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Politik

Tauwetter zwischen Deutschland und der Türkei?

11. Januar 2018

Monatelang herrschte Eiseskälte im deutsch-türkischen Verhältnis. Inzwischen gibt es immer mehr Signale für eine Entspannung. Und Präsident Erdogan will offenbar die Kanzlerin in der Türkei empfangen.

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Deutschland Bundeskanzlerin Angela Merkel und Recep Tayyip Erdogan in Hamburg
Bild: picture-alliance/POP-EYE/B. Kriemann

"Ich respektiere Frau Merkel sehr. In den vergangenen fünf, sechs Jahren ist sie die einzige echte Anführerin in Europa gewesen." Schon besser, zwei Mal hinzuschauen, wer das gerade gesagt hat. Tatsächlich, es ist der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu, der das am Mittwoch Abend in Antalya, seinem Heimatort, deutschen Journalisten mitteilte. Hatten nicht Deutschland und die Türkei große Teile des letzten Jahres in heftiger gegenseitiger Abneigung verbracht? Immer wieder hatte Präsident Recep Tayyip Erdogan den Deutschen "Nazi-Methoden" vorgeworfen. Gleichzeitig kritisierten die Deutschen offen den Weg der Türkei in eine Autokratie, geißelten Menschenrechtsverletzungen und die Verhaftungen etwa von Journalisten.

"Jetzt den Dialog aufrecht erhalten!"

Und jetzt das: Wenn denn in Deutschland demnächst eine Regierung mit Angela Merkel an der Spitze zustande komme, dann werde Erdogan die Kanzlerin in die Türkei einladen, so der türkische Außenminister. Oder Erdogan könne auch nach Deutschland kommen. Mehrfach habe Erdogan zuletzt mit Merkel, die derzeit als amtierende Bundeskanzlerin die Geschäfte in Berlin führt, und auch mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier telefoniert. "Wir sollten den Dialog aufrecht erhalten", sagte Cavusoglu nun. Zuletzt hatte Merkel vor gut einem Jahr die Türkei besucht, noch vor dem Verfassungsreferendum, dass dann im April Erdogan weitreichende Vollmachten einräumte und in Europa heftig kritisiert wurde. Damals hatte Merkel auf die Einhaltung von Menschenrechten in der Türkei gepocht: "Opposition gehört zu einer Demokratie dazu." Und beim G20-Gipfel in Hamburg im Sommer waren Merkel und Erdogan sichtbar frostig miteinander umgegangen (siehe Bild oben).

Journalist Deniz Yücel (Ausschnitt)
Seit bald einem Jahr ohne Anklage in der Türkei in Haft: Der deutsche Journalist Deniz Yücel, dem Präsident Erdogan Terrorunterstützung vorwirft. Bild: picture-alliance/Eventpress/Stauffenberg

Massenhaft deutsch-türkische Baustellen

Der Ausgang des Referendums im April letzten Jahres, vor allem die Tatsache, dass immer wieder türkische Regierungsmitglieder zuvor in Deutschland für die Haltung von Präsident Erdogan Werbung bei den stimmberechtigten über eine Million Türken machten oder machen wollten, hatten die Beziehungen eingetrübt. Und natürlich die aus deutscher Sicht willkürlichen Verhaftungen von Deutschen oder Deutsch-Türken in der Türkei. Der im Juli festgenommene deutsche Menschenrechtler Peter Steudtner wurde im Oktober überraschend freigelassen, nachdem sich sowohl Alt-Kanzler Gerhard Schröder als auch Merkels Kanzleramtsminister Peter Altmeier (CDU) bei geheimen Türkeibesuchen für ihn eingesetzt hatten. Der Prozess gegen ihn wegen Terrorunterstützung läuft zwar weiter, Steudtner ist aber wieder in Deutschland. Auch die Übersetzerin und Journalistin Meşale Tolu, im April festgenommen, kam kurz vor Weihnachten unter Auflagen frei. Sie darf die Türkei aber nicht verlassen.

Fall Deniz Yücel bleibt der Prüfstein

Bleibt noch die schwerste Belastung des deutsch-türkischen Verhältnisses: Die Festsetzung (bisher ohne jede Anklage) des Journalisten Deniz Yücel, der seit fast einem Jahr hinter Schloß und Riegel sitzt. Den deutschen Vorwurf, Yücel werde aus politischen Motiven festgehalten, wies Cavosoglu nun erneut zurück: "Ich versichere Ihnen, Deniz Yücel ist kein politisch motivierter Fall. Was ist mein Vorteil, wenn ich Deniz Yücel inhaftiere? Was werde ich im Gegenzug bekommen? Nichts. Es vergiftet unsere Beziehungen. Gefällt mir das? Nein. Aber ich kann nicht in die Justiz eingreifen, nur um dieses Problem loszuwerden." Das genau bezweifeln Experten und Verantwortliche auf der deutschen Seite. Selbst hochrangige Politiker, etwa Außenminister Sigmar Gabriel (SPD), hatten mehrfach offen von Yücel als einer Geisel des türkischen Präsidenten gesprochen.

Goslar Sigmar Gabriel L SPD trifft den Außenminister der Türkei Mevluet Cavusoglu
Türkischer Tee als Mittel der Entspannung: Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) und sein türkischer Kollege Cavusoglu am vergangenen Wochenende in Golslar.Bild: Imago/photothek/F. Gaertner

Türkischer Tee als Mittel der Entspannung

Genau dieser Sigmar Gabriel hatte am vergangenen Wochenende Cavosoglu in seinem Wohnhaus in Goslar empfangen und ihn mit türkischem Tee bewirtet. Es gilt als offenes Geheimnis, dass geschickte Diplomatie und wirtschaftlicher Druck mitgeholfen haben, Bewegung in den festgefahrenen Streit zwischen Berlin und Ankara zu bringen. Gabriel hatte wiederholt vor Reisen in die Türkei gewarnt, tatsächlich waren die Zahlen deutscher Touristen in der Türkei zurückgegangen. Zuletzt hatte Gabriel betont, bei der Zusammenarbeit etwa im Rüstungsbereich werde Deutschland gegenüber dem Nato-Mitglied Türkei so lange äußerst zurückhaltend bleiben, solange Yücel in Haft sitzt. Es bewegt sich was im deutsch-türkischen Verhältnis, was das für Deniz Yücel bedeutet, bleibt abzuwarten.