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China will alten Ruhm wieder aufleben lassen

Jonathan Crane Rennes, Frankreich
12. Juni 2019

Die "Stählernen Rosen" haben nicht mehr die Klasse früherer Tage. Doch da der Fußball für die chinesische Regierung Priorität hat, sind die Erwartungen an die Fußballerinnen bei der WM in Frankreich hoch.

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Vor Frauen-Fußball-WM - China Training
Bild: picture-alliance/dpa/XinHua/X. Zijian

Jia Xiuquan will den chinesischen Frauenfußball wieder groß machen. Es ist nun 20 Jahre her, dass die "Stählernen Rosen", wie Chinas Frauen genannt werden, den WM-Titel knapp verpassten - in einem dramatischen Elfmeterschießen im Finale gegen die USA. Keine andere Mannschaft Chinas war dem größten aller Titel jemals so nahe. "Wir haben im Frauenfußball in der Vergangenheit glorreiche Zeiten erlebt. Wir wollen zu dieser Größe zurück. Doch so ein Prozess dauert Jahre", sagt Nationaltrainer Jia. "Wir werden hier bei der WM unser Bestes geben. Uns ist bewusst, dass es noch eine Lücke zu den Spitzenteams gibt. Aber wir versuchen, sie in jedem Spiel zu schließen."

Das bekamen bei Chinas erstem WM-Auftritt gegen Deutschland am Samstag auch die DFB-Frauen schmerzhaft zu spüren. Das DFB-Team gewann nur knapp mit 1:0 und tat sich mit der harten Gangart und den Kontern der Asiatinnen schwer. Am Donnerstag spielt China gegen Südafrika. 

Interesse in China an Frauenfußball hat nachgelassen

China war nicht nur Gastgeber der ersten Frauen-Weltmeisterschaft im Fußball 1991, sondern lange Zeit auch das dominierende Team in Ostasien. Diese Vormachtstellung verlor China jedoch später an Japan und Südkorea, wo sich die nationalen Frauenligen besser entwickelten als im Reich der Mitte.

Frauenfußball-WM - Deutschland - China
Chinas Fußballerinnen zeigten im Auftaktspiel gegen Deutschland viel Einsatz - und teilweise übertriebene HärteBild: Getty Images/R. Heathcote

Die ehemalige chinesische Torfrau Wang Fei, die auch bei den deutschen Bundesligisten 1. FFC Turbine Potsdam und FC Bayern München unter Vertrag stand, erinnert sich noch gut an das WM-Finale 1999. Das erfolgreiche Auftreten der chinesischen Mannschaft habe sie damals inspiriert, Profi-Fußballerin zu werden. Das Interesse am Frauenfußball und auch am Nationalteam habe seitdem in China jedoch nachgelassen, sagt Wang der DW: "Ich denke, wir wollen uns verbessern.  Es geht vor allem um die Physis. Einige Teams in China werden nicht professionell genug geführt. Aber im Moment kommen wir voran."

Einer, der die jüngsten Entwicklungen hautnah miterlebt hat, ist Mads Davidsen. Der Däne zog 2012 nach China und wurde Technischer Direktor von Shanghai SIPG, einem der größten Klubs des Landes. Davidson verweist auf das niedrige Niveau des Trainings als immer noch bestehendes Problem in China. "Wenn man die Trainer ausbildet, bildet man automatisch auch die Spieler aus", sagt Davidsen, der inzwischen sein eigenes Fußball-Beratungsunternehmen leitet. "Und deshalb fehlt den Spielern in China immer noch das nötige vollständige Ausbildungspaket, um auf höchstem Niveau mitzuhalten. Die lokalen Trainer wissen nicht, wie man diese Ausbildung anbietet."

Große Ziele von ganz oben

China FIFA-Präsident Gianni Infantino & Xi Jinping, Präsident China
Chinas Präsident Xi (r.) mit FIFA-Chef InfantinoBild: Reuters/F. Dufour

Dabei hat Chinas Präsident Xi Jinping Fußball zur Chefsache erklärt. Nach seinem Willen soll China bis 2050 im Fußball eine führende Weltmacht werden. Obwohl Fußball in puncto Popularität in China den Sportarten Badminton und Tischtennis hinterherhinkt, weiß die Regierung in Peking um das Prestige, das der  Fußball einem Land auf internationaler Bühne bescheren kann. Um Xis Plan in die Tat umzusetzen, gerieten die Klubs der chinesischen Super League zunächst geradezu in einen Kaufrausch. Für viel Geld verpflichteten sie ausländische Stars oder investierten in Vereine im Ausland. Dieser Trend hat abgenommen, seitdem Befürchtungen laut wurden, dass zu viel Geld aus China abfließe.

Inzwischen richten die Verantwortlichen ihr Augenmerk mehr auf Investitionen im Inland. In ganz China werden Zehntausende neuer Spielfelder gebaut, zum ersten Mal wurde Fußball auf den landesweiten Lehrplan der Schulen gesetzt. "Sie geben nun viel weniger Geld für [ausländische Spieler wie] Carlos Tevez und für Spielerberater aus, dafür mehr für den Breitensport, also die Entwicklung des Fußballs in den Städten und Dörfern", sagte Simon Chadwick, Professor an der Universität Salford, der sich auf den chinesischen Fußball spezialisiert hat. "Es ist ein langfristiges Konzept. Mehr junge Leute werden angesprochen, es gibt mehr Spieler und auch mehr Fans."

Die Konzentration auf die Jugend sei entscheidend, meint Fußballberater Mats Davidsen: "Das Fundament ist da. Jetzt müssen sie nur noch die richtigen Trainer bereitstellen, die die Inhalte kennen und vermitteln, die dem jeweiligen Alter entsprechen. Wenn man das Ganze zehn bis 15 Jahre aufrechterhält, wird man die Auswirkungen sehen."

In der Rangordnung zurückgefallen

Eine der größten Herausforderungen für den chinesischen Frauenfußball besteht darin, die Früchte dieses Strategiewechsels mit zu ernten. Schließlich sind die "Stählernen Rosen" in der Weltrangliste deutlich höher positioniert als ihre männlichen Kollegen. Dennoch erhalten die Fußballerinnen weniger finanzielle Unterstützung und müssen mehr um Aufmerksamkeit kämpfen.

Professor Chadwick sieht die Unterstützung des Frauen-Nationalteam eher als Feigenblatt für ihr eigentliches Anliegen. Letztlich gehe es Peking vor allem darum, dass die Männermannschaft eines Tages die WM-Trophäe gewinne. "Obwohl China im Frauenfußball vergleichsweise stark ist, ist der Männerfußball immer noch das Maß aller Dinge", sagt Chadwick. "Er sorgt für Aufmerksamkeit, er kann China Prestige verschaffen. Das ist meiner Meinung nach der Hauptgrund, warum der Frauenfußball in der Rangordnung zurückgefallen ist."

Vor Frauen-Fußball-WM - China Training
Training des chinesischen Teams im WM-Quartier in Fougeres Bild: picture-alliance/Photoshot/X. Zijian

Es geht auch um gesellschaftliche Fragen. Nur wenige im Land sehen Sport als wirklichen Beruf an. Und obwohl die chinesische Politik Gleichheit propagiert, bestehen weiterhin geschlechtsbezogene Stereotypen und hierarchische Strukturen. "Viele Eltern helfen ihren Kindern bei der Berufswahl, und sie möchten, dass Mädchen Tanzen lernen, Klavier üben oder sich Wissen aneignen", sagt Ex-Torfrau Wang Fei. "Es ist nicht so einfach für chinesische Mädchen wie in Europa, Fußball zu spielen. Vielleicht müssten Mädchen am Anfang einfach gemeinsam mit Jungen spielen."

WM-Abschneiden als Wegweiser

Immerhin haben die Behörden alle Vereine der chinesischen Super League verpflichtet, bis 2020 auch Frauenteams aufzubauen. "Immer mehr Schulen bieten jetzt im Sportunterricht Fußball an", sagt Ai Ting Ting, Reporterin beim staatlichen chinesischen Fernsehsender CCTV, eine von rund 60 chinesischen Journalistinnen und Journalisten in Frankreich, die über die Frauen-WM berichten: "Sowohl die Mädchen als auch die Jungen haben die Möglichkeit, kostenlos Fußball zu spielen."

Viel hänge vom Abschneiden Chinas bei der WM ab, meint Ai: "Wenn die Mannschaft ein sehr gutes Ergebnis erzielt, würden vielleicht immer mehr Mädchen in China ermutigt, Fußball zu spielen und darüber nachdenken, ob sie später einmal Fußballerinnen werden wollen. Deshalb ist es sehr wichtig, dass das Team hier ist und vor den Augen der Welt sein Bestes gibt."