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Unfruchtbar durch Corona-Impfung? Nein!

3. August 2021

Das Gerücht ist nicht neu, hält sich aber hartnäckig: Die Impfstoffe gegen COVID-19 können unfruchtbar machen – Männer wie Frauen. Ist diese Sorge begründet? Und wie gefährlich ist dann die COVID-Infektion selbst?

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Indien Weltbevölkerung Säuglinge Symbolbild
Bild: Anantha Krishnan/Pacific Press/picture alliance

"Die Impfung gegen das SARS-2 Virus macht unfruchtbar!" Solche und ähnliche Aussagen  kursieren seit Monaten in den sozialen Medien. 

Zunächst hieß es, vor allem Frauen müssten um ihre Fortpflanzungsfähigkeit bangen – eine biologische Erklärung dafür wurde auch mitgeliefert: Die durch den Impfstoff gebildeten Antikörper könnten nicht nur das Coronavirus unschädlich machen, sondern sich auch gegen ein Protein richten, das an der Bildung der Plazenta in der Gebärmutter beteiligt ist.

Das soll so funktionieren: Die mRNA-Impfstoffe der Firmen BioNTech/Pfizer und Moderna enthalten den "Bauplan", in Form von mRNA,  für das Oberflächenprotein des SARS-2-Virus, das sogenannte Spike-Protein. Der Anleitung durch den Impfstoff folgend produzieren einige Körperzellen das Spike-Protein, woraufhin eine Immunantwort in Gang gesetzt wird, die zur Bildung von Antikörpern gegen dieses spezielle Virusprotein führt.

"Behauptungen völlig unbegründet"

Die Antikörper wirken aber angeblich noch gegen ein weiteres Protein, Syncytin-1, das an der Bildung der Plazenta in der Gebärmutter beteiligt und für eine erfolgreiche Schwangerschaft unerlässlich ist. Grund für den Antikörper-Angriff sei die strukturelle Ähnlichkeit von Spike und Syncytin-1, behaupten die Vertreter der Unfruchtbarkeitstheorie.

Das Spike-Protein des Coronavirus besteht aus 1273 Aminosäuren, Syncytin-1 aus 538. Forschende fanden nur eine Sequenz aus fünf Aminosäuren, in der sich die beiden Proteine ähneln. Identisch ist aber auch diese Sequenz nicht. Das war’s dann auch schon mit der Ähnlichkeit. 

Träfe die Annahme zu, dass die durch den Impfstoff hervorgerufene Immunantwort unfruchtbar machen könnte, "müsste auch oder erst recht eine COVID-19-Erkrankung zu einer Infertilität führen", schreibt Udo Markert, Leiter des Plazenta-Labors am Universitätsklinikum Jena und Präsident der European Society for Reproductive Immunology zusammen mit seinem Kollegen Ekkehard Schleußner, Direktor der Geburtsklinik am Universitätsklinikum Jena und Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin in einer Stellungnahme. "Aus Sicht der Plazenta-Forschung und Reproduktionsmedizin sind daher diese inzwischen weit verbreiteten Behauptungen völlig unbegründet!", so die Mediziner weiter und empfehlen Frauen, sich impfen zu lassen.

Die Angst des Mannes

Doch nicht nur Frauen sind durch unbelegte Behauptungen und falsche Aussagen verunsichert. Auch Nachrichten über negative Auswirkungen der Impfungen auf die männliche Fortpflanzungsfähigkeit verbreiten sich auf Social Media.

Eine Studie aus den USA weist allerdings in eine andere Richtung: Die Forschenden untersuchten das Sperma von 45 Männern vor und nach der Impfung mit einem mRNA-Impfstoff und konnten keinen negativen Einfluss der Impfung auf die Fortpflanzungsfähigkeit der Männer feststellen. 

"Wir konnten bei keinem der untersuchten Männer feststellen, dass die Impfung irgendeine Auswirkung auf die Spermien gehabt hat", sagt Daniel Nassau, Urologe und einer der Autoren der Studie. Er ist sicher, dass eine größere Probandenzahl an diesem Ergebnis nichts geändert hätte. 

Gleichzeitig verweist Ranjith Ramasamy, Professor für Urologie an der University of Miami, der gemeinsam mit Nassau an der Studie beteiligt war, in einem Artikel in "The Conversation" auf die Gefahr durch eine COVID-Infektion.

Infektion gefährlicher als Impfung

Die COVID-Impfungen seien weder Ursache für Erektionsstörungen noch Unfruchtbarkeit, schreibt Ramasamy. "Die Wahrheit ist: SARS-CoV-2, das Virus, das COVID-19 verursacht, stellt ein Risiko für beide Erkrankungen dar."

Der Urologe und sein Team konnten das Virus in einer früheren Studie im Hodengewebe von an COVID-19 Verstorbenen nachweisen. Laut Ramasamy könne das Virus nicht nur die Spermienproduktion und Fruchtbarkeit beeinträchtigen, sondern auch zu Erektionsstörungen führen.

Völlig überraschend seien diese Ergebnisse allerdings nicht, schreibt Ramasamy. Auch andere Viren, wie Mumps oder das Zika-Virus könnten Entzündungen im Hoden verursachen und die Fruchtbarkeit beeinträchtigen. "Das Risiko von Unfruchtbarkeit und Erektionsstörungen steigt, je schwerer die Infektion verläuft", sagt  Nassau. "Ich kann nur jedem Mann dringend raten, sich impfen zu lassen."