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Das blutige Ende des "weißen Barons"

Marc von Lüpke-Schwarz10. August 2013

Brutaler Kriegsherr: Der deutsch-baltische Baron von Ungern-Sternberg machte während des russischen Bürgerkriegs eine bizarre Karriere. Er wurde sogar zum letzten Khan der Mongolei ernannt.

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Russland Bürgerkrieg WeißgardistenBild: ullstein bild/Archiv Gerstenberg

Der Kriegsherr hatte sich einen heldenhaften Tod in der Schlacht erträumt. Stattdessen stand Baron Roman Nikolai Maximilian von Ungern-Sternberg im Jahr 1921 im sowjetischen Nowosibirsk einem Erschießungskommando gegenüber. Mit den Schüssen, die seinem Leben ein Ende setzten, ging eine der bizarrsten Räuberpistolen der russischen Revolutionsgeschichte zu Ende. Denn der "weiße Baron", wie einer seiner Spitznamen lautete, war der letzte Khan der Mongolei. In einem blutigen Feldzug hatte er den Kommunismus ausrotten und ein neues asiatisches Großreich errichten wollen. 

Fasziniert vom Okkulten

Dabei hatte Ungern-Sternbergs Leben recht beschaulich begonnen. 1885 wurde er als Spross des deutsch-baltischen Adelsgeschlechts von Ungern-Sternberg in Graz geboren und wuchs im russischen Estland auf. Bereits für seine Lehrer war der junge Baron sicher keine Freude, er musste die Schule vorzeitig verlassen. Auch aus der Marineakademie in Sankt Petersburg warf man ihn später hinaus. Im Russisch-Japanischen Krieg von 1904 bis 1905 verteidigte er seine Heimat dann als einfacher Soldat. Damit reihte sich Ungern-Sternberg in die Familientradition ein. Als er einmal gefragt wurde, ob seine Ahnen Russland treu gedient hätten, antwortete er stolz: "Zweiundsiebzig sind im Krieg gefallen."

Nach seiner Rückkehr absolvierte er eine Kavallerieausbildung. Aber auch dabei blieb er seiner Neigung treu, Missfallen zu erregen. Kurzum, er machte sich bald aus dem Staub. Sein Ziel war die Mongolei, wo er die Grundlage für seine späteren, ganz eigenen blutrünstigen Vorstellungen einer neuen Gesellschaftsordnung legte. Denn neben seiner Neigung zum Militärischen und zur Gewalt hatte Ungern-Sternberg ein Faible für den Buddhismus und den Okkultismus entwickelt. Dazu kam ein glühender Hass auf Juden, der sich später verheerend auswirken sollte.

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Brutal und rücksichtslos: der Baron Roman Nikolai Maximilian von Ungern-Sternberg

Entfesselter Warlord

Im Ersten Weltkrieg erarbeitete sich der Baron einen Ruf als Draufgänger, denn er glänzte vor allem durch eine Mischung aus Tapferkeit und Disziplinlosigkeit. Russland ging derweil 1917 mit der Oktoberrevolution einem blutigen Bürgerkrieg entgegen, in dem sich "Rote", also die Bolschewiki, und "Weiße", die Anti-Kommunisten, gegenseitig grausam bekämpften. Für den Monarchisten Ungern-Sternberg war es keine Frage, auf wessen Seite er kämpfte – gegen Kommunisten und Juden.

Schnell machte sich der Baron unabhängig von seinen "weißen" Verbündeten und verschaffte sich seine eigene, ihm ergebene Truppe. Gnade war keine Eigenschaft, die Ungern-Sternberg schätzte: Gefangene Feinde ließ er teils auf bestialische Art ermorden. Ebenso erging es auch jedem Juden, dem er habhaft werden konnte.

Nachfolger von Dschingis Khan

Zu Ungern-Sternbergs Pech befanden sich die "Weißen" 1920 jedoch auf der Verliererseite. In dieser Situation erreichte ihn ein Hilferuf des Bogd Khan, des buddhistischen religiösen Oberhauptes der Mongolei, der ihn um Unterstützung gegen China bat. Ungern-Sternberg ließ sich nicht zweimal bitten. Mit seiner zusammengewürfelten Truppe machte er sich auf, die Mongolei von den Chinesen zu befreien. Oder besser gesagt: selbst zu erobern.

Doch auch in diesem eigentlich befreundeten Gebiet verspielte er allen Kredit bei der Bevölkerung. Unter ihm galt die grausame Parole "Der Krieg ernährt den Krieg". Ungern-Sternbergs Männer plünderten Bauernhöfe und Klöster zur Versorgung aus. Jede missliebige Person wurde ermordet. Ungern-Sternberg selbst wurde zum Khan und damit zum Nachfolger des legendären Herrschers Dschingis Khan ernannt. Doch selbst seine eigene Truppe hielt ihm nicht die Treue: Nach mehreren Niederlagen wandten sich seine Männer gegen ihn und lieferten ihn schließlich an seine Erzfeinde, die Sowjets, aus.

RIA-401716. RIA Novosti Juni 2009.
Dschingis Khan war Ungern-Sternbergs Vorbild. Hier ist ein Denkmal des legendären Eroberers in der Mongolei zu sehen.Bild: RIA Novosti

Das krude Menschenbild des "weißen Barons" zeigte sich in seinem Prozess, als der Richter ihn fragte, warum er als Christ so viele grausame Taten begangen habe, auch an Kindern. Ungern-Sternberg antwortete lapidar: "Weil sie alle Sünder waren." So blickte er im September 1921 in die Gewehrläufe seines Exekutionskommandos. Das Urteil hatte übrigens bereits vor dem Prozess fest gestanden, Lenin hatte aus es Moskau telegraphiert.