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Chinas Ex-Politstar Bo Xilai angeklagt

Matthias von Hein25. Juli 2013

Gegen den ehemaligen chinesischen Spitzenpolitiker Bo Xilai ist offiziell Anklage erhoben worden. Damit ist der Weg zum Prozess frei - dem vorerst letzten Akt im größten Politskandal Chinas der letzten Jahrzehnte.

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Bo Xilai als Wirtschaftsminister 2007 (Foto: AP)
Bild: AP

Macht und ihr Missbrauch, Moral und ihr Mangel, Mord und Moneten - der Fall von Bo Xilai hat das Zeug zum Politthriller. Dieser Thriller hält die chinesische Öffentlichkeit seit Februar 2012 in Atem. Der nun bevorstehende juristische Abschluss des Politkrimis ist eine der heikelsten Aufgaben für den neuen Staats- und Parteichef Xi Jinping. In der Anklageschrift beschuldigt die Staatsanwaltschaft den früheren Politstar "schwerer Verbrechen". Bo Xilai habe "extrem hohe Summen an Geld und Besitz" als Bestechung angenommen, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua aus der Anklageschrift. Er habe seine Stellung ausgenutzt, um anderen Vorteile zu verschaffen. Auch habe Bo Xilai "große Mengen öffentlicher Gelder unterschlagen und seine Macht missbraucht". Die Interessen des Staates und Volkes seien schwer geschädigt worden, stellte die Anklage fest.

Machtkampf vor Führungswechsel

Bo Xilai hat vor allem den Interessen von Chinas Kommunistischer Partei geschadet. Sein Fall hat im letzten Jahr den sorgfältig austarierten Führungswechsel an der KP-Spitze gehörig durcheinander gebracht. Ganz nebenbei wurden dabei etliche unangenehme Wahrheiten über Chinas Herrscher ans Licht gebracht. Erstens: Tiefe ideologische Risse ziehen sich durch die KP Chinas, die doch nach außen gerne so geeint auftritt. Und zweitens: Die Personen an ihrer Spitze leben in beispiellosem Luxus, schaffen auf illegalem Wege gewaltige Summen Geld ins Ausland - und schrecken, wie im Fall von Bo Xilai und seiner Frau, auch vor Mord nicht zurück.

Mao-Porträt vor der Großen Halle des Volkes (Foto: dapd)
Bo Xilai setzte für seinen geplanten Aufstieg auf Mao-NostalgieBild: dapd

Zusätzlicher Sprengstoff in dem Fall: Bo Xilai gehört als Sohn des legendären KP-Revolutionärs Bo Yibo zu den sogenannten "Prinzlingen". Diese Kinder der Parteielite gehen auf spezielle Schulen, genießen Privilegien und bilden innerhalb der KP Chinas dank ihrer ausgezeichneten Beziehungen eine eigene, einflussreiche Fraktion. Bei seinem Sturz im März 2012 war Bo Parteichef von Chinas größter Stadt, der 30 Millionen Einwohner zählenden Megacity Chongqing. Im Vorfeld des Führungswechsels an der KP-Spitze im Herbst 2012 galt Bo sogar als Anwärter auf einen Posten im innersten Zentrum der Macht: Dem siebenköpfigen ständigen Ausschuss des Politbüros.

Lieder aus der Mao-Ära

Normalerweise qualifizieren sich chinesische Politiker für hohe Posten durch stilles Arbeiten auf Posten mit wachsender Verantwortung. Der weltgewandt auftretende und charismatische Bo aber tat etwas anderes: Er trat in Chongqing eine populistische Kampagne mit aggressiver Eigenwerbung los. Bo wollte die Megacity zu seiner Modellstadt umbauen. Er investierte in den sozialen Wohnungsbau, warb um internationale Investoren. Vor allem aber ging er mit zwei Kampagnen in die Geschichte ein: "Rot singen" und "Schwarz schlagen". Bo wollte die Ideale der Revolution aufleben lassen, indem er in den Parks Lieder aus der Mao-Ära singen ließ. "Schwarz schlagen" stand für den Kampf gegen das organisierte Verbrechen. Rund 5000 Menschen wurden in einem rücksichtslosen Anti-Mafia-Kampf festgenommen. Etliche wurden hingerichtet, darunter der ehemalige Polizeichef von Chongqing. Die Kampagne kam bei der Bevölkerung an - und auch an höherer Stelle: Fünf Mitglieder des Ständigen Ausschusses des Politbüros reisten nach Chongqing und machten Bo dort ihre Aufwartung.

Wen Jiabao und Hu Jintao beim Chinesischen Volkskongress 2012 (Foto: Reuters)
Kritik von Ex-Premier Wen Jiabaos an Bo Xilai war das Signal zu dessen SturzBild: Reuters

Auch der neue Staats- und Parteichef Xi Jinping, selbst ein "Prinzling", war im Dezember 2010 nach Chongqing gepilgert. Xi lobte den Kampf gegen das Verbrechen als "hervorragende Leistung". Dabei hatte sich Bo Xilai bei seiner Kampagne noch nicht einmal um den Anschein von Rechtsstaatlichkeit bemüht. Der Prinzling Bo wurde mit seinen maoistischen Kampagnen zum prominentesten Vertreter der sogenannten "neuen Linken". Die wollen die gesellschaftlichen Probleme Chinas wie die wachsende Schere zwischen Arm und Reich und die wuchernde Korruption durch mehr Staat und mehr Kontrolle in den Griff bekommen. Auf der anderen Seite stehen eher liberale Kräfte. Sie wollen den Problemen des Landes mit Reformen zu Leibe rücken, wollen weniger Staat und mehr Rechtstaatlichkeit.

Flucht ins US-Konsulat

Zunächst lief alles gut für Bo. Bis am 6. Februar 2012 sein Polizeichef Wang Lijun als alte Frau verkleidet im amerikanischen Konsulat von Chengdu auftauchte, rund 300 Kilometer von Chongqing entfernt. Es war der einzige Ort, an dem Wang glaubte, sicher zu sein. Der Star-Polizist hatte sich mit seinem Ex-Chef zerstritten. Der Grund: Wang hatte Bo mit Beweisen für die Verwicklung von dessen Frau Gu Kailai in den Mord an dem britischen Geschäftsmann Neil Heywood konfrontiert. Bo hatte mit einem Wutausbruch reagiert und Wang am 2. Februar von seinem Posten entlassen. Wang fürchtete offensichtlich um sein Leben.

Chongqings Ex-Polizeichef Wang Lijun (Foto: Feng Li/Getty Images)
Chongqings Ex-Polizeichef Wang LijunBild: Getty Images

Die Flucht ins amerikanische Konsulat gab dem ganzen Vorfall eine internationale Dimension. Die Affäre ließ sich nicht mehr vertuschen. Die Amerikaner allerdings wollten sich aus den innerchinesischen Streitereien heraushalten. Wang blieb zwar rund 36 Stunden auf dem Gelände des Konsulats. Dann begab er sich in die Hände der chinesischen Behörden. Der ehemalige "Supercop" verschwand für Monate von der Bildfläche. Er wurde im September 2012 zu 15 Jahren Haft verurteilt. Das vergleichsweise niedrige Strafmaß dürfte er sich mit umfangreichen Aussagen über den Kreis um Bo Xilai erkauft haben.

Gu Kailai wegen Mordes verurteilt

Bereits einen Monat zuvor, im August 2012 war Gu Kailai, die Frau Bo Xilais, von einem Gericht im südostchinesischen Hefei wegen Mordes an dem Briten Neil Heywood zum Tode verurteilt, mit zweijährigem Aufschub. In der Praxis werden solche Urteile meist in lebenslange Haft umgewandelt. Das Verfahren dauerte gerade einmal sieben Stunden. Es verschleierte mehr, als es aufklärte. Zwar war von "geschäftlichen Auseinandersetzungen" die Rede, worum es genau ging, blieb jedoch im Dunkeln. Gerüchten zufolge hatte Heywood für die Familie Bo bedeutende Vermögenswerte ins Ausland transferiert. Das würde auch den aufwändigen Lebensstil des an der US-Universität Harvard studierenden Sohnes von Bo und Gu, Bo Guagua erklären. Möglicherweise sollte das Gericht hier nicht allzu genau hinschauen. Viele hohe Funktionäre besitzen Vermögen im Ausland und lassen ihre Kinder an fremden Elite-Universitäten ausbilden.

Neil Heywood vor einem Tiger-Bild in einer Pekinger Galerie (Foto: Reuters)
Der Brite Neil Heywood suchte die Nähe zur Macht - und verstrickte sich tödlichBild: Reuters

Nur um Bo Xilai selbst blieb es bis ruhig. Wohl auch, weil hinter den Kulissen um das Schicksal des 63-jährigen gerungen wurde. Zuletzt hatte man im Herbst 2012 von ihm gehört. Da wurde Bo sowohl aus der KP als auch aus dem Nationalen Volkskongress ausgeschlossen. Sein Abgeordnetenmandat hatte ihn vor Strafverfolgung geschützt. Noch am selben Tag nahm die Justiz Ermittlungen gegen ihn auf, wegen massiver Korruptionsvorwürfe und "Machtmissbrauchs". Jetzt sind diese Vorwürde zu einer Anklage geronnen. Die sei allerdings kompliziert. Der ehemalige Politstar habe sich geweigert, mit den Ermittlern zu kooperieren, zitierte das «Wall Street Journal» verschiedene Quellen, die sich mit dem Fall auskennen. Kurz vor seiner Festnahme im März 2012 hatte Bo die Korruptionsvorwürfe gegen seine Familie noch vehement zurückgewiesen. Ein Mangel an Kooperation führt in China in der Regel zu höheren Strafen. Bo Xilai drohen Strafen von 15 Jahren bis zu lebenslanger Haft. Möglich wäre sogar die Todesstrafe. Beobachter halten dies angesichts seiner Stellung als «Prinzling» allerdings für wenig wahrscheinlich.