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Bundestag berät neues Flüchtlingsgesetz

Kay-Alexander Scholz, Berlin12. Januar 2016

Welche Gesetze könnten die Flüchtlingsbewegung ordnen? In Berlin wird viel debattiert, einiges ist noch geplant. Der Bundestag berät in dieser Woche über ein neues Gesetz zur besseren Registrierung von Asylsuchenden.

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Deutschland Flüchtlinge in Berlin LaGeSo (Foto: Dpa)
Bild: picture alliance/dpa/K. Nietfeld

Es gibt viele Baustellen in der deutschen Asylpolitik. Derzeit versucht die Regierung Merkel, mit neuen Gesetzen mehr Ordnung und System in die Situation zu bringen, die manche ein "Flüchtlingschaos" nennen. Im Jahr 2015 wurden laut Statistik des Bundesinnenministeriums bundesweit 1,1 Millionen Flüchtlinge gezählt, aber nur rund eine halbe Million von ihnen hat auch einen Asylantrag gestellt.

Weitere Menschen sollen ins Land gekommen sein, ohne dass sie registriert wurden. Dabei ist eine Registrierung in fünf verschiedenen Behörden möglich. Deren Daten sind aber nicht kompatibel: Sie verwenden teilweise unterschiedliche Software und sind nicht miteinander vernetzt. So gibt es neben den Nichtregistrierten auch Menschen, die gleich mehrfach registriert wurden.

Ein neues Gesetz soll den Datenaustausch verbessern. Das Ziel: Pro Person wird ein zentraler Datensatz im Ausländerzentralregister angelegt. Darauf sollen künftig alle Behörden Zugriff haben. Neben den Personalien werden weitere Daten gespeichert: Fingerabdrücke, das Herkunftsland, die Handynummer, Informationen über Impfungen, Röntgenuntersuchungen und andere Gesundheitsinformationen, Angaben über die Ausbildung und Qualifikation.

"Digitalisierung" der Personendaten

Von der Erfassung der Fingerabdrücke erhoffen sich die Behörden eine eindeutige Identifikation der Personen. Alle Dienststellen sollen deshalb mit dem Fingerabdruck-Schnell-Abgleichsystem "Fast-ID"ausgerüstet werden. Das könnte auch den schnellen Abgleich mit den Daten des Bundeskriminalamts (BKA) erleichtern. Der Verfassungsschutz soll keinen Zugriff auf die Daten haben.

Zwar nehmen zum Beispiel die Behörden in Bayern, wo die Mehrheit der Flüchtlinge ankommt, schon jetzt Fingerabdrücke. Das ist europarechtlich so vorgeschrieben, damit der "Dublin-Abgleich" stattfinden kann, ob jemand über ein "sicheres Drittland" eingereist ist und wieder dorthin zurückgeschickt werden kann. Doch bisher sind die Fingerabdrücke nicht immer bundesweit lesbar.

Kommt der Wohnortzwang?

Zusammen mit Sachverständigen hat der Innenausschuss des Bundestages das Gesetz beraten. Ein Vertreter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) begrüßte das Gesetz ausdrücklich, weil es drei Ziele verfolge: die eindeutige Identifikation, die Vermeidung doppelter Informationen und eine bessere Steuerung.

Die Steuerung will das neue Gesetz dadurch verbessern, dass in den Datensätzen auch die Zielaufnahme-Einrichtung gespeichert wird, also der dem Asylbewerber zugewiesene Wohnort.

Flüchtlinge werden in Deutschland nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel über das ganze Land verteilt. Doch nicht alle halten sich daran, sondern ziehen aus den Dörfern, denen sie zugeteilt wurden, weiter in die Großstädte und Ballungsräume.

Bundesinnenminister Thomas de Maiziere hält den "Ankunftsnachweis" in der Hand (Foto: dpa)
Bereits Anfang Dezember stellte Bundesinnenminister Thomas de Maiziere den "Ankunftsnachweis" vorBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Dem soll jetzt Einhalt geboten werden, indem ab Februar damit begonnen werden soll, sogenannte Ankunftsnachweise auszustellen, also so etwas wie einen Flüchtlingsausweis. Den bekommt man nur dort, wohin man geschickt wird. In einem zweiten Schritt soll auch die Zahlung von Sozialleistungen an den Ausweis gekoppelt werden.

Daran gab es Kritik: Flüchtlinge dürften nicht in strukturschwachen Gebieten festgehalten werden, wo es kaum Arbeitsplätze gebe. Damit werde die Integration in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft erschwert, kritisierte die Hilfsorganisation "Pro Asyl" die geplante "Wohnsitzauflage".

Welche Folgen hat der neue Flüchtlingsausweis?

Das Gesetz soll auch das BAMF entlasten, das mit einem Rückstand von 660.000 unbearbeiteten Asylanträgen ins neue Jahr gestartet ist. 900 Mitarbeiter seien mit der Registrierung beschäftigt, man erhoffe sich eine Entlastung, sagte der BAMF-Sprecher. Welche Folgen der Rückstau hat, erläuterte der Leiter der größten Ausländerbehörde in Deutschland, Engelhard Mazanke aus Berlin. Dort dauere es durchschnittlich fünf Monate, bevor jemand überhaupt einen Asylantrag stellen könne. Um diese Zwischenzeit geht es, wenn nun ein Flüchtlingsausweis ausgestellt werden soll.

Darüber, welcher rechtlicher Status mit dem Ausweis verbunden ist, gab es unterschiedliche Meinungen in der Anhörung. Der Verwaltungsrichter Hans-Hermann Schild sprach von einer "faktischen Duldung". Ole Schröder, Staatssekretär im Innenministerium, wies das zurück. Schild prophezeite eine Prozesslawine, weil mit einer Duldung auch andere Sozialleistungen verbunden wären. Nebenbei bemerkte er, dass nach Europarecht spätestens nach acht Tagen ein Asylantrag gestellt werden können müsste. Noch gebe es keine Klagewelle, aber manche Anwälte würden hier schon ein Geschäft wittern.

Bis zum Ende der Woche soll der Bundestag über das Gesetz abschließend beraten. Ab Februar ist die flächendeckende Einführung geplant.