1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Corona: Warum die Mutationen beobachtet werden müssen

13. Januar 2021

Die in Großbritannien und Südafrika entdeckten Varianten sind zwar nicht gefährlicher, aber sie sind viel ansteckender und könnten so die Krankenhäuser überfordern. Immerhin soll der BioNTech-Pfizer-Impfstoff wirken.

https://p.dw.com/p/3nhVW
Coronavirus- COVID-19 - Mikrografie
Bild: Imago/NIAID

Die gute Nachricht zuerst: Der von BioNTech und Pfizer entwickelte Corona-Impfstoff soll laut einer neuen Studie auch vor den in Großbritannien aufgetauchten Mutationen des Virus schützen. Das geht aus einer Laborstudie hervor, die Forscher von Pfizer und der University of Texas durchführten.

Bei 20 geimpften Testpersonen haben deren Antikörper das Virus zumindest in der Petrischale erfolgreich abgewehrt. Das sind zwar nur In-Vitro-Tests unter Laborbedingungen und auch die Testgruppe ist nicht sonderlich groß, aber die Nachricht beruhigt.

Deutschland Coronavirus Impfstoff
In Laborversuchen haben die Antikörper der Geimpften die Virus-Mutationen abgewehrtBild: Sven Hoppe/dpa/picture alliance

Außerdem gibt es nach wie vor keine Hinweise, dass diese Virusvarianten mehr schwerere COVID-19-Verläufe verursachen oder dass sie für eine höhere Sterblichkeitsrate verantwortlich sind.

Die rasante Ausbreitung wird zum Belastungstest

Allerdings gibt es auch schlechte Nachrichten: Diese Virusvarianten sind so ansteckend, dass dort, wo sie grassieren, viel zu viele Menschen auf einmal erkranken. Die britische Variante etwa gilt als bis zu 70 Prozent ansteckender als die früheren Coronavirus-Varianten.

Dies kann dazu führen, dass in einigen Ländern die Gesundheitssysteme kollabieren, die bereits am Rande ihrer Kapazität arbeiten. Vielerorts fehlen schlichtweg Krankenhausbetten, Beatmungsgeräte, Intensiv-Pflegeplätze und Personal.

Nach Einschätzung von Prof. Dr. Richard Neher, dem Leiter der Forschungsgruppe Evolution von Viren und Bakterien von der Universität Basel  ist eine mögliche schnellere Verbreitung die Hauptgefahr durch diese Mutationen. "Wenn sich die Variante tatsächlich 50 bis 60 Prozent schneller ausbreitet, führt das zu sehr viel mehr Fällen, die vom Gesundheitssystem versorgt werden müssen und von denen bedauerlicherweise manche am Ende auch sterben. Darüberhinaus gibt es natürlich die Besorgnis, es könnte zu Reinfektionen führen und die Impfeffizienz reduzieren, aber das halte ich zum gegebenen Zeitpunkt für eine Sekundärsorge," sagte Neher bei einer Online-Konferenz des Science Media Center (SMC).  

Bio-Daten zu Mutationen müssen noch ausgewertet werden

Bislang stammen die Kenntnisse über die neuen Mutationen vorwiegend aus epidemiologischen Beobachtungen der raschen Ausbreitung. Biologische Daten über die Varianten liegen dagegen bislang kaum vor.

Grund für die rasche Ausbreitung könnte eine leichte Veränderung an einer Stelle des Spike-Proteins auf der Virus-Oberfläche sein. Die meisten Corona-Impfstoffe sind so konzipiert, dass der Körper des Geimpften dieses Spike-Protein erkennt und bekämpft.

UK Covid-19 | Intensivstation
Großbritannien bereitet sich bereits auf eine Überlastung des Gesundheitssystems vorBild: Neil Hall/AFP/Getty Images

Mutationen sind bei Viren nichts Ungewöhnliches, im Schnitt gibt es jeden Monat zwei neue Varianten. Sorge bereiten aber vor allem die beiden Varianten, die sich rasend schnell in Großbritannien und auch Dänemark verbreiten (wahlweise VOC202012/01, B.1.1.7 oder 501Y.V1 genannt) und die Virusvariante B.1.351 bzw. oder 501Y.V2, die bereits acht verschiedene Mutationen im Erbgut angehäuft hat und sich derzeit vor allem in Südafrika verbreitet.

Die jeweiligen Länder trifft dabei keinerlei Schuld, dass diese Varianten dort festgestellt wurden. Sie haben das Virus nur besonders intensiv untersucht und dabei die Mutationen als erste bemerkt. Mittlerweile wurden sie in vielen Ländern nachgewiesen, auch in Deutschland.

Sorgen bereitet die südafrikanische Variante, weil diese neben den acht bereits bekannten Mutationen noch eine weitere Mutation namens E484K in sich trägt. Und E484K hat einen negativen Einfluss auf die Antikörper-Bindung und die Neutralisation von Corona: Ändert sich ein Teil der markanten Stacheln, der für die Erkennung des Virus wichtig ist, können die vom Körper gebildeten Antikörper das Coronavirus womöglich weniger gut erkennen und neutralisieren. Der Impfschutz verliert an Wirksamkeit.

Gefährden die Mutationen die Wirksamkeit der Impfungen?

Aktuell nicht, aber nicht nur in Laborversuchen, sondern in breitangelegten Studien muss weiterhin untersucht werden, wie die Impfungen mit den jetzt bekannt gewordenen Mutationen und auch mit weiteren Varianten zurecht kommen. Das betrifft natürlich auch die Frage, ob bereits Geimpfte und Genesene auch weiterhin vor den neuen Varianten geschützt sind.

Sollte das Virus irgendwann so stark mutiert sein, dass die durch die Impfung ausgelöste Immunantwort es nicht mehr neutralisieren kann, dann müssten die Vakzine angepasst werden.

Ein solches Update ist bei den mRNA-Impftoffen laut BioNTech-Pfizer nicht sehr schwierig. Der im Impfstoff beinhaltete genetische Code des Virus kann relativ leicht gewechselt werden. Aber die Testung und Zulassung sowie Produktion und Verteilung des angepassten Impfstoffs dauert bekanntlich - und schon jetzt warten viele Impfzentren sehnlichst auf den derzeit gültigen Impfstoff.

Welche Konsequenzen ergeben sich aus den Mutationen?

Für den Infizierten ist es nach bisherigen Erkenntnissen unerheblich, mit welcher Variante er sich angesteckt hat, die Mutation hat keinen Einfluss auf den Verlauf der Krankheit.

Entsprechend müssen die bereits geltenden Maßnahmen auch nicht weiter verschärft, sondern vielmehr konsequenter umgesetzt werden, meint auch Prof. Dr. Isabella Eckerle, die Leiterin der Forschungsgruppe emerging viruses in der Abteilung für Infektionskrankheiten der Universität Genf.  "Wir haben jetzt keine spezifischen Maßnahmen, die auf diese Variante zugeschnitten sind, die nicht auch für die anderen Varianten gültig sind. Die Variante überträgt sich bei engem Kontakt. Und alle Maßnahmen, die Kontakt zwischen Menschen reduzieren, sind effektiv. Alle Maßnahmen, die darauf abzielen, Infizierte frühzeitig zu erkennen und zu isolieren, sind effektiv."

Symbolbild I Verlängerung des Lockdowns in Deutschland
Die verschäfte Maßnahmen wirken nur, wenn sie auch konsequent umgesetzt werdenBild: Hendrik Schmidt/dpa/picture alliance

Diese Maßnahmen müssten aber konsequenter als bisher umgesetzt werden, um das Infektionsgeschehen einzudämmen. "Es kommen nochmal ein paar anstrengende Wochen und Monate auf uns zu", warnt die Virologin.

Auch wenn Corona nervt - alle bleiben gefordert

Die Motivation der Menschen weiterhin aufrechtzuerhalten sieht denn auch Dr. Andreas Bergthaler, Leiter der Forschungsgruppe Virale Pathogenese und antivirale Immunantworten an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (CeMM) als größte Herausforderung. Hier sei vor allem die Politik gefordert.

Es sei erschreckend, wie viele Menschen sich nicht impfen lassen wollten. Eine verbesserte Kommunikation sei nötig, damit die Menschen beim alles beherrschenden Thema Corona nicht abstumpfen und von sich aus bereit sind, die Maßnahmen mitzutragen. 

Der Artikel wurde zuletzt am 13.01.2021 aktualisiert.

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund