Bundesliga-Pilotprojekt: mehr Transparenz beim Videobeweis
28. Januar 2025Bayern gegen Kiel, Leverkusen gegen Hoffenheim, Frankfurt gegen Wolfsburg und St. Pauli gegen Augsburg in der Bundesliga sowie Düsseldorf gegen Ulm in der 2. Liga. Das sind am 20. Spieltag (31. Januar bis 2. Februar 2025) die ersten fünf Partien des Pilotprojekts, bei dem Schiedsrichter ihre Entscheidungen nach Eingreifen des Video-Assistenten über Lautsprecher im Stadion verkünden.
Für die Testphase wurden die Stadien der neun Vereine ausgewählt, die in der Deutschen Fußball Liga (DFL) Mitglieder der Kommission Fußball sind: FC Bayern München, Bayer 04 Leverkusen, Borussia Dortmund, RB Leipzig, Eintracht Frankfurt, SC Freiburg, FC St. Pauli, Fortuna Düsseldorf, Spielvereinigung Greuther Fürth. Wir beantworten die wichtigsten Fragen:
Seit wann gibt es Videoassistenten im Fußball?
2016 erlaubte das International Football Association Board (IFAB), die oberste Regelbehörde im Fußball, Tests mit Video Assistant Referees (VAR). In den Niederlanden war schon seit Jahren damit experimentiert worden, bei strittigen Situationen zusätzliche Unparteiische einzusetzen, die per Videoanalyse die Entscheidung des Schiedsrichters überprüfen und gegebenenfalls eingreifen sollten. Bei einem niederländischen Pokalspiel im Herbst 2016 wurde erstmals eine Schiedsrichter-Entscheidung aufgrund eines VAR-Einspruchs revidiert.
In der deutschen Bundesliga wurde der VAR zur Saison 2017/18 eingeführt. Zu diesem Zeitpunkt wurden nach Angaben des IFAB bereits in 15 Staaten Videoassistenten eingesetzt, darunter Frankreich, Italien, Brasilien, Australien, den USA sowie Saudi-Arabien und Katar. 2018 nahm das IFAB den VAR in das Fußballregelwerk "Laws of the Games" auf. Angesichts des hohen technischen und damit auch finanziellen Aufwands bleibt es allerdings den nationalen Verbänden überlassen, ob sie Videoassistenten einsetzen oder nicht.
Wann soll der VAR eingreifen?
Der VAR soll sich laut IFAB nur bei "klaren und offensichtlichen Fehlentscheidungen oder schwerwiegenden übersehenen Vorfällen" einschalten und dann auch nur bei vier genau umrissenen Situationen: Tor oder kein Tor; Strafstoß oder nicht; Rote Karte (nicht Gelb-Rot); wenn der Schiedsrichter irrtümlich den falschen Spieler verwarnt oder vom Platz gestellt hat.
Ganz so klar, wie es auf den ersten Blick erscheint, ist die Vorgabe jedoch nicht. Es gibt durchaus Interpretationsspielraum: Wann etwa ist ein Vorfall vor einem erfolgreichen Torschuss schwerwiegend genug, um berücksichtigt zu werden? Wann ist eine Fehlentscheidung eine klare, wann eine nur diskussionswürdige?
Warum startet die DFL ihr Pilotprojekt?
Für die Zuschauer im Stadion und an den Bildschirmen sind manche VAR-Entscheidungen nur schwer nachzuvollziehen, was zu Unmut auf den Rängen und Shitstorms in den sozialen Medien führen kann. Deshalb beschloss das IFAB Anfang 2023 zu testen, ob Stadiondurchsagen der Schiedsrichter nach erfolgten Videobewiesen für mehr Klarheit sorgen können. Im American Football, Rugby oder Eishockey ist diese Praxis schon lange üblich.
Erste Tests des Weltverbands FIFA, unter anderem bei der Weltmeisterschaft der Frauen 2023 in Australien und Neuseeland, verliefen nach Einschätzung der Verantwortlichen positiv. Im März 2024 gab das IFAB grünes Licht für Stadiondurchsagen bei internationalen Turnieren oder Ligen. Mit ihrem Pilotprojekt in der ersten und zweiten Bundesliga will die DFL nach den Worten des zuständigen Direktors Ansgar Schwenken "die Transparenz bei Schiedsrichter-Entscheidungen weiter erhöhen und für mehr Verständnis bei den Fans sorgen".
In welchen Fällen soll sich der Schiedsrichter an das Publikum wenden?
Zum einen, wenn er seine Entscheidung nach einem Hinweis des Videoassistenten geändert hat. Zum anderen, wenn er auf Empfehlung des VAR eine Spielszene noch einmal auf einem Monitor am Spielfeldrand überprüft hat. Dann soll er mitteilen, wie die endgültige Entscheidung lautet.
Technisch funktioniert das so: Über sein Headset schaltet der Schiedsrichter per Knopfdruck sein Mikrofon frei, sodass es auch über die Stadionlautsprecher und während der Live-Übertragungen der Medien zu hören ist. Laut DFL ist es allerdings aktuell nicht geplant, auf den Stadionleinwänden Bewegtbilder zu zeigen, um die Entscheidung des Schiedsrichters noch nachvollziehbarer zu machen.
Was sagen die Schiedsrichter zu ihrer neuen Aufgabe?
"Nicht jeder wird sich damit wohlfühlen, wenn er in einem Stadion zu hören ist und sich positionieren muss", sagte Ex-Schiedsrichter Jochen Drees, der im Deutschen Fußball-Bund (DFB) für den VAR-Einsatz zuständig ist. "Deswegen haben wir da ein bisschen Überzeugungsarbeit leisten müssen."
Die Referees seien bei mehreren Trainingslagern auf die neue Aufgabe vorbereitet worden, zuletzt bei einem Lehrgang in der Winterpause in Portugal, so Drees: "Es gehört ab jetzt zum Schiedsrichter-Profil."
Wie geht es nach dem Pilotprojekt weiter?
Die Testphase in der 1. und 2. Bundesliga dauert bis zum Saisonende. Insgesamt umfasst sie 67 Spiele. Aufgrund der Erfahrungen wollen DFB und DFL anschließend entscheiden, ob es von der Saison 2025/26 an bei allen Spielen Stadiondurchsagen gibt.
Wird künftig die Kritik am Videobeweis aufhören?
Es ist kaum zu erwarten, dass die Kritik verstummt. Möglicherweise werden die Zuschauer sogar genervt reagieren, weil die Spielunterbrechungen durch die Schiedsrichter-Erklärungen noch länger dauern. Zudem gibt es nach wie vor schwer nachvollziehbare Regeln im Fußball - etwa beim Handspiel. Sie sorgen dafür, dass es auch weiterhin Interpretationsspielräume gibt. Mit oder ohne VAR.