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Craig Venter, Gen-Revoluzzer und Provokateur

21. Mai 2010

Vor zehn Jahren verkündete er, dass er das menschliche Genom fast entschlüsselt habe. Jetzt präsentierte Venter der Welt sein erstes künstliches Lebewesen. Was er will? Die Welt aus den Angeln heben. Mehr nicht.

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US-Biochemiker Craig Venter (Foto: AP)
Spaltet die Gemüter. Craig Venter ist leidenschaftlicher Forscher und VisionärBild: AP

Die Schule mochte Craig Venter nicht besonders. Die Schulzeit, sagt er, sei für ihn eher eine unerfreuliche Erfahrung gewesen. "Es gibt Leute, die sind fertig, wenn sie von der Highschool kommen. Die wissen, was sie tun wollen und ändern nie wieder ihre Meinung", findet Venter und kokettiert damit. "Ich bin immer noch dabei herauszufinden, was ich alles tun will."

Zumindest weiß Venter, dass er die Welt aus den Angeln heben will. Manchmal versucht er es auf die brachiale Art. Das Geschwätz der anderen interessiert ihn dabei nicht. Er sei anders als seine Kollegen. Darauf besteht er. Er ist ein Provokateur und charakterisiert sich selbst gerne als Gen-Revoluzzer. "Wäre ich angepasst und würde wie meine Kollegen arbeiten, dann wäre das menschliche Genom heute noch nicht entschlüsselt."

Was der Biochemiker anpackt, muss schnell gehen und publikumswirksam sein. 1998 gründet er das Unternehmen 'Celera Genomics'. Damit wird Venter zum direkten Konkurrenten des seit 1990 laufenden 'Human Genome Projekt', das als internationales Forschungsprojekt aus öffentlichen Mitteln finanziert wird. In Windeseile entschlüsselt Craig Venter große Teile des menschlichen Genoms, das Tempo seiner konsternierten Kollegen, sagt er, war ihm zu langsam. Letzten Endes einigt man sich aber: Craig Venter und die Forscher des Humangenomprojekts präsentieren ihre Ergebnisse im Juni 2000 auf einer gemeinsamen Pressekonferenz.

DNA-Molekül (Animation: Max-Planck-Institut)
Mit Hilfe synthetischen Lebens sollen essentielle Probleme der Menschheit gelöst werden. Wir werden nicht nur unsere Vorstellung des Lebens verändern, sagt Venter, sondern das Leben selbstBild: Max-Planck-Institut

Die Welt aus den Angeln heben!

Ein erfülltes Leben will er. Der Gesellschaft etwas geben. Und ein bisschen Gott zu spielen, gefällt dem äußerst selbstbewussten 63-jährigen sowieso. "Vielleicht hört sich das nach Science-Fiction an. Aber Design und spezifische genetische Selektion werden die Darwinsche Evolution ersetzen." Lebewesen könne man irgendwann per e-mail verschicken und am Computer wieder zusammenbauen. Denn auch Gene seien ja nur digitale Informationen. "Bits, Technik, nichts weiter", sagt Venter, als wären solche Gedanken das Normalste der Welt. Ethische Bedenken hat er nicht. Der Mensch, schwärmt er, wird bald künstliche Lebewesen designen.

Wäre es nicht Craig Venter, der das sagt, würde man dies als verrückten Größenwahn abtun. Doch der jetzige Paukenschlag - sein erstes synthetisches Lebewesen, ein Bakterium mit künstlichem Erbgut - lässt die Forscherwelt wieder erbeben. Mit solchen Kreaturen will er die Energieversorgung der Welt sichern und den Klimawandel stoppen. Nichts weniger. Das erzählt Venter fast grimmig. Lachen tut er selten, oft sieht es so aus, als würde der Mann mit der Halbglatze und den stechend blauen Augen die Zähne fletschen.

Doch sein Erfolg gibt ihm recht. Venter erhielt schon zahlreiche renommierte Preise, darunter auch den deutschen Paul-Ehrlich-und-Ludwig-Darmstaedter-Preis. Craig Venter arbeitet ausschließlich als privater Wissenschaft-Unternehmer und verdient viel Geld damit. Seine Kollegen hassen oder verehren ihn und stehen doch Schlange, um für ihn zu arbeiten. Aber niemand belächelt ihn mehr. Die Zeiten sind vorbei.

Autorin: Judith Hartl
Redaktion: Insa Wrede