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Bush distanziert sich von Bush

Daniel Scheschkewitz26. Oktober 2006

Präsident Bush hat eine semantische Korrektur in seiner Irakpolitik vollzogen. Inzwischen lautet die Parole nicht mehr "Kurs halten" , sondern Strategiewechsel. Das Ziel bleibt gleichweit entfernt: ein befriedeter Irak.

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Daniel Scheschkewitz

Der Oktober entwickelt sich für die USA zu einem traurigen Rekordmonat. Noch nie war in diesem Jahr die Zahl der getöteten US-Soldaten im Irak höher. Und dass wenige Tage vor der Kongresswahl , die darüber entscheiden wird, ob Präsident Bush in Zukunft weiter mit Ja-Sagern im Parlament rechnen kann, oder ob ihm künftig ein eisiger Oppositionswind ins Gesicht bläst. Viel spricht für Letzteres.

Der Irakkrieg ist das alles beherrschende Thema im Wahlkampf landauf und landab. Und das, obwohl auch die Demokratische Partei keine überzeugende Alternative anzubieten hat. Das Gefühl, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann, ist jedoch überall greifbar. Inzwischen gibt es sogar Websites auf denen amerikanische Soldaten zur Beendigung des Krieges und zum Truppenabzug aufrufen.

Kurs? Welcher Kurs?

Pentagonchef Donald Rumsfeld ficht das alles nicht an. Ihm hat Präsident Bush in dieser Woche nochmal ausdrücklich den Rücken gestärkt. Dabei gilt es unter Militärexperten inzwischen als ausgemachte Sache, dass es ein strategischer Fehler war, mit einem relativ kleinen Kontingent den Krieg zu riskieren. Um den Frieden abzusichern, hätte es eben vieler Soldatenstiefel am Boden bedurft.

Doch aus den Fehlern , die inzwischen selbst Präsident Bush unumwunden zugibt , werden keine Konsequenzen gezogen. Weder personell - siehe Rumsfeld - noch inhaltlich. Statt dessen versucht man die Wähler mit rhetorischem Schnickschnack zu beeindrucken. Tony Snow, Bushs Pressesprecher und oberverantwortlicher "Spindoktor", kündigte Anfang der Woche an, der Präsident werde nicht mehr davon reden, dass man im Irak Kurs halte. Das habe den Eindruck erweckt , man sei unflexibel. Zwangsläufig fragt man sich, welchen Kurs?

Es darf gerätselt werden

Hatte man im Weißen Haus jemals einen Plan, wie der Irak zu befrieden ist? Oder war es nicht vielmehr so , wie es Präsident Bush noch im Wahlkampf des Jahres 2000 angekündigt hatte: Amerika baut keine Nationen. Entsprechend gab es auch keinen Plan für den politischen Wiederaufbau im Irak. Nun redet man von taktischen Anpassungen an die Realität. Und wieder fragt sich der Wähler, was sich dahinter verbirgt? Mehr Soldaten oder weniger, mehr irakische Eigenverantwortung oder vielleicht doch lieber permanente US-Militärbasen zwischen Euphrat und Tigris?

Oder hat man sich inzwischen gar mit Dreiteilung des Landes abgefunden? Es darf gerätselt werden. Der Wähler wird es jedenfalls nicht erfahren. Den versucht man auch weiterhin mit Macho-Posen zu beeindrucken. Die Demokraten seien die Partei, die im Irak die Flucht ergreifen wolle und wer vom Truppenabzug rede, wolle die Niederlage. Im Wahlkampf schimpfen republikanische Kandidaten auf Washington als habe man dort nicht seit Jahren alle Macht.

Wie lange trügt der Schein?

Politik ist in den USA vor allem Verpackung. Und in der Vermarktung ihrer politischen Inhalte sind die Republikaner den Demokraten seit langem überlegen. Doch der Schein trügt die Wähler nicht auf alle Ewigkeit. Auch die Fernsehbilder von Gewalt und Chaos entfalten ihre ganz eigene Wirkung. Die nackten Zahlen auch. Fast einhundert Tote US-Soldaten in einem einzigen Monat - an dieser fürchterlichen Wahrheit kommen auch die Spindoktoren im Weißen Haus nicht vorbei.