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Trotz Risiko einer Herzmuskelentzündung impfen lassen

7. Oktober 2021

Auch wenn der Impfstoff von Moderna in Skandinavien jüngeren Menschen vorerst nicht mehr verabreicht wird, rät das RKI grundsätzlich weiter zur Impfung - auch wegen Long-COVID.

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Hand mit Impfspritze, im Hintergrund ein Jugendlicher
Beim Impfstopp mit Moderna in skandinavischen Ländern handele es sich um eine VorsichtsmaßnahmeBild: Frank Hoermann/SvenSimon/picture alliance

Solche Nachrichten verunsichern Teenager und ihre Eltern: Nach Schweden und Dänemark schränkt nun auch Finnland Impfungen mit dem Corona-Vakzin des US-Pharmakonzerns Moderna ein. In Schweden gilt die Regel generell für Unter-30-Jährige, in Dänemark für Unter-18-Jährige. In Finnland wiederum wird der Impfstoff nur Männern unter 30 Jahren nicht mehr verabreicht. Als Grund nannten die Behörden einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Impfstoff und Herzmuskel- beziehungsweise Herzbeutelentzündungen.

"Der Zusammenhang ist besonders deutlich, wenn es sich um den Impfstoff Spikevax von Moderna handelt, vor allem nach der zweiten Dosis", heißt es in der Erklärung der schwedischen Gesundheitsbehörde

Risiko von Herzmuskelentzündung gering

Die jeweiligen Gesundheitsbehörden betonten, dass es sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme handele, weil das Risiko von Herzmuskel- oder Herzbeutelentzündungen sehr gering sei.

Stattdessen sollte die betroffene Altersgruppe den Impfstoff von BioNTech/Pfizer erhalten, empfahl etwa die schwedische Gesundheitsbehörde.

Das ist etwas überraschend, weil es sich beim Impfstoff von BioNTech/Pfizer wie auch bei der Moderna-Vakzine um einen mRNA-Impfstoff handelt. Und inzwischen gilt es als weitgehend gesichert, dass diese seltene Nebenwirkung nach einer SARS-CoV-2-Impfung mit einem der beiden mRNA-Impfstoffe auftreten kann.

USA Coronavirus | Impfkampagne
Das Risiko einer Herzmuskelentzündung durch eine Impfung besteht, es ist aber geringBild: Damian Dovarganes/dpa/AP/picture alliance

Gerade erst hatte die Analyse eines US-Krankenversicherers bestätigt, dass es nach der zweiten Dosis der mRNA-Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna in seltenen Fällen zu einer Myokarditis kommen kann, vor allem bei jüngeren Männern.

Bereits Mitte Juli hatten auch diebeiden Pharmakonzerne BioNTech/Pfizer und Moderna in einem gemeinsamen Rote-Hand-Brief über einen möglichen Zusammenhang informiert.

Trotzdem lieber impfen

Das Robert-Koch-Institut (RKI) rät trotzdem, Jugendliche, wenn möglich, zu impfen, zumal andere Impfstoffe in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Ein ungeheurer Luxus, von dem die meisten Menschen weltweit nur träumen können. 

Eine Impfung bleibe auch für Kinder und Jugendliche der beste Schutz, so das RKI, denn das Risiko einer Herzmuskelentzündung (Myokarditis) sei einfach wesentlich geringer als das einer COVID-19-Erkrankung oder möglicher Langzeitfolgen.

"Myokarditiden nach Impfungen mit COVID-19-mRNA-Impfstoffen sind gesicherte, aber sehr seltene unerwünschte Ereignisse, die bei Jungen häufiger als bei Mädchen auftreten (…) Der akute Verlauf der Myokarditiden ist unter stationärer Behandlung meist mild; über mögliche Langzeitfolgen liegen bisher keine Erkenntnisse vor", schrieb das RKI in seinem "Epidemiologischen Bulletin" vom 19. August 2021

Zwar haben die meisten Kinder und Jugendlichen eine COVID-19-Infektion mit mildem Verlauf, aber es bleibt das Risiko von Long-COVID, also das Risiko einer lang anhaltenden Schädigung auch bei Heranwachsenden, wie  eine schwedischen Studie zu Langzeitfolgen bei Kindern und Jugendlichen bereits im November 2020 zeigte. Dazu gehören das das Pädiatrische Inflammatorische Multiorgan-Syndrom (PIMS) und das Chronische Fatigue-Syndrom (ME/CFS) .

Herzmuskelentzündungen werden oftmals übersehen

Herzmuskelentzündungen bei Jüngeren können nicht nur durch mRNA-Coronaimpfstoffe ausgelöst werden. Auch nach Impfungen gegen humane Papillomviren, Influenza, Meningokokken, Typhus, die japanische Enzephalitis, Milzbrand und vor allem Pocken kam es in sehr seltenen Fällen zu dieser Komplikation, zeigte 2018 eine Analyse des "Vaccine Adverse Event Reporting System“ der US-Gesundheitsbehörde FDA

Eine Myokarditis kann aber auch durch eine Virusinfektion der Atemwege oder des Magen-Darm-Trakts ausgelöst werden. Das kann eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 sein, oder auch Masern-, Herpes- und Influenzaviren. Auch Infektionen mit Bakterien wie Borrelien, Streptokokken oder Legionellen können die Ursache für eine Myokarditis sein. 

Herzmuskelentzündungen durch eine SARS-CoV-2-Infektion sind gar nicht so selten. Eine US-Studie mit Leistungssportlern aus dem Mai 2021 zeigte, dass eine Herzmuskelentzündung nach einer COVID-19-Infektion häufig gar nicht bemerkt wird. Von den 1597 untersuchten Sportlern stellten die Ärzte bei 37 Teilnehmern (2,3 Prozent) eine Myokarditis fest, aber nur neun von ihnen zeigten die entsprechenden Symptome. 

Oftmals wird eine Entzündung des Herzmuskels deshalb nicht rechtzeitig erkannt, weil die Symptome wie Husten oder Schnupfen, Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen erstmal nicht mit einer Herzmuskelentzündung in Verbindung gebracht werden.

Arzt schaut auf  EKG
Das EKG bringt Klarheit, denn Herzmuskelentzündungen werden oftmals übersehenBild: Imago Images/Westend61

Im Verlauf einer Myokarditis können Patienten dann unter Atemnot leiden, ihnen wird schwindlig, sie spüren eine Enge in der Brust, ihr Herz klopft stark oder es kommt zu Herzrhythmusstörungen.

Wird eine Herzmuskelentzündung durch ein EKG oder bei der Blutabnahme diagnostiziert, ist es das Wichtigste, das Herz zu schonen und Belastungen zu vermeiden.

Früher verordneten die Ärzte eine strikte Bettruhe, heutzutage sind kleine Spaziergänge erlaubt. Zusätzlich erhalten die Patienten Medikamente, die das Herz entlasten und die Pumpfunktion stabilisieren. Danach wird ein Kardiologe das Herz anfangs in kurzen Abständen alle zwei bis drei Wochen untersuchen.

Nach einem Infekt nicht zu früh Sport treiben

Grundsätzlich ist nach jedem starken Infekt Ruhe angesagt - sportlichen Aktivitäten sollten erst langsam wieder gesteigert werden. Starke körperliche Belastungen oder sportliche Höchstleistungen sollten Patienten im ersten halben Jahr nach einem schweren Infekt deshalb vermeiden. 

Kinder beim Fussballtraining
Auch wenn es schwer fällt: Nach einem schweren Infekt sollte man es langsam angehen lassenBild: imago/Galoppfoto

Schon für den ausgewachsenen Körper ist eine Herzmuskelentzündung eine große Belastung. Aber noch heikler ist die Erkrankung bei Kindern und Jugendlichen.

Denn wenn die wild durch die Gegend tollen, wie üblich leidenschaftlich Fußball spielen oder herumtanzen, kann diese Überanstrengung nach einer Myokarditis zu Komplikationen bis hin zu Herzschwäche mit Atemnot, Herzrhythmusstörungen oder zum plötzlichen Herztod führen.

Dabei ist es unerheblich, ob die Herzmuskelentzündung durch einen "normalen" Infekt oder in Folge einer Corona-Impfung entstanden ist.

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund