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"China öffnet sich, EU schottet sich ab"

Yue Fu
8. April 2019

Die Handelsbeziehungen mit China verlaufen aus EU-Sicht auf keiner fairen Grundlage. Der chinesische Wirtschaftsexperte Cui Hongjian lenkt im DW-Gespräch den Fokus auf das, was China bereits tut und noch tun wird.

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Symbolbild Europa China
Bild: picture-alliance/dpa

DW: Die EU fordert mehr Fairness beim Handel und bei den bilateralen Investitionen. Sind diese Forderungen berechtigt?

Cui Hongjian: Ministerpräsident Li Keqiang muss in Brüssel viel Überzeugungsarbeit leisten. Er muss vermitteln, dass China schon viel getan hat. Auf dem Volkskongress im März wurde das "Gesetz über ausländische Investitionen in China" verabschiedet, das eine klare Antwort auf die Besorgnisse der EU gibt. Ausländischen Unternehmen wird in vielen Sektoren Inlandsbehandlung eingeräumt.

Dr. Cui Hongjian - Director of European Studies
Dr. Cui Hongjian leitet das Institut für Europastudien am China Institute of International Studies (CIIS) in PekingBild: CIIS

Gleichzeitig ist China immer noch ein Entwicklungsland. Sicherlich muss die Marktöffnung noch weiter gehen. Aber China darf nicht zugemutet werden, sich schon jetzt genauso wie die Industrienationen aufzustellen. Aber wohin die Reise geht, ist klar.

Die EU fordert Reziprozität. Wie die erreicht werden kann, bedarf intensiver Besprechungen unter Berücksichtigung der Besonderheiten in China. Viele Reformen sind im Gange. Sie können nicht über Nacht Wirkung zeigen. Sie müssen bis in jede Kommune hinein umgesetzt werden, was in dem Riesenland Zeit erfordert. Auf jeden Fall werden wir auf Arbeitsebene sachliche Gespräche darüber führen, wie wir den Erwartungen der EU-Kommission entsprechen können.

Die EU hat Ende März in einem Grundsatzpapier China als "Konkurrenten" und "systemischen Rivalen" definiert. Hat China eine Antwort darauf?

Die Definition überrascht mich nicht. In den letzten Jahren ist in der Tat eine starke Konkurrenzbeziehung zwischen China und Europa entstanden, insbesondere in den Brachen, in den China besonders gut dasteht.

Konkurrenz zwischen Volkswirtschaften ist selbstverständlich auf freien Märkten. China ist ein schnell wachsendes Land, während sich Europa mit vielen anderen Herausforderungen innerhalb aber auch außerhalb der EU konfrontiert sieht. Das führt dazu, dass die Konkurrenz intensiver geworden ist.

Das muss nicht schlecht sein. Beide Partner könnten Synergieeffekte nutzen, wie zum Beispiel bei der Erschließung von Drittmärkten.

Was die systemische Rivalität angeht, so ist Chinas Auftritt weltweit selbstbewusster geworden. Das heißt aber nicht, dass China das eigene System in andere Regionen exportieren will. In dieser Hinsicht wäre mehr Selbstbewusstsein der EU angemessen.

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Kuka wurde 2016 vom chinesischen Investor Midea übernommenBild: picture alliance/dpa/D. Qing

Die EU fordert schon eine Überprüfung der Investitionen von Nicht-EU-Staaten. Gemeint ist hier an erster Stelle China.

Die chinesischen Investitionen in der EU unterlagen in den letzten Jahren großen Schwankungen.  2016 zum Beispiel waren Investitionen aus China im Fokus deutscher Öffentlichkeit (Der chinesische Konzern Midea übernahm 2016 den deutschen Maschinenbauer Kuka für 4,6 Milliarden Euro. Anm. d. Red.). Das führte zu Sorgen und Ängsten.

In den letzten beiden Jahren gingen die Direktinvestitionen aber zurück. Zum einen haben einige EU-Staaten, unter anderem Deutschland, einschränkende Maßnahmen eingeführt. (Die Bundesregierung darf mit der Anpassung der Außenwirtschaftsverordnung vom Dezember 2018 ausländische Beteiligungen an deutschen Unternehmen schon ab zehn Prozent daraufhin überprüfen, ob Deutschlands Interessen gefährdet sind. Die Schwelle lag zuvor bei 25 Prozent, Anm. d. Red.) Zum anderen hat China den Abfluss von Kapital für Auslandsinvestitionen aufgrund neuer Verordnungen strenger reguliert.

Infografik Chinas neue Seidenstraße Deutsch

Auch Chinas Seidenstraßeninitiative wird in Europa mit Misstrauen beäugt.  Vor allem im östlichen Teil der EU investiert China sehr viel in die dortige schwache Infrastruktur. Teilweise ist vom "Ausverkauf an China" die Rede. Sind diese Sorgen berechtigt?

Die Sorgen in Europa sind bekannt. Bedenkenträger in Deutschland zum Beispiel befürchten, dass China durch massive Investitionen Europas Hightech-Branche "erobert" und sich zunutze macht.  Damit würde die Wettbewerbsfähigkeit Europas geschwächt.

Aber Fakt ist, dass China in den meisten Bereichen technisch gesehen mit Europa gar nicht auf Augenhöhe mit Europa konkurrieren kann. China sucht vielmehr technische Zusammenarbeit mit europäischen Partnern.

Gleichzeitig setzt China auf die Entwicklung von eigenen Innovationen. Das heißt nicht, dass wir die Technologien von jemand anders "klauen" und Produkte von ausländischen Firmen aus China verbannen würden. Das wäre tatsächlich gegen die Globalisierung und gegen die Grundsätze des freien Welthandels. 

Infografik Chinas Wirtschaftsinitiativen Europa DE

Was halten Sie vom Schutz sogenannter "kritischer Infrastruktur"?

Für Deutschland gehören jetzt Straßennetze, Flughäfen und Häfen auch zur kritischen Infrastruktur. In diesen Bereichen gelten strengere Kriterien für chinesische Investoren als früher.

Ich vermute, dass Europa diese Einschränkungen als Druckmittel verwenden will, um China zu mehr Öffnung zu bewegen. Und nun kommt das Ironische: China öffnet sich weiter und weiter, während Europa und Deutschland ihre Märkte abschotten. Das führt aber auch wieder zu Ungleichgewichten.

Da müssen sich beide zusammensetzen und diskutieren, wie die Reziprozität erreicht werden kann und wie die Investitionen in die kritische Infrastruktur geregelt werden. Dabei ist immer die Sachlichkeit angesagt. Übernimmt ein chinesischer Investor einen Hafen in Italien, ist das Lichtjahre entfernt von einer "strategischen Kontrolle über Europa". Die öffentliche Debatte sollte sachlich und nicht emotional geführt werden. 

Das Interview wird von Fu Yue geführt.

Cui Hongjian leitet das Institut für Europastudien am China Institute of International Studies (CIIS) in Peking.

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