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Politik

Coronakrise: Keine Väter in den Kreißsaal

23. März 2020

Das Coronavirus verändert auch die deutsche Geburtshilfe. Schwangere müssen sich darauf einstellen, dass sie vermutlich ohne ihren Partner gebären werden - für viele eine beängstigende Situation.

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Deutschland Coronavirus Väter im Kreißsaal unerwünscht
Bild: picture-alliance/dpa/S. Sauer

Als die hochschwangere Romina wenige Wochen vor ihrem Geburtstermin mit ihrem Krankenhaus telefoniert, ist sie baff. Durch Zufall erfährt die Bonnerin, dass ihr Mann bei der Geburt vermutlich nicht dabei sein darf - weder im Kreißsaal noch auf der Wöchnerinnenstation. Man müsse das Risiko minimieren, dass es zu einer Coronainfektion in der Klinik kommt, hieß es. Nach bisheriger Datenlage stellt das Coronavirus zwar für die schwangeren Frauen selbst und auch die Neugeborenen kein erhöhtes Gesundheitsrisiko dar, allerdings müssen natürlich auch Mitarbeitende und die anderen Patienten geschützt werden. Deshalb dürfen derzeit nur noch die werdenden Mütter die Klinik betreten.

Deutschland Coronavirus Väter im Kreißsaal unerwünscht
Mit Partner im Kreißsaal: Viele Frauen wollen in Deutschland ihren Mann bei der Geburt an der Seite habenBild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

"Ich hatte bislang von dieser Regelung nichts mitbekommen, es wurde zu keiner Zeit direkt kommuniziert", kritisiert Romina. Das Anliegen der Klinik kann die 35-Jährige aber grundsätzlich nachvollziehen."Wir brauchen die Hebammen. Es ist ganz wichtig, dass sie gesund bleiben." Dennoch belastet sie die Unsicherheit. "Ich habe kein Verständnis dafür, dass die Krankenhäuser alle unterschiedliche Herangehensweisen haben." Auch ihr Mann ist traurig. Er möchte seine Frau unterstützen, wenn schmerzhafte Wehen kommen und sein Kind nicht erst Tage nach der Geburt sehen. "Er ist doch genauso ein Teil des Ganzen, wie ich auch", sagt Romina.

Stresstest für die Hebammen

Erst vor rund einer Woche hatten Bund und Länder beschlossen, den Besuch in Krankenhäusern stark einzuschränken, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Über die genaue Umsetzung bestimmen die Bundesländer, die wiederum oftmals all zu gerne den Kliniken die Entscheidung überlassen, wie die Beschränkungen konkret geregelt werden. Welche Krankenhäuser nun eine Begleitung bei der Geburt erlauben und welche nicht, ändert sich fast stündlich. Manche Kliniken nehmen ihr Verbot unter Druck der Eltern auch wieder zurück. "Mir wurde jetzt gesagt, dass ich kurz vorher anrufen soll", sagt Romina. Eine schwierige Situation für die ganze Familie. Denn die Bonnerin will sich nicht nur darauf einstellen können, sondern muss sich auch um die Betreuung ihrer ersten Tochter kümmern - sollte ihrem Mann doch der Zutritt zum Kreißsaal gewährt werden.

Katharina Desery
Katharina Desery: Vorstand von Mother Hood e.V.Bild: Mother Hood e. V.

"Die Kliniken scheinen das frei entscheiden zu können", sagt auch Katharina Desery von "Mother Hood", einer deutschlandweiten Elterninitiative für Mutter und Kind. "Das ist aus unserer Sicht hochproblematisch, weil jetzt in ganz Deutschland täglich hochschwangere Frauen ihre Kliniken kontaktieren müssen - ein unfassbarer Stress auch für die Hebammen, die dort im Kreißsaal arbeiten, weil sie die Anfragen neben ihrem normalen Job beantworten müssen."

Ein unerträglicher Gedanke

Seitdem die ersten Kliniken beschlossen haben, keine Väter mehr in die Kreißsäle zu lassen, bekommt "Mother Hood" viele verzweifelte Anfragen. "Für die Mütter und Väter, die sich bei uns gemeldet haben, ist das eine absolute Katastrophe", sagt Desery. Viele seien verängstigt, teilweise sogar geschockt. Dass die Väter sie nicht auf der Wöchnerinnenstation besuchen dürften, hätten die werdenden Mütter gut akzeptiert. Aber der Gedanke während der Geburt den Partner nicht dabei zu haben, sei für die Frauen "unerträglich" - und für die werdenden Väter auch.

Deutschland Coronavirus Väter im Kreißsaal unerwünscht
Extreme Stresssituation für die werdenden Eltern: Das Kreißsaal-Verbot ist umstrittenBild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

"Wir wissen natürlich, dass sich die Kliniken gerade in einer extremen Stresssituation befinden", sagt Desery. Aber es sei nicht nachvollziehbar, warum der Vater bei der Geburt so ein großes Risiko darstellen soll. Es werde damit begründet, dass je weniger Personen sich im Krankenhaus aufhalten, desto besser. "Aber der Vater ist ja nicht einfach Besuch, sondern auch eine emotionale Stütze für die Mutter. Er gehört somit zum Geburtsteam dazu - wenn die Mutter das möchte", sagt Desery. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schreibt etwas verklausuliert, dass die reproduktiven Rechte der Frau trotz der Coronakrise gewahrt werden müssen - für Desery auch ein Hinweis darauf, dass die Begleitung nicht ohne triftigen Grund verwehrt werden darf.

Hebammenmangel verschärft die Lage

Was noch erschwerend für die Lage der Mütter hinzukommt: Der Deutsche Hebammenverband und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe warnen schon seit längerem vor einer Verschlechterung der Geburtshilfe, weil es schlicht zu wenig Hebammen gibt. Besonders in sogenannten Level-I-Kliniken mit großer angeschlossener Neugeborenenintensivstation müssen Hebammen oftmals mehrere Frauen gleichzeitig während der Geburt betreuen. "Das ist ja an sich schon ein Sicherheitsrisiko und das wird jetzt verstärkt, wenn die Frauen weite Zeit ganz alleine sind", sagt Desery. Eine fehlende Begleitung der werdenden Mütter ist deshalb kein Luxusproblem.

Deutschland Coronavirus Väter im Kreißsaal unerwünscht
Ambulante Geburt als Reaktion auf die erzwungene Trennung vom Partner?Bild: picture-alliance/dpa/C. Klose

Auch der Deutsche Hebammenverband weiß um die neue schwierige Lage. "Leider können wir auch nicht mehr Hebammen 'herbeizaubern', die für die Kliniken bereit stehen", sagt Andrea Ramsell. "Die Personalsituation ist schwierig - darauf weisen wir schon seit Jahren hin." Der Deutsche Hebammenverband appelliert deshalb an die Kliniken, ihre Entscheidungen noch einmal zu überdenken, wenn die Familie nicht aus einem Risikogebiet kommt. "Es ist wichtig für Mutter und Kind, dass die Geburt ein positives Erlebnis ist und dazu trägt eine gute Betreuung durch eine Hebamme bei, aber auch eine vertrauensvolle Begleitung."

Die Vertrauensfrage unter der Geburt

Die hochschwangere Bonnerin Romina verweist noch auf ein anderes Problem. "Was passiert, wenn die Geburt nicht nach Plan verläuft und das Kind zum Beispiel in eine Spezialklinik gebracht werden muss? Wer entscheidet das?" Denn im Zweifel sei die Frau wegen einer Narkose gar nicht in der Lage, sich zu äußern. "Ohne Begleitperson in den Kreißsaal zu gehen, ohne jemandem, dem man zu hundert Prozent vertraut, das ist für mich das Allerschlimmste", sagt sie deshalb.

Einige befreundete Mütter von Romina planen nun angesichts des Besuchsverbots in den Kreißsälen und den Wöchnerinnenstationen eine ambulante Geburt, bei der die Frau bereits einige Stunden nach der Entbindung wieder nach Hause geht - vorausgesetzt Mutter und Kind geht es gut. "Nur genau das lässt sich halt schlecht planen", sagt Romina.

Stephanie Höppner Autorin und Redakteurin für Politik und Gesellschaft