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Politik

Corona-Hilfe: Kein frisches Geld für Afrika

Barbara Wesel
8. April 2020

Die EU-Kommission hat rund 15 Milliarden Euro Corona-Hilfen für Entwicklungsländer angekündigt. Allerdings sind es umgewidmete Mittel aus anderen Projekten. Entwicklungsminister Gerd Müller reicht das nicht.

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Kenia Mombasa | Coronavirus | Desinfektionsraum
Mombasa in Kenia: Menschen in einem DesinfektionsraumBild: DW/F. Musa Abdalla

An großen Worten fehlt es EU-Chefdiplomat Josep Borrell nicht, wenn er die Verpflichtung der EU zur Hilfe für Entwicklungsländer in der Corona-Krise beschreibt: "Internationale Solidarität bedeutet, dass wir den Kampf gegen das Virus gemeinsam gewinnen müssen." Schließlich werde die Corona-Epidemie nirgends besiegt sein, wenn sie nicht überall besiegt werde - ein Hinweis auf die Gefahr, dass die Krankheit innerhalb weniger Monate aus den Ländern des globalen Südens nach Europa zurückgebracht werden könnte, wenn es nicht nachhaltig bekämpft wird.

Vor allem afrikanische Länder seien verletzlich. Ihnen fehlte oft der Zugang zu sauberem Wasser und medizinischer Ausrüstung, die Isolierung beraube die Bevölkerung ihres Einkommens und es drohten Hungersnöte - so beschreibt Borell die Lage. Die zugesagten 15 Milliarden Euro kämen allerdings aus bereits existierenden Projekten, die jetzt für die Corona-Hilfe umgewidmet würden, musste der EU-Außenbeauftragte dann einräumen.

Der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller erklärt, wo das Geld herkommt: Sechs Milliarden Euro aus dem Entwicklungsetat der EU-Kommission, vier Milliarden Euro aus dem Etat für Nachbarschaftshilfe und fünf Milliarden Euro aus einen Programm der Europäischen Investitionsbank. Borell kündigt weitere fünf Milliarden Euro aus einzelnen Zusagen der EU-Mitgliedsländer an.

Coronavirus Ghana Accra Regierung verteilt Lebensmittel
Accra in Ghana: Eine freiwillige Helferin verteilt Essenspakete während der AusgangssperreBild: AFP/N. Dennis

Dennoch: Das reiche bei weitem nicht aus, sagt Müller, man brauche "frisches zusätzliches Geld", nicht nur die Umschichtung vorhandener Mittel. Er fordert einen Rettungsschirm oder Marshallplan auch für Afrika. Abgesehen davon sei es natürlich richtig, jetzt alle nicht lebensnotwendigen Projekte umzuorientieren auf die Corona-Hilfe.

Geld für Gesundheit und Ernährung

Auch Müller will eine Milliarde Euro aus seinem deutschen Entwicklungsetat umwidmen, die zum Beispiel für die Verbesserung der Hygiene in den Flüchtlingscamps im Libanon und in Jordanien ausgegeben werden sollen. Weiteres Beispiel ist ein 380 Millionen Euro teures Projekt, das Textilarbeiter in Bangladesch unterstützen soll, deren Lieferketten jetzt zusammen gebrochen sind. Darüber hinaus aber hofft Müller auf zusätzliche drei Milliarden Euro aus dem Nachtragshaushalt des Bundes, um die deutschen Hilfen deutlich aufzustocken.

EU will sich mit ihrer Unterstützung, so Müller, vor allem auf Gesundheitssysteme und Ernährungsprogramme konzentrieren. Für mehr werde das bereitgestellte Geld auch kaum reichen.

Der Minister ist dabei ziemlich kritisch gegenüber den EU-Ankündigungen: "Ich will konkrete Maßnahmen", sagt er, an der Basis und für die Menschen, "nicht Haushaltstitel umbuchen." Der CSU-Politiker ist erkennbar ungeduldig. Bei den astronomisch teuren Paketen, die jetzt in Europa und den USA zur Unterstützung der eigenen Wirtschaft geschnürt werden, müsse frisches Geld auch für Hilfen in den Entwicklungsländern bereitgestellt werden.

Flüchtlingslager Moria-Elaionas
Griechisches Flüchtlingslager Moria: Kaum Zugang zu fließendem Wasser, Duschen und SeifeBild: picture-alliance/ANE

Josep Borrell gibt ein paar Beispiele für konkrete Unterstützung der EU: Mit zehn Millionen Euro sollen Labore und Behandlungszentren in Äthiopien verstärkt werden, 15 Millionen Euro seien für einen Corona-Aktionsplan in Nigeria vorgesehen, 250 Millionen Euro gingen an arme Haushalte und syrische Flüchtlinge im Libanon und in Jordanien. Afrika stehe jetzt unter enormem Druck und für die EU im Zentrum der Anstrengungen, fügt er hinzu. Dort werde die Corona-Krise Auswirkungen von unvorstellbarem Ausmaß haben.

Hygiene in Flüchtlingslagern unmöglich

Was die angekündigte Aufnahme von 50 unbegleiteten Kindern aus dem griechischen Flüchtlingslager Moria angeht, so hält Gerd Müller das nur für einen ersten kleinen Schritt. Auch mit dem Versprechen, 1600 Kinder in die EU zu holen, sei es nicht getan. Es gebe in Griechenland 10.000 Kinder, denen geholfen werden müsse. Das völlig überfüllte Lager Moria müsse in der jetzigen Form aufgelöst und nach den Standards des Internationalen Flüchtlingshilfswerks der UN neu gebaut werden.

Die Hilfsorganisation Oxfam hat erneut darauf hingewiesen, dass sich dort über 300 Menschen einen Wasserhahn teilten. Es fehle Seife, Duschen und die Menschen lebten in größter Enge. "Wenn dort morgen das Virus ausbricht", sagt Entwicklungsminister Müller, werde man eine Katastrophe erleben. Man habe genug über die Zustände dort diskutiert und könne nicht noch einmal sechs Monate warten. Die EU und Griechenland müssten es in den nächsten Wochen schaffen, das Lager auf ein akzeptables Niveau zu heben.

Hilfsorganisationen fordern schnelle Hilfe

Oxfam nennt als weiteres Beispiel einer drohenden COVID-19-Katastrophe das Lager Cox's Bazar in Bangladesch, wo Rohingya-Flüchtlinge in größter Enge lebten, ohne Zugang zu sauberem Wasser und Gesundheitsversorgung. Die Mindeststandards in den Flüchtlingscamps seien generell nicht auf eine Pandemie angelegt. Dramatisch aber seien die Zustände auch im Jemen oder in Gaza - überall fehle es an sanitären Einrichtungen, medizinischer Ausrüstung, sauberem Wasser, den notwendigen Voraussetzungen zur Eindämmung der Pandemie.

Bangladesch, Cox's Bazar: Rohingya-Frauen in Flüchtlingslagern
Cox's Bazar in Bangladesch: Unterricht in einer provisorischen BehausungBild: Getty Images/A. Joyce

Die Leiterin der Corona-Hilfsmaßnahmen bei Oxfam kritisiert, dass sich viele Länder jetzt nur noch auf die eigene Bevölkerung konzentrierten. Man dürfe aber Millionen Schutzbedürftiger in Flüchtlingscamps, armen Ländern und Krisenregionen nicht vergessen."Die internationale Gemeinschaft muss jetzt massive Ressourcen für arme Länder mobilisieren", sagt Marta Valdes Garcia.

Hilfsorganisationen fordern jetzt unbürokratische und schnelle Hilfen, auch durch die Umwidmung von Mitteln. In vielen Gegenden sei das Ausmaß der Corona-Krise noch nicht absehbar, sagt etwa Martin Bröckelmann-Simon von Misereor. Schon jetzt müssten viele Helfer vor Ort umsatteln. Straßenkinder-Projekte in Kenia würden sich jetzt auf Desinfektion und Corona-Prävention konzentrieren, Berufsschulen hätten auf Fernunterricht umgestellt. Insgesamt fordern die europäischen Nichtregierungsorganisationen in der Entwicklungshilfe einen Schutzschirm, damit sie ihre Projekte umwidmen können, sowie zusätzliche Finanzierung für den Kampf gegen das Coronavirus.