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Chirac sieht eine Sinnkrise

14. November 2005

Frankreichs Präsident Jacques Chirac hat in einer mit Spannung erwarteten Fernsehansprache das harte Vorgehen gegen Krawallmacher in den Vorstädten bekräftigt, aber auch eine Reihe von sozialen Vorstößen angekündigt.

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Brennendes Auto in LyonBild: AP

"Wir bauen nichts Dauerhaftes auf, wenn wir nicht das Gift der Diskriminierung bekämpfen", sagte Chirac am Montagabend (14.11.2005) in einer mit Spannung erwarteten Fernsehansprache. Wenn Arbeitslosigkeit und unzureichende Bildung keine Chancengerechtigkeit herbeiführen könnten, dann liege darin die Wurzel der seit zweieinhalb Wochen anhaltenden Jugendunruhen.

Zunächst soll die Ordnung hergestellt werden

Hinter den Vorstadt-Krawallen sieht Frankreichs Präsident eine "Sinnkrise". Es handle sich um "eine Sinnkrise, eine Orientierungskrise, eine Identitätskrise", sagte Chirac in seiner ersten Fernsehansprache seit dem Beginn der Unruhen vor mehr als zwei Wochen. Bei den "Ereignissen" hätten junge Menschen in ihren eigenen Vierteln Fahrzeuge ihrer Nachbarn, Schulen oder Turnhallen angezündet. Durch Gewalt könne aber kein Problem gelöst werden, betonte Chirac und kündigte an, alle Gewalttäter würden bestraft. Die geplante Verlängerung des Ausnahmezustandes in Frankreich begründete Chirac damit, zunächst müsse die Ordnung wiederhergestellt werden.

Strafe oder Hilfe

"Die Kinder und die Heranwachsenden brauchen Werte, Orientierungspunkte", sagte Chirac. Dafür sei die Autorität der Eltern wesentlich. Familien müssten sich ihrer Verantwortung stellen. Verweigerten sie dies, müssten sie bestraft werden, wie das Gesetz es vorsehe - brauchten sie hingegen Hilfe, müssten sie aktiv unterstützt werden. Chirac kündigte die Gründung eines freiwilligen "Bürgerdienstes" an, den im Jahr 2007 insgesamt 50.000 junge Menschen leisten könnten. Dieser Dienst solle vor allem jungen Leuten mit Problemen beim Übergang ins Berufsleben helfen. Alle Betroffenen seien "Söhne und Töchter der Republik".

Das französische Modell der Integration stehe auf dem Spiel, sagte Chirac mit Blick auf die vor allem in den Einwanderervierteln verübten Gewaltakte. Der Staatchef rief zum Kampf gegen Rassismus, Intoleranz oder Diskriminierung auf. Die "Verschiedenheit" der französischen Gesellschaft sei eine der Stärken der "großen Nation" Frankreich, sagte Chirac und sprach sich zugleich gegen jegliches Quotensystem oder andere Formen der Ungleichbehandlung aus. Der Staatspräsident kündigte eine Reihe von Konsultationen zur Krise unter anderem mit den Sozialpartnern an. (kap)