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Film

Partnerland Chile auf der Berlinale

Julia Brekl
19. Februar 2020

Chile ist dieses Jahr Gastland des European Film Markets der Berlinale. EFM Direktor Matthijs Wouter Knol spricht im DW-Interview über die Filmindustrie des Andenstaats und die Zusammenarbeit mit Deutschland.

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Matthijs Wouter Knol
Matthijs Wouter KnolBild: EFM/Angela Regenbrecht

Parallel zur Berlinale startet am 20. Februar der European Film Market in Berlin, eine der größten Filmmessen weltweit. Zukünftige Filmemacher und Förderer treffen sich hier. Bis zum 28. Februar gibt die Messe Einblicke in aktuelle und zukünftige Trends des Filmgeschäfts. Die Sektion "Land in Focus” stellt jedes Jahr die Filmindustrie eines Landes in das Rampenlicht der Messe. Diesmal ist es die chilenische Filmszene.

Deutsche Welle: Herr Knol, warum ist dieses Jahr die Entscheidung auf Chile als Land im Fokus gefallen?

Matthijs Wouter Knol: Gute Frage! Das ist gar nicht immer so klar, warum es plötzlich von einem Land zum anderen geht. Es ist in irgendeiner Form ein Ergebnis von Gesprächen und Entwicklungen, die in den letzten zwei bis drei Jahren im Markt stattfinden. Wir hatten 2017 die Reihe "Land im Fokus" mit Mexiko zum ersten Mal eröffnet. Darüber hinaus hatten wir bisher sehr gute Erfahrungen im lateinamerikanischen Bereich gesammelt. Aber eigentlich war es nicht Absicht, nach ein paar Jahren schon wieder in Lateinamerika zu landen. Es gibt ja viele Länder, mit denen man ein schönes Programm zusammenstellen könnte. Dann hat Chile mit "Fantastic Woman" 2018 den Oscar für den besten ausländischen Film gewonnen. Das war in dem Moment Anlass für Chile, beim EFM aktiv nachzufragen, die sich sehr stark entwickelnde chilenische Industrie in Europa vorzustellen. Für uns war das ein schönes Zusammentreffen, auch weil der Film 2017 auf der Berlinale Premiere gefeiert hatte. Wenn man sich in der südamerikanischen Filmindustrie umschaut, dann ist Chile zusammen mit Brasilien auf jeden Fall eins der spannendsten Länder, wo am meisten stattfindet.

Filmstill: A fantastic woman, Daniela Vega, 2017
Die Schauspielerin Daniela Vega in dem Film "Fantastic Woman" (Una mujer fantástica).Bild: picture-alliancdpa/Everett Collection/Sony Pictures Classics

Was macht denn das chilenische Kino so spannend?

Es ist natürlich eine Geschmackssache, ob man die Filme aus Chile mag oder nicht.  In den letzten 10 Jahren ist aber eine große Vielfalt im chilenischen Kino entstanden. Das ist auch CinemaChile zu verdanken, der Agentur, die sich der Bekanntmachung von chilenischen Filmen im Ausland widmet. Inzwischen arbeiten chilenische Filmemacher wie die Brüder Larraín oder Sebastian Lelio, der Regisseur von "Fantastic Woman" auch an internationalen, nicht-spanischen Projekten. Das ist natürlich nicht das einzige, woran man misst, ob ein Land eine spannende Filmindustrie hat. Aber es fällt sehr auf, dass da in den letzten zehn Jahren sehr viel passiert ist und man dadurch sowohl eine neue Generation als auch eine alte Generation von Filmemachern neu entdeckt hat.

Bis in die 1990er Jahre hat das Land eine Militärdiktatur erlebt, die kaum Raum für Kultur ließ…

Es gab trotz alledem vorher natürlich auch Filmemacher, die schon länger aktiv waren. Zum Beispiel Raúl Ruiz, der inzwischen verstorben ist und dessen Film "El Tango del Viudo" aus dem Jahr 1967 dieses Jahr bei der Berlinale nochmal gezeigt wird. In den Geschichten des chilenischen Kinos merkt man aber, dass die Vergangenheit und der Umbruch in der Geschichte immer noch eine große Rolle spielen.

2018 wurde zwischen Chile und Deutschland ein Abkommen für Koproduktionen abgeschlossen, dass die Realisierung von gemeinsamen Produktionen erleichtern soll. Gibt es schon Projekte, die aus diesem Abkommen realisiert wurden?

Soweit ich weiß, befindet sich dieses Abkommen noch im Prozess. Wie so oft bei Koproduktionsabkommen zwischen zwei Ländern bedeutet das nicht, dass sofort mehr Produktionen entstehen. Ob dann tatsächlich eine Koproduktion zustande kommt, hängt dann auch immer mit Ideen und dem Interesse von Filmemachern zusammen. Letztendlich auch mit der Tatsache, wie bekannt dieses Abkommen ist. Meine Erfahrung ist, dass manchmal viele gar nicht davon wissen. Also bisher hat das Abkommen zu keinen großen neuen Flüssen an deutsch-chilenischen Koproduktionen geführt. Aber das kann ja noch kommen. Zwei Jahre sind in einem Filmproduktionsleben keine lange Zeit.

Berlinale European Film Market
Der European Film Market befindet sich im Martin-Gropius-Bau.Bild: picture-alliance/dpa

Wie gut kommen lateinamerikanische Filme beim europäischen Publikum an?

Seitdem ich vor sechs Jahren beim EFM die Leitung übernommen habe, habe ich das Gefühl, dass das Interesse am lateinamerikanischem Kino nach wie vor groß ist und es dafür auch ein Nischenpublikum gibt. Das iberoamerikanische Kino ist in den letzten 10 Jahren deutlich größer geworden. Mittlerweile ist die Produktion und Infrastruktur in Lateinamerika gewachsen und dadurch ist auch das Marketing besser geworden. Nicht zuletzt gibt es ja auch viele spanischsprachige Menschen in Europa. Nach meiner Erfahrung haben Titel aus Lateinamerika auf dem europäischen Markt weniger Schwierigkeiten als Titel aus Asien. Vor kurzer Zeit sah ich im Kino auch einen Trailer, in dem verschiedene spanischsprachige Filme vorgestellt wurden. Von diesen Filmen war etwa die Hälfte aus Chile. Das zeigt auch nochmal, dass das spanischsprachige Kino heutzutage sehr mit Chile verbunden ist.

Sie sprechen geradezu von einem blühenden chilenischen Kino. Trotzdem findet sich dieses Jahr aber nur ein chilenischer Film im Programm der Berlinale. Wie kommt das?

Da müssen Sie meine Kollegen fragen, die das Programm der Berlinale zusammenstellen. Der European Film Markt ist zwar ein Teil der Berlinale, aber dennoch ist unsere Arbeit komplett unabhängig von der Programmauswahl der Berlinale. Was aus einem Land auf dem Festival gezeigt wird, hat auch damit zu tun, was aus einem Land eingereicht wurde. Im Markt werden mehrere chilenische Filme gezeigt. Aber es wäre natürlich schön, wenn dann auch im Festival viele Filme aus dem jeweiligen Land zu sehen sind. Das ist dann dieses Jahr leider nicht so.

Welche Verbindung haben chilenische Filmemacher mit Deutschland?

In Vorbereitung auf das diesjährige Programm hatte ich vor anderthalb Jahren die Chance, Chile zu besuchen. Dort habe ich gemerkt, was die Chilenen für ein großes Interesse an der deutschen Kultur, Sprache und Geschichte haben. Zum einen gibt es viele historische Verbindungen zwischen beiden Ländern, da seit dem frühen 19. Jahrhundert viele Deutsche nach Chile ausgewandert sind. Die Menschen haben zum Teil heute noch deutsche Nachnamen oder es gibt sogar ganze Dörfer oder Städte, die noch eine deutsche Kultur leben. Es gibt also in Chile eine starke Anbindung an Europa, ähnlich wie in Argentinien. Das spiegelt sich nicht nur in den audiovisuellen Arbeiten der Filmemacher wider, sondern auch in einem gegenseitigen Interesse, miteinander zu arbeiten und gemeinsam Filmförderungen zu beantragen.