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Politik

Oberbürgermeisterin tadelt Merkel

2. November 2018

Andere Bundespolitiker waren nach den ausländerfeindlichen Ausschreitungen in Chemnitz im August längst schon in der sächsischen Stadt. Dass Kanzlerin Merkel erst am 16. November kommen will, stößt auf Kritik.

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Symbolbild Rechtsextreme in Chemnitz
Eine Kundgebung rechtsgerichteter Gruppen am 27. August in ChemnitzBild: Reuters/M. Rietschel

Die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig hat Bundeskanzlerin Angela Merkel für ihr Fernbleiben nach den Ausschreitungen im August kritisiert. Sie habe Merkel bereits Anfang September eingeladen, sagte die SPD-Politikerin in Halle. "Es hat leider so lange gedauert, andere Dinge waren wichtiger." Der Besuch der CDU-Vorsitzenden in Chemnitz in zwei Wochen komme viel zu spät und werde die Stadt erneut aufwühlen, so Ludwig. Merkel will am 16. November die sächsische Stadt besuchen und dort unter anderem mit Lesern der Zeitung "Freie Presse" diskutieren. Für diesen Tag sind Proteste gegen den Merkel-Besuch angekündigt.

Die Bundeskanzlerin habe ihre Entscheidungen zur Migration 2015 nie richtig erklärt, sagte Ludwig. Damit sei Vertrauen in den Staat verloren gegangen. Das spüre "man heute noch, wenn es um das Thema Sicherheit geht". Insofern bedauere sie sehr, dass Merkel erst Mitte November komme. "Das wird sicher wieder ein schwieriger Tag für Chemnitz", sagte die Oberbürgermeisterin.

Deutschland PK Videoüberwachung Chemnitz Barbara Ludwig
Not amused: die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara LudwigBild: Imago/Härtelpress

Sie räumte ein, dass kurze Besuche von Politikern nichts Grundsätzliches änderten. Die Probleme vor Ort seien nicht erledigt, wenn Bundespolitiker "für wenige Stunden" kämen und dann wieder wegführen. Ähnlich hatten sich am Donnerstag Chemnitzer Bürger nach einer sogenannten Kaffeetafel mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier geäußert.

Ausschreitungen international beachtet

In Chemnitz war es Ende August zu zahlreichen Demonstrationen auch rechter Gruppen gekommen, die teilweise in Gewalttätigkeiten mündeten. Auslöser war der gewaltsame Tod eines 35-jährigen Deutschen, der mutmaßlich von Asylbewerbern erstochen wurde. Die fremdenfeindlichen Ausschreitungen sorgten über die Grenzen Deutschlands hinaus für Aufsehen.

Mehrere Demonstrationsteilnehmer wurden inzwischen unter anderem wegen Zeigen des Hitlergrußes in Schnellverfahren verurteilt. Die Stadt war in den vergangenen Wochen wiederholt Schauplatz rechter Aufmärsche. Zudem wurde ein jüdisches Restaurant in Chemnitz angegriffen, später wurde auch ein Brandanschlag auf ein ausländisches Restaurant verübt.

Am Donnerstag hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Chemnitz unter anderem mit Bürgern gesprochen. Er warb für einen Dialog ohne Hass und Gewalt. Von Hetzern und Verfassungsfeinden müsse sich jeder abgrenzen, forderte Steinmeier. Zugleich verurteilte er erneut die ausländerfeindlichen Übergriffe vom August. Die schwere Straftat müsse geahndet werden, gleichgültig von wem sie begangen worden sei. "Aber eins ist klar: Der Staat, und nur der Staat, ist für Sicherheit und Strafverfolgung zuständig", betonte Steinmeier. Eine Grenze sei überschritten worden, als die aufgewühlte Stimmung missbraucht worden sei, um Hass auf Ausländer zu schüren.

Am Samstag wird Bundesfamilienministerin Franziska Giffey zum zweiten Mal in Chemnitz erwartet. Dort will sich die SPD-Politikerin unter anderem mit Vertretern von Opferberatungsstellen und Unternehmen treffen. In einem Gespräch mit Ludwig soll es zudem um die Förderung der Demokratie in Chemnitz gehen. Das Bundesfamilienministerium beteiligt sich an der Finanzierung von Projekten gegen Extremismus und für Demokratie. Giffey hatte bereits wenige Tage nach der Gewalttat und den folgenden Ausschreitungen als erstes Mitglied der Bundesregierung Chemnitz besucht.

kle/uh (dpa, epd, afp)