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Busen verboten

Marcus Bösch10. Oktober 2002

Sex, Gewalt und Flüche schneiden amerikanische Videofirmen auf Wunsch einfach aus dem Film. "Sauberen Spaß" versprechen die selbsternannten Sittenwächter. Schwappt die neue Moral-Welle bald nach Deutschland?

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"ohne anstößige Elemente"Bild: Paramount Pictures

Einige Sekunden lang kann man die Brüste von Kate Winslet sehen. Schließlich hat sie sich mit ihrem Liebsten Leonardo DiCaprio ins Innere der Titanic zurückgezogen um Liebe zu machen. Einige Sekunden lang kann man dem munteren Treiben der beiden durch eine – langsam beschlagende Fensterscheibe – zusehen. Einige Sekunden zu lang. Meinen jedenfalls Amerikas neue Tugendwächter.

Moralische Mission

Angeführt wird die neue Moral-Bewegung von der Video-Kette "CleanFlicks". Bereits in 70 Filialen und im Internet verkauft und verleiht das in Salt Lake City im Mormonen-Bundesstaat Utah ansässige Unternehmen eigens zensierte Hollywood-Filme. Als Extraservice bietet "CleanFlicks" seinen Kunden eine Grundreinigung der privaten Videokollektion an. Sex- und Gewaltszenen fallen den Cuttern von "CleanFlicks" gnadenlos zum Opfer.

"Unsere Mission ist es, den Zuschauern einen Zugang zu Hollywood-Entertainment ohne anstößige Elemente anzubieten", erklärt ein Unternehmenssprecher von "CleanFlicks". Puritanische und religiöse Bevölkerungsgruppen jubeln. Weniger erfreut äußern sich hingegen betroffene Filmemacher. "Es ist eine Schande", erbost sich Martha Coolidge, Präsidentin der Regisseursvereinigung Directors Guild of America (DGA). Szenen aus Filmen herauszuschneiden, sei ebenso falsch, wie Seiten aus einem Buch herauszureißen, bloß weil einem dort etwas nicht gefalle.

Stars gegen Sittenwächter

Inzwischen haben die Sittenwächter von "ClearFlicks" einen juristischer Streit der Extraklasse vom Zaun gebrochen. Bereits vorsorglich hatten sie im August medientauglich Klage gegen Regisseur-Legenden wie Steven Spielberg, Robert Altmann und Robert Redford eingereicht. Ein Bundesrichter sollte bestätigen, dass die Firma das Recht habe, Videos und DVDs für den privaten Gebrauch zu bearbeiten.

Steven Spielberg
Steven SpielbergBild: AP

Juristisch nachgezogen hat die Regisseursvereinigung im September. Die DGA wirft "CleanFlicks" und zwölf weiteren Unternehmen vor, Filme illegal bearbeitet und wiederverkauft zu haben. Urteile im Prozess um Urheberrechte und Markenverletzung stehen in den Vereinigten Staaten noch aus.

Zensur made in Germany?

Ganz anders die Situation in Deutschland. Klare Gesetzesregelungen und ein starkes Urheberrecht verbieten filmische Zensur und deren Weitervertrieb. "Da muss eine geschlossene Rechtskette bestehen; vertraglich geregelt zwischen Produzent und Firma", erklärt Dr. Oliver Castendyk, Direktor des Erich Pommer Institus für Medienrecht im Gespräch mit DW-WORLD.

Ein relativ hoher Jugendschutzstandard verhindere zudem die Bildung eines Zensur-Marktes in Deutschland. Von einer herüberschwappenden Moral-Welle hält Castendyk nichts. "Solche Wellen aus den USA haben sich in den seltensten Fällen bedeutsam auf die europäischen Gesellschaften ausgewirkt", konstatiert der Medienforscher.


Do-it-yourself

Zumindest am heimischen Rechner aber können auch besorgte Eltern und Freizeit-Sittenwächter in Europa die Moral retten. Und mit Softwareprogrammen wie MovieMask oder ClearPlay persönlich Zensurbehörde spielen. Das Prozedere klingt zunächst denkbar einfach: DVD einlegen, Zensurstufe auswählen, fertig. Bei näherer Betrachtung allerdings, ist das Angebot nur noch halb so verlockend.

Digital Video Player DVD
DVD-PlayerBild: AP

Denn MovieMask beispielsweise, hat im Moment nur knapp 90 Hollywood-Streifen (Originalversion) in der Zensurdatenbank. Für 34.95 Dollar finden Flüche dann nur noch auf der Ebene der "dummen Nuss" statt und Gewalt jenseits der "Sahnetorte im Gesicht" ist verboten. Nackte Busen – auch der von Kate Winslet – sind selbstverständlich absolut tabu.