jetzt verlustbringend weiter verscherbeln muss. PennyMac gewinnt", sagt der Journalist.

Nichts gelernt?

Auch in der Finanzmetropole New York ist der Aufstieg von PennyMac vielen ein Dorn im Auge. Anwalt Jeffrey Norton vertritt viele Hausbesitzer in einer Sammelklage gegen Countrywide, aber die Chancen stünden schlecht, so Norton, und PennyMac werde sie sicher nicht entschädigen. "Diese Leute profitieren von der Krise, die sie selber angezettelt haben, ganz so wie ein Brandstifter, der nach der Tat die verkohlten Reste aufkauft und mit Gewinn weiter verscherbelt", sagt er.

Die US-Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac (Archiv), Fotos: dpa
Die Großbanken Fanny Mae und Freddie Mac wurden in letzter Sekunde durch die US-Regierung gerettetBild: picture-alliance/ dpa

Hinzu kommt: PennyMac kauft dem Staat fast ausschließlich die Kredite ab, wo es eine Chance gibt, dass die Schuldner auch weiter zahlen. Noch sind die Zinsen bei PennyMac niedrig, doch in ein paar Monaten könnte es schon ganz anders aussehen, warnt der Anwalt: "Im Prinzip verläuft immer noch alles nach denselben Marktmechanismen, die uns in diese prekäre Lage gebracht haben. Es gibt keinerlei Regelung, die verhindern würde, dass so etwas nicht noch einmal passiert!"

Düstere Aussichten zu einem Zeitpunkt, wo die ursprüngliche Krise noch gar nicht überwunden ist. Die US-Häuserpreise befinden sich immer noch im freien Fall, die Ausfallraten steigen weiter: Schätzungen zufolge könnten bis Ende 2009 insgesamt 10 Millionen Amerikaner ihr Eigenheim verloren haben.

Autorin: Beatrice Uerlings

Redaktion: Ina Rottscheidt