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China testet unhackbaren Satelliten

16. August 2016

China hat einen neuen Kommunikationssatelliten in die Erdumlaufbahn geschossen. Er soll der erste Quantensatellit aller Zeiten sein und unentschlüsselbare Kommunikation ermöglichen. Wie funktioniert das?

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China Start Quantensatelliten
Dienstag früh: Micius startet in die ErdumlaufbahnBild: picture-alliance/AP Photo/J. Liwang

Unhackbare Kommunikation soll in Zukunft der Satellit Micius ermöglichen, der nach einem chinesischen Forscher aus dem fünften Jahrhundert vor Christus benannt ist. Die chinesische Weltraumbehörde hat ihn am Dienstag vom Satellitenbahnhof Jiuquan in der nordwestlichen Provinz Gansu ins All befördert, meldet die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua.

Der Satellit soll zwei Jahre in Betrieb bleiben und sich der Quantenkommunikation bedienen. Er ist Teil des Foschungsprojekts Quantum Experiments at Space Scale (QUESS), auf Deutsch "Quantenexperimente im Weltallmaßstab".

Gesetze der Quantenmechanik

Quantenkommunikation beruht auf dem physikalischen Prinzip der Quanteninformation und daher nicht auf den klassischen Gesetzen der Physik. Zum Beispiel lässt sich ein System, das aus zwei Teilen besteht, nicht als Kombination seiner beiden Teile beschreiben, sondern nur als Gesamtsystem, da beide Teile miteinander wechselwirken oder - wie der Fachmann sagt - miteinander "verschränkt" sind.

Quantenkommunikation, Quantencomputer und Quantenkryptographie nutzen nicht wie klassische Computer digitale Bits als kleinste Speichereinheit, sondern Qubits. Das sind Quantensysteme, die zwei Zustände annehmen können.

Quantenteleportation im großen Maßstab?

Photonen, also Lichtteilchen, können Quantenzustände zwischen zwei Systemen übertragen. Das Verfahren nennt sich Quantenteleportation. Das Interessante daran: Vom Photon, also dem Überträger der Information, lassen sich keine Rückschlüsse auf den quantenmechanischen Zustand des Systems ziehen, weil jedes Photon theoretisch unendlich viele Zustände annehmen kann.

1998 gelang es dem österreichischen Quantenphysiker Anton Zeilinger erstmals, verschränkte Zustände im Labormaßstab zu teleportieren. Seitdem hat die Fernübertragung von Quantenzuständen weitere Erfolge erzielt. Der bisherige Rekord liegt bei etwa 300 Kilometern. Gelingt der jetzige chinesische Versuch, über eine optische Verbindung zwischen Satellit und Erde Quantenzustände zu teleportieren, wäre das bisher weltweit einzigartig.

Ziel: absolut abhörsichere Kommunikation

Mit dem neuen Kommunikationssatelliten wollen die chinesischen Forscher zunächst unhackbare Informationsschlüssel vom Satelliten an die Erde senden. Dabei strebt Peking offensichtlich mehr an als Erkenntnisse für die Grundlagenforschung: "Die Quantenkommunikation ermöglicht ultrahohe Sicherheit, weil Quantenphotonen weder geteilt noch verdoppelt werden können", so die Stellungnahme in Xinhua. "Es ist folglich unmöglich, sie abzuhören, abzufangen oder die Information, die so gesendet wird, zu entschlüsseln." Präsident Xi Jinping hat dem Projekt politischen Vorrang eingeräumt.

Quantenteleportation Foto: picture-alliance/dpa/dpaweb/C. Lackne
Mit diesem Versuchsaufbau gelang es 2005, Quantenzustände von einem Atom auf ein anderes zu teleportierenBild: picture-alliance/dpa/dpaweb/C. Lackner

Politische und militärische Ambitionen

Der leitende Wissenschaftler des Projekts, Pan Jianwei, wird von Reuters mit den Worten zitiert: "Der neu gestartete Satellit markiert einen Übergang von Chinas Rolle als Nachzügler in der klassischen Kommunikationstechnik zu einem Führer bei den Errungenschaften der Zukunft."

Ob die Quantenfernteleportation überhaupt gelingt und daraus eine praktische Anwendung folgt, ist indes fragwürdig. Quantencomputer, die auf dem Prinzip der Quantenmechanik beruhen, sind bislang ein theoretisches Konzept geblieben. Im Mai stellte IBM einen virtuellen Quantencomputer der Öffentlichkeit vor, an dem sich jeder Interessierte anmelden und online experimentieren konnte.

Hoi Fung Chau, ein Universitätsprofessor für Quantenphysik aus Hong Kong, erklärte gegenüber AP, dass er den Erfolg der Experimente durchaus für möglich halte: "Es gibt die Theorie. Die Technik ist schon fast da. Es ist nur eine Frage der Zeit."

Bei der Entwicklung von Quantenkommunikation und Quantencomputern sieht sich China in einem Wettlauf mit anderen führenden Industrienationen wie den USA und Japan. Der Satellitenversuch lässt sich also vorwiegend als politisches und militärisches Signal verstehen. Darauf deutet auch die Ortswahl beim Einsatz des Satelliten hin: Xinhua betont, dass der Satellit genutzt werden solle, um einen Kommunikationsweg zwischen Peking und Urumtschi herzustellen, der Hauptstadt der westlichen Unruheprovinz Xinjiang, in der etwas weniger als die Hälfte der Bevölkerung muslimische Uiguren sind.

fs/bo (Reuters, AFP, AP, dpa)