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Cristiano Ronaldo - Absturz eines Superstars?

21. Oktober 2022

Kurz vor der WM in Katar macht Cristiano Ronaldo bei Manchester United Schlagzeilen. Aber nicht mit sportlichen Rekorden - sondern mit einer "Flucht".

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Cristiano Ronaldo von Manchester United geht mit verärgertem Gesicht vom Feld
Cristiano Ronaldo wird nicht glücklich bei Manchester UnitedBild: Jose Breton/NurPhoto/IMAGO

Natürlich sorgt solch eine Aktion für großes Aufsehen. Cristiano Ronaldo ist schließlich nicht irgendwer. Seit nahezu zwei Jahrzehnten wird jeder Schritt des Superstars in der Öffentlichkeit hautnah verfolgt, jede Regung gedeutet. Wie könnte ein solch theatralischer Abgang unkommentiert bleiben? Ronaldo ging - zwei Minuten vor dem Ende des Premier-League-Spiels gegen Tottenham Hotspur (Endstand 1:0) - offenbar verärgert und beleidigt in die Kabine, dabei hätte Manchester-United-Trainer Erik ten Hag noch zweimal auswechseln können.

Dass so etwas nicht gut ankommt bei seinem Coach, seinen Mitspielern und den Fans der "Red Devils", dürfte auch dem mittlerweile 37-Jährigen in diesem Moment klar gewesen sein. Für diese "Flucht" wurde er nun von ten Hag für das nächste Liga-Spiel gegen den FC Chelsea aus dem Kader gestrichen. Gary Lineker, seit Jahren auf Twitter und im TV eine Art moralische Instanz im englischen Fußball, fand deutliche Worte. "Es tut mir leid, aber das ist nicht zu akzeptieren, das ist so armselig", sagte der ehemalige Weltklassespieler über Ronaldos Verhalten.  

Schon im Sommer Abwanderungsgedanken

Es dürfte eine Mischung aus Wut, verletztem Stolz und Unverständnis gewesen sein, die Ronaldo antrieb. Denn eines steht fest: Trotz seines fortgeschrittenen Alters will der derzeit berühmteste Portugiese der Welt noch nicht an ein Karriereende denken. Aber auch er spürt wohl schon längere Zeit, dass er keine Zukunft mehr in Manchester hat. Die Rückkehr des "verlorenen Sohns" vor rund eineinhalb Jahren, den einst Sir Alex Ferguson als Teenager zu United holte und der dort seine einzigartige Welt-Karriere startete, wird in Manchester kein gutes Ende nehmen - so viel scheint nun klar zu sein.

 Cristiano Ronaldo erhält von Trainer Erik ten Hag am Spielfeldrand Anweisungen
Cristiano Ronaldo (l.) und Manchester-United-Trainer Erik ten Hag haben kein gutes Verhältnis zueinanderBild: Paul Currie/Shutterstock/IMAGO

Schon im Sommer wollte Ronaldo den Klub unbedingt verlassen, allerdings fand sich kein Abnehmer. Weder in der Premier League noch beim Bundesligisten Borussia Dortmund, der angeblich Interesse zeigte, oder anderen Champions-League-Klubs. Der Grund: sein immenses Gehalt. Ronaldo soll bei Manchester United fast 29 Millionen Euro pro Jahr verdienen. Zum Vergleich: Bundesligist FC Schalke 04 wendet derzeit etwa 28 Millionen Euro für den gesamten Kader auf. Nur sehr wenige Klubs können sich einen Ronaldo leisten. Und offenbar ist kein Sportdirektor eines europäischen Topvereins mehr der Meinung, dass Ronaldo diese enormen Summen mit Toren und Vorlagen noch zurückzahlen könnte.    

Desillusionierende Saisonbilanz

Fünfmal wurde der portugiesische Superstar Weltfußballer. Auf Vereinsebene erzielte Ronaldo rund 700 Tore, wurde fünfmal Champions-League-Sieger, sicherte sich in England, Italien und Spanien insgesamt sieben Meistertitel und wurde 2016 mit Portugal Europameisterschaft. Seine aktuelle Saisonbilanz ist jedoch desillusionierend. Unter dem Niederländer ten Hag spielte Ronaldo nur einmal über volle 90 Minuten: beim 0:4 am zweiten Spieltag beim FC Brentford. Nach zwölf Premier-League-Spieltagen hat er erst einmal getroffen, kein Tor vorbereitet. Ten Hag will sein Spielsystem nicht auf Ronaldo ausrichten, zumal der Superstar nicht mehr über die Kraftreserven zu verfügen scheint, um sowohl in der Defensive als auch in der Offensive über 90 Minuten Akzente zu setzen. 

Der Trainer bestätigte, dass der Portugiese vor seinem Abgang eine Einwechslung verweigert habe - wie schon im vergangenen Sommer bei einem Testspiel von Manchester United in Spanien. "Beim zweiten Mal muss es Konsequenzen geben. So ist es geschehen", sagte ten Hag.

Ronaldo reagierte via soziale Medien auf die Verbannung aus dem Kader. "Wie ich es während meiner gesamten Karriere immer getan habe, versuche ich, respektvoll gegenüber meinen Kollegen, meinen Gegnern und meinen Trainern zu leben und zu spielen. Das hat sich nicht geändert. Ich habe mich nicht verändert", ließ Ronaldo wissen. "Ich bin dieselbe Person und derselbe Profi, der ich in den letzten 20 Jahren im Spitzenfußball war, und Respekt hat in meinem Entscheidungsprozess immer eine sehr wichtige Rolle gespielt."  

Offene Fragen beim Nationalteam

Ronaldos besonderer Ehrgeiz lässt es offenbar nicht zu, dass er sich mit einer Rolle außerhalb des ganz großen Rampenlichtes abfindet. Auch bei der portugiesischen Nationalmannschaft waren zuletzt Zweifel aufgekommen, ob Ronaldo wirklich unantastbar ist. Nationaltrainer Fernando Santos muss sich bei der bevorstehenden WM im Katar die Frage stellen, ob er sein Spiel wieder auf Ronaldo ausrichten will, der weder in guter Form ist, noch über Spielpraxis verfügt. 

Cristiano Ronaldo bewegt sich derzeit auf einem schmalen Grat zwischen dem Risiko, sein eigenes Denkmal zu zerstören, und einer Zukunft als weiterhin außergewöhnlicher Fußballprofi. Mit dieser Art Schwebezustand hatten schon viele ehemalige Stars bis zu ihrem endgültigen Karriereende große Probleme.