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EU-Behörden empfehlen Kreuzimpfung

7. Dezember 2021

Ergebnisse verschiedener Studien zeigen: Menschen, die unterschiedliche Impfungen von AstraZeneca, BioNTech oder Moderna erhalten, entwickeln stärkere Immunantworten als die, die immer nur die gleiche Impfung bekommen.

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Impfung mit dem Biontech oder dem AstraZeneca Corona Impfstoff.
Bild: Frank Hoermann/SvenSimon/picture alliance

Die europäische Zulassungsbehörde (EMA) und die Gesundheitsbehörde (ECDC) empfehlen seit dem 7.12.2021 ausdrücklich Kreuzimpfungen mit Vektor- und mRNA-Impfstoffen gegen COVID-19. Praktisch zeitgleich erklärte Matthew Snape, Virologe der Universität Oxford in England und Leitender Forscher einer großen Patientenstudie namens Com-COV2 gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass die Studie guten Erfolg mit Kreuzimpfungen gezeigt habe. 

Wie kam es zu den Kreuzimpfungen? 

Nachdem die EMA (European Medicines Agency) im Januar 2021 den Corona-Impfstoff von AstraZeneca zugelassen hatte, wurde das Mittel zunächst ohne Einschränkungen verimpft. Dann aber wurde festgestellt, dass es vor allem bei jungen Frauen sehr vereinzelt nach der Impfung ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von gefährlichen Hirnvenenthrombosen gab. Am 1. April empfahl die Ständige Impfkommission daher, dass nur noch Menschen über 60 mit AstraZeneca gegen COVID geimpft werden sollten. Das bedeutete, dass eine Vielzahl an Erstgeimpften für ihre zweite Dosis auf die Impfstoffe von BioNTech-Pfizer oder Moderna umsteigen mussten. Heute können sich wieder alle Erwachsenen in Deutschland mit AstraZeneca impfen lassen, wenn sie die Risiken vorher mit ihrem Arzt geklärt haben.

Aber neue Studien zeigten schon bald, dass die Kombination von zwei verschiedenen Impfstoffen möglicherweise mehr als nur eine Notlösung sein könnte. 

Britische Studie: Kreuzimpfung schlägt AstraZeneca

Die Forschenden der University of Oxford hatten erstmals im Juni publiziert, dass Patienten, die erst eine AstraZeneca- und vier Wochen später eine BioNTech-Dosis verimpft bekamen, mehr Antikörper aufbauten als diejenigen, die zweimal AstraZeneca bekamen. Auch die umgekehrte Reihenfolge war noch effektiver als zweimal AstraZeneca. Am meisten Antikörper wurden bei den Studienteilnehmern nachgewiesen, die zwei Impfdosen von BioNTech-Pfizer erhielten. Wobei nun auch herauskam, dass BioNTech-Pfizer, gefolgt von einer Moderna-Impfung noch bessere Ergebnisse zeigt. 

In der Com-COV Studie bekamen 830 Freiwillige älter als 50 Jahre verschiedene Imfstoff-Kombinationen. Zwischen der ersten und der zweiten Impfung lagen jeweils etwa vier Wochen. Seitdem nahmen einer zweiten Com-COV2 Studie 1070 Freiwillige teil. 

Der führende Autor der Studie, Professor Matthew Snape, sagte, die zweifache Impfung mit AstraZeneca sei im Kampf gegen COVID-19 trotzdem weiterhin sinnvoll. "Wir wissen bereits, dass die Standard-Impfabläufe sehr effektiv gegen schwere Krankheitsverläufe und Krankenhausaufenthalte sind, und auch gegen die Delta-Variante."

In Großbritannien liegt der Abstand zwischen der ersten und der zweiten COVID-Impfung normalerweise bei acht bis 12 Wochen, nicht vier Wochen wie in der Com-COV Studie. Snape sagte der BBC, dass sein Team im Juli auch Ergebnisse für Kreuzimpfungen mit einem Abstand von 12 Wochen zwischen erster und zweiter Spritze präsentieren werde.  

Deutsche Studie: Kreuzimpfung effektiver als zweimal der gleiche Impfstoff

Forscher an der Universität des Saarlandes fanden heraus, dass Menschen, die zunächst mit AstraZeneca und dann mit BioNTech-Pfizer geimpft wurden, eine stärkere Immunantwort entwickeln als diejenigen, die zwei Dosen des gleichen Impfstoffs erhielten. 

Impfpriorisierung aufgehoben

Die Ergebnisse der Universität des Saarlandes wurden Ende Juli 2021 in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht. 

Zehnmal mehr Antikörper

An der saarländischen Studie im Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg nahmen mehr als 200 Menschen teil. Einige erhielten zwei Dosen AstraZeneca, einige zwei Dosen BioNTech. In einer dritten Gruppe erhielten Teilnehmer zunächst eine Dosis AstraZeneca, gefolgt von einer zweiten Impfung mit BioNTech.

Die Forscher verglichen die Immunreaktionen der Teilnehmer zwei Wochen nach der zweiten Impfung. "Wir haben bei den geimpften Personen nicht nur untersucht, wie viele Antikörper sie gegen das Coronavirus gebildet haben, sondern wir haben auch die Wirkstärke der sogenannten neutralisierenden Antikörper bestimmt", erklärt Martina Sester, Professorin für Transplantations- und Infektionsimmunologie der Universität des Saarlandes. "Diese gibt uns Auskunft darüber, wie gut die Antikörper das Virus davon abhalten, in die Zellen einzudringen."

Corona-Impfaktion für Wohnungslose

Die Analyse der Antikörper zeigte, dass sowohl die doppelte BioNTech-Impfung, als auch die Kombination mit AstraZeneca weitaus wirksamer war als die zweifache AstraZeneca-Impfung. Teilnehmer, die eine der ersten beiden Impfvarianten erhielten, bildeten etwa zehn Mal mehr Antikörper als diejenigen, die zwei AstraZeneca Dosen bekamen. "Bei den neutralisierenden Antikörpern zeigte die kombinierte Impfstrategie sogar noch leicht bessere Ergebnisse als eine zweifache Biontech-Impfung", sagt Sester.

Bisher ist normalerweise vorgesehen, dass erste und zweite Impfung mit dem gleichen Impfstoff vorgenommen werden. 

"Bemerkenswerter" Anstieg der Antikörper-Produktion

Die spanische CombivacS Studie, die mit 663 Teilnehmern am Carlos III Health Institute in Madrid durchgeführt wurde, kam zu einem ähnlichen Ergebnis. Die Fachzeitschrift Nature berichtete über die vorläufigen Zahlen. Wie auch bei der Studie aus dem Saarland liegen hier noch keine endgültigen Ergebnisse vor - bei dem Bericht in Nature handelt es sich um eine Art Zwischenstandmeldung, nicht um eine vollständige, von anderen Experten geprüfte wissenschaftliche Publikation.

Zwei Drittel der Teilnehmer der spanischen Studie erhielten eine BioNTech-Pfizer-Impfung, nachdem sie bereits einmal mit AstraZeneca geimpft wurden. Das letzte Drittel hatte zum Zeitpunkt der Veröffentlichung in Nature noch keine zweite Impfung erhalten.

Magdalena Campins, eine der an der CombivacS Studie beteiligte Forscherin vom Vall d'Hebron Universitätsklinikum in Barcelona, berichtet, dass Teilnehmer, die eine Kreuzimpfung erhielten, nach ihrer zweiten Impfung erheblich mehr Antikörper produzierten, und dass diese Antikörper bei Labortests in der Lage waren, das SARS-CoV-2 Virus zu erkennen und zu deaktivieren.

"Es sieht danach aus, dass der [BioNTech-]Pfizer Impfstoff die Antikörper-Produktion nach einer ersten Dosis AstraZeneca auf bemerkenswerte Weise ankurbelt", zitiert Nature die Immunologin Zhou Xing von der McMaster University in Hamilton, Canada, die nicht an der CombivacS Studie beteiligt war. Xing fügt hinzu, der Anstieg sei auch höher sei als der, der bei Patienten nach einer zweiten AstraZeneca-Dosis beobachtet wurde.

Davon abgesehen, dass die Ergebnisse aus Madrid noch nicht endgültig sind und noch nicht von anderen Wissenschaftlern überprüft wurden, gibt es bei der Studie aber noch ein Problem: Sie fand ohne eine Kontrollgruppe statt, in der Teilnehmer zwei Dosen des gleichen Impfstoffs bekommen hätten. Ein direkter Vergleich ist also nicht möglich.

Eine junge Frau wird in Valencia geimpft
In Spanien ist bisher knapp ein Viertel der Bevölkerung vollständig geimpftBild: Borja Abargues/NurPhoto/Getty Images

Wird die Kreuzimpfung anerkannt?

In Deutschland ist eine Kreuzimpfung ebenso anerkannt wie eine Impfung mit nur einem Impfstoff. Das Gesundheitsministerium orientiert sich dabei an den Vorgaben des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI).

Ob eine Kreuzimpfung auch im Ausland als vollständiger Impfschutz angesehen wird, hängt vom jeweiligen Land ab. Kanada etwa hat Kreuzimpfungen bereits zugelassen, in den USA laufen noch Untersuchungen. 

Dieser Artikel wurde zuletzt am 7. Dezember aktualisiert, um zu reflektieren, dass die EMA und ECDC die Nutzung von Kreuzimpfungen nun empfiehlt.

Redaktion: Fabian Schmidt.

Carla Bleiker
Carla Bleiker Redakteurin, Channel Managerin und Reporterin mit Blick auf Wissenschaft und US-Politik.@cbleiker