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Bundesbank will Sarrazin abberufen lassen

2. September 2010

In einem bislang einmaligen Schritt will die Bundesbank bei Bundespräsident Christian Wulff die Abberufung ihres Vorstandsmitglieds Thilo Sarrazin beantragen. Wulff hatte der Bundesbank zuvor die Trennung nahegelegt.

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Sarrazin steht neben Özkan und Scholz und hört zu (Foto: dpa)
Thilo Sarrazin versucht in den Medien, seine umstrittenen Aussagen zu erklärenBild: picture-alliance/dpa

Der Vorstand der Deutschen Bundesbank beschloss am Donnerstag (02.09.2010) einstimming, bei sich von Thilo Sarrazin zu trennen. Sie zog damit die Konsequenzen aus der Debatte über Sarrazins umstrittene Äußerungen zur Integrationsfähigkeit von Migranten. Der Berliner Ex-Finanzsenator war wegen umstrittener Äußerungen zu muslimischen Einwanderern und jüdischem Erbgut in die Kritik geraten.

Es ist das erste Mal in der Geschichte der Bundesbank, dass ein Vorstandsmitglied vorzeitig abberufen werden soll. Sarrazins Amtszeit wäre regulär 2014 zu Ende gewesen. Bundespräsident Christian Wulff muss dem Antrag auf Abberufung noch zustimmen. Bislang äußerte sich das Bundespräsidialamt nicht zu dem Beschluss der Bundesbank, kündigte aber eine Pressemitteilung an.

Wulff forderte indirekt Rauswurf Sarrazins

Der Bundespräsident am Schreibtisch in seinem Amtssitz Schloss Bellevue (Foto: AP)
Christian Wulff fordert den Bundesbank-Vorstand indirekt zum Rauswurf Sarrazins aufBild: AP

Zuvor hatte Wulff die Bundesbank aufgefordert, im Fall Sarrazin Konsequenzen zu ziehen: "Ich glaube, dass jetzt der Vorstand der Deutschen Bundesbank schon einiges tun kann, damit die Diskussion Deutschland nicht schadet - vor allem auch international", sagte Wulff dem Nachrichtensender N24.

Sarrazin hatte am Mittwoch in der ARD-Sendung "Hart aber fair" erstmals Selbstkritik erkennen lassen. Zwar verteidigte er hartnäckig seine Thesen zum Scheitern der Integration. Zugleich bedauerte er aber seine Äußerung in einem Interview, alle Juden hätten ein gemeinsames Gen. "Ich hatte da einen Blackout und habe mich aufs Glatteis führen lassen." Er sei definitiv nicht der Ansicht, dass es eine genetische Identität gebe. "Es gibt aber genetische Gemeinsamkeiten der verschiedenen Gruppen der Juden", fügte er hinzu.

Umfragen ergeben geteiltes Bild

Eine Frau mit Kopftuch schreibt auf eine Schultafel das Wort 'Integration' (Foto: dpa)
Nach Meinung Sarrazins läuft bei der Integration muslimischer Mitbürger in Deutschland einiges falschBild: picture-alliance/dpa

Der Vorsitzende des Islamrats, Ali Kizilkaya, hat Sarrazin Islamfeindlichkeit und Rassismus vorgeworfen. "Ich finde es sehr bedauerlich und fast schon beängstigend, dass die Islamophobie in Gestalt von Herrn Sarrazin langsam in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein scheint", sagte Kizilkaya dem "Hamburger Abendblatt". Sarrazins Äußerungen seien kein Beitrag zur Integration, sondern zur Ausgrenzung.

Der Geschäftsführer des Forsa-Instituts, Manfred Güllner, hat die Politik gewarnt, mit vorschnellem Vorgehen im Fall Sarrazin Rechtsradikale zu mobilisieren. Sarrazins Thesen träfen auf konkrete Ängste und Alltagserlebnisse der Menschen. In Umfragen halte die Hälfte der Bevölkerung Sarrazins Ansichten für richtig, die andere Hälfte finde sie unangemessen und falsch.

Autor: Marcus Bölz (afp, dpa, rtr)
Redaktion: Martin Schrader/Ursula Kissel

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