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Chronologie der Ereignisse

2. Juni 2005

Der Prozess gegen Michail Chodorkowskij hat weltweit für Aufsehen gesorgt. Vom Erdöl-Millionär zum Häftling: Eine Zusammenfassung über den Ablauf der Ereignisse.

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Damals hatte er den Prozess noch vor sich: Michail Chodorkowskij nach einer Befragung im Juli 2003Bild: AP

Vor zwei Jahren, im Mai 2003, wurde der Name Michail Chodorkowski erstmals einer Öffentlichkeit außerhalb der Grenzen Russlands bekannt - damals lautete die Schlagzeile: "Russlands größter Mineralölkonzern Jukos übernimmt den kleineren Konkurrenten Sibneft". Das neue Unternehmen mit dem Namen JukosSibneft rückte damit in die Weltliga der Öl-Konzerne auf. Mit 2,3 Millionen Barrel pro Tag förderte der neue Energie-Gigant soviel Rohöl wie das OPEC-Mitglied Kuwait. Vergleichbar sei der Zusammenschluss nur mit der Ehe zwischen Exxon und Mobil Oil, hieß es.

Reich geworden waren Russlands Oligarchen Anfang der 1990er Jahre, bei der so genannten "wilden Privatisierung". Mit der Freigabe der Preise bei gleichzeitiger Einführung von Privateigentum sollte die russische Wirtschaft angekurbelt werden. Das hatte verheerende Folgen: Die Preise für Konsumgüter stiegen so sprunghaft an, dass der Großteil der Bevölkerung gezwungen war, das Familiensilber zu veräußern - oder die Anteilsscheine zur Privatisierung der Staatsbetriebe, die so genannten Voucher zu verkaufen. Für ein paar Rubel kauften damals kluge Neu-Kapitalisten den verzweifelten Menschen ihre Voucher ab. Und kamen so in den Besitz großer Staatsbetriebe und damit riesiger Vermögen.

Schneller Reichtum

Der ehemalige Komsomol-Funktionär Michail Chodorkowski etwa kam auf diesem Weg Mitte der neunziger Jahre an ein Mehrheitspaket der Jukos-Aktien und sein Freund Roman Abramovitsch in den Besitz einer weiteren großen Öl-Firma: Sibneft.

Ein halbes Jahr nach dem Jukos-Sibneft-Deal, am 25. Oktober 2003, wurde der Jukos-Chef festgenommen - bei einer Zwischenlandung seines Privatflugzeugs in Nowosibirsk. Die Staatsanwaltschaft warf ihm unter anderem schweren Betrug, Bilanzfälschung und Steuerhinterziehung vor und bezifferte den wirtschaftlichen Schaden auf eine Milliarde US-Dollar. Doch von Anfang an war klar, dass es sich um eine aus dem Kreml gelenkte Kampagne handelt.

Der Druck auf den russischen Öl-Giganten hatte im Juli mit der Verhaftung von Jukos-Manager Platon Lebedjew begonnen, dem Privatisierungsbetrug Anfang der 90er Jahre vorgeworfen wurde. Gegen einen weiteren Jukos-Mitarbeiter wurde ein Verfahren wegen Mordes eingeleitet. Ein dritter musste sich wegen Steuerhinterziehung verantworten. Seit Monaten war laut darüber spekuliert worden, Chodorkowski könne sich wegen der Justizkampagne ins Ausland absetzen, wie die ehemals einflussreichen Oligarchen Beresowski und Gussinski. Doch der Jukos-Chef wies damals solche Vermutungen zurück und bekräftigte: "Wenn die Aufgabe darin besteht, mich ins Gefängnis zu bringen, dann tut das. Ich will jedenfalls kein politischer Emigrant sein."

Alles bloße Hysterie?

Am Montag nach seiner Verhaftung stürzten die Aktienkurse in Russland dermaßen ab, dass die Börse in Moskau vorübergehend den Handel einstellen musste. Die US-Konzerne Chevron und Exxon brachen ihre Gespräche über einen möglichen Einstieg bei Jukos ab und äußerten starke Zweifel am Wirtschaftsreformkurs von Präsident Putin. Der fühlte sich erstmals zu einer öffentlichen Stellungnahme bemüßigt: "Ich bitte darum, alle Spekulationen und jede Hysterie in diesem Fall zu beenden. Auch die Regierung bitte ich, sich nicht in diese Diskussion hineinziehen zu lassen."

Eine Woche nach Chodorkowskis Verhaftung beschlagnahmte der russische Generalstaatsanwalt 53 Prozent der Aktien des Jukos-Konzerns. Wie es hieß, wollte man den Verkauf der Aktien an Dritte verhindern. Am 3. November trat Chodorkowski - laut einer schriftlichen Erklärung aus dem Moskauer Untersuchungsgefängnis - als Chef des Jukos-Konzerns zurück. Im März 2004 schrieb Chodorkowski aus dem Gefängnis einen reumütigen und selbstkritischen Artikel, in dem er höhere Steuern auf Geschäfte mit Bodenschätzen forderte und sich selbst vorwarf, den Armen nicht geholfen zu haben. Genutzt hat es ihm nichts: Das Gericht verweigerte ihm die Entlassung aus der Untersuchungshaft - er könne womöglich Zeugen beeinflussen, hieß es, außerdem bestehe Fluchtgefahr.

Oligarchen in die Schranken verwiesen

Unterdessen wurde der Jukos-Konzern systematisch zerschlagen, ein Gericht verurteilte den Konzern zu einer Steuernachzahlung von drei Milliarden Dollar für das Jahr 2000 und vier Wochen später zu einer weiteren Nachzahlung von 2,8 Milliarden Dollar für das Jahr 2001. An der Börse hat das Unternehmen 60 Prozent seines Wertes verloren - rund 22 Milliarden Dollar. Nachdem sämtliche Konten eingefroren wurden, kam es im Dezember 2004 zur Zwangsversteigerung der Fördertochter Jugansneftegas.

Vor knapp einem Jahr, im Juni 2004, begann der Prozess gegen Michail Chodorkowski - die Ankläger forderten zehn Jahre Lagerhaft. Ein Prozess nahm seinen Ausgangspunkt, den nicht nur Menschenrechtsorganisationen als eine Farce bezeichneten. Präsident Putin sei es nur darum gegangen, die staatliche Kontrolle über die Schlüsselindustrien zurück zu gewinnen und die Oligarchen in ihre Schranken zu verweisen. Von solchen Anschuldigungen will Präsident Putin bis heute nichts wissen: "Das Hauptsignal lautet: Man darf nicht stehlen", so der Präsident, der Kritikern die Parole mit auf den Weg gibt: "Alle haben sich dem Gesetz unterzuordnen, unabhängig von ihrem Posten oder ihren Milliarden auf den Privatkonten."

Rolf Wenkel
DW-RADIO, 21.5.2005, Fokus Ost-Südost