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Dalai Lama: Rücktritt möglich

18. März 2008

Der Dalai Lama hat Vorwürfe Pekings zurückgewiesen, er sei für die Unruhen in Tibet verantwortlich. Er hat hingegen angekündigt, er werde sich zurückziehen, sollte die Gewalt in der Region außer Kontrolle geraten.

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Er bleibt der Gewaltlosigkeit verpflichtet, auch als Führer der tibetischen Exilregierung: Der Dalai Lama am Sonntag, 16.3.2008 (Foto: AP)
Er bleibt der Gewaltlosigkeit verpflichtet, auch als Führer der tibetischen ExilregierungBild: AP

"Wenn die Dinge völlig außer Kontrolle geraten, habe ich nur die Möglichkeit zurückzutreten", sagte der Führer der tibetischen Exilregierung am Dienstag (18.3.2008) in seinem indischen Exil in Dharamsala. Er wies zudem Anschuldigungen des chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao zurück, er habe die gewalttätigen Proteste initiiert. Er forderte Peking auf, dies sorgfältig zu untersuchen. "Wenn die chinesische Regierung hier damit anfangen möchte, ist sie höchst willkommen", sagte der Friedensnobelpreisträger weiter. Als Dalai Lama, geistiges Oberhaupt der Tibeter, könne er hingegen nicht zurücktreten, sagte ein Mitarbeiter des Dalai Lama.

Am Dienstag hat Wen bei einer Pressekonferenz zum Abschluss des Nationalen Volkskongresses in Peking gesagt, die gewaltsamen Proteste in der tibetischen Hauptstadt Lhasa seien "von der Clique des Dalai Lama angezettelt und organisiert" worden.

Ein Dialog mit dem Dalai Lama sei erst möglich, wenn er das Ziel eines unabhängigen Tibet aufgebe, so Wen weiter. Er warf den Demonstranten vor, die Olympischen Spiele von Peking untergraben zu wollen. In Lhasa blieb die Lage nach Ablauf eines Ultimatums nach Angaben von Menschenrechtsgruppen sehr angespannt.

Dalai Lama: Tibeter wollen nur mehr Autonomie

Wen bestätigte erstmals ein Übergreifen der Unruhen von Tibet auf andere Teile des Landes. "Sie haben versucht, so ein schreckliches Ereignis in Lhasa und in anderen Teilen Chinas zu inszenieren", sagte Wen. Die chinesische Regierung habe "zahlreiche Beweise" dafür. Die Behauptung des Dalai Lama, nicht nach der Unabhängigkeit Tibets zu streben, sondern einen friedlichen Dialog zu suchen, sei "eine Lüge". China wirft dem Dalai Lama, geistigem Oberhaupt der Tibeter, seit Jahren vor, unter dem Deckmantel der Religion die Abspaltung Tibets zu betreiben. Der im indischen Exil lebende buddhistische Mönch hingegen betont immer wieder, den Tibetern ginge es lediglich um eine größere Autonomie innerhalb Chinas, aber nicht um Unabhängigkeit.

Am Freitag waren tagelange Proteste in der Altstadt von Lhasa gewaltsam eskaliert. Anlass der Proteste war der 49. Jahrestag eines Aufstandes in Lhasa gegen die chinesischen Besatzer am 10. März. Die Demonstrationen weiteten sich dann auf einige Regionen Chinas aus, in denen viele Exil-Tibeter leben. Proteste waren aus den Provinzen Sichuan, Gansu und Qinghai gemeldet worden. Menschenrechtsgruppen berichteten unter Berufung auf Augenzeugen, dass Soldaten am Sonntag das Feuer auf Demonstranten in der Stadt Ngawa in Sichuan eröffneten und mindestens acht Menschen töteten.

Rice fordert Dialog Pekings mit dem Dalai Lama

"Wenn der Dalai Lama auf eine Unabhängigkeit verzichtet und akzeptiert, dass Tibet ein unveräußerlicher Teil Chinas ist, wie Taiwan, dann ist unsere Tür weit auf für einen Dialog mit ihm", sagte Wen. Nach der Niederschlagung der Proteste waren im Ausland Forderungen nach einem Dialog zwischen der Regierung in Peking und dem Friedensnobelpreisträger laut geworden, unter anderem von US-Außenministerin Condoleezza Rice.

"Sie wollten die Olympischen Spiele von Peking sabotieren", warf Wen den Demonstranten vor. Vorwürfe, dass China vor den Olympischen Spielen hart gegen Dissidenten vorgehe, um sie zum Schweigen zu bringen, wies der Regierungschef zurück. "Solche Anschuldigungen sind völlig unbegründet."

EP-Präsident Pöttering: Politiker-Boykott von Olympia

Aus Protest gegen Chinas Vorgehen hat der Präsident des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering, einen Politiker-Boykott bei den Olympischen Spielen in Peking ins Gespräch gebracht. Politiker, die zur Eröffnung der Sommerspiele nach China reisen wollten, sollten ihre Pläne überdenken, sagte er am Dienstag im "Deutschlandfunk". Auch einen weitergehenden Boykott schloss Pöttering nicht aus.

Nach dem Ablauf des Ultimatums von Peking an die Demonstranten in Tibet war zunächst unklar, ob und wie viele sich den chinesischen Behörden stellten. Auch Menschenrechtsgruppen mit langjährigen Kontakten nach Tibet konnten nur wenig Angaben machen.

Weiterhin Berichtsverbot für Journalisten

Tibet ist derzeit von der Außenwelt abgeriegelt, ausländische Touristen und Journalisten mussten abreisen. Wenn die Lage sich normalisiert habe, könne ausländischen Journalisten wieder die Einreise nach Tibet erlaubt werden, sagte Wen, ohne nähere Zeitangaben zu machen. Der Regierungschef verteidigte das mit Sicherheitsbedenken begründete Verbot für ausländische Journalisten zur Berichterstattung nach Tibet zu reisen, sprach aber von Überlegungen, eine Reise für ausländische Medienvertreter zu organisieren.

Bei den blutigen Protesten in Lhasa und einigen Teilen Chinas starben nach Angaben des Exilparlaments der Tibeter hundert oder sogar mehrere hundert Menschen. Die chinesische Regierung sprach von 16 Toten. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte Peking zur Zurückhaltung im Umgang mit den Protesten auf. Alle Beteiligten sollten weitere Konfrontationen vermeiden, sagte er.

Tibet wird seit dem Einmarsch der chinesischen Armee 1950 von Peking regiert. Nach dem fehlgeschlagenen Aufstand flüchtete der Dalai Lama nach Indien. China lehnt eine Autonomie der Himalaya-Region strikt ab. (kap)

Stummer Protest eines Tibeters in Südkorea: er trägt eine Maske vor dem Mund (Foto: AP)
Stummer Protest eines Tibeters in SüdkoreaBild: AP
Auf einer Pressekonferenz zum Abschluss des Nationalen Volkskongresses in Peking weißt der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao mit erhobenem Hand in den Saal (Foto: AP)
Wen Jiabao versucht, die Richtung für Tibet vorzugebenBild: AP
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