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Bulgarien: Mit fünf Parteien im EU-Parlament dabei

24. Mai 2007

Erstmals haben die Bulgaren am 20. Mai 18 Abgeordnete für das Europäische Parlament bestimmt. Warum "die Bulgaren" eigentlich zuviel gesagt ist und was tatsächlich im Wahlkampf Thema war, analysiert Alexander Andreev.

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Wahlgewinner Boiko Borissov und die GERB-ParteiBild: AP Photo
Zwei Dinge sind hervorzuheben: die äußerst niedrige Wahlbeteiligung, die mit knapp 29 Prozent sogar noch unter den bescheidenen Prognosen blieb, und der Erfolg der neu gegründeten bürgerlichen Oppositionspartei Bürger für eine Europäische Entwicklung in Bulgarien (GERB).

GERB und die regierenden Sozialisten schicken je fünf Abgeordnete nach Straßburg, die mitregierende Partei der türkischen Minderheit (DPS) vier, die nationalistische Ataka-Partei drei und die ebenfalls mitregierende Nationale Bewegung von Ex-König Simeon II. eine EU-Parlamentarierin. Neben den traditionellen Mitte-Rechts-Parteien sind auch die Ultranationalisten von Ataka, die als einzige mit einem Anti-EU-Programm angetreten waren, hinter den Prognosen geblieben. Dass Ataka einen dubiosen Geschäftsmann, der auf die EU-Immunität schielt, nach Straßburg schicken wird, hat ihr Image zusätzlich beschädigt.

Es ist Wahl - und keiner geht hin

Dass viele Bulgaren auf den Weg in die Wahllokale verzichteten, lag vor allem an der Unfähigkeit der Parteien, die Wähler mit verständlichen EU-Themen aus ihrer Europa-Apathie zu reißen. "Ein Teil der Parteien hat auf Nationalismus und Populismus gesetzt", sagte Christian Vigenin, Listenführer der Sozialisten, aber genützt hat es nicht viel. "Die niedrige Wahlbeteiligung darf man nicht allein auf den Regen zurückführen, obwohl das Wetter bestimmt eine Rolle gespielt hat", so Vigenin. Insbesondere eine Korruptionsaffäre, die in den letzten Wochen bis in die oberen Etagen der Regierung und der Ermittlungsbehörde vorgedrungen ist und die Regierungskoalition in Bedrängnis brachte, habe die Wahl stark beeinflusst: Sie sei Mittelpunkt des Wahlkampfes gewesen, berichtet Vigenin.

Bahnt sich eine Regierungskrise an?

Die Bulgarische Sozialistische Partei (BSP), die in der Dreier-Koalition den Ministerpräsidenten stellt, liegt knapp hinter der Partei Bürger für europäische Entwicklung Bulgariens (GERB) des Hauptstadtbürgermeisters Boiko Borissov. Der Ex-Bodyguard und ex-oberste Polizist Bulgariens, der als Bürgermeister nur inoffiziell seine Partei führen darf, versucht seit zwei Jahren, Premier zu werden, und hat im EU-Wahlkampf sowohl die Sozialisten als auch den kleineren Koalitionspartner, die Partei der türkischen Minderheit (DPS), angegriffen.

Der offizielle GERB-Vorsitzende, Tzvetan Tzvetanov, ging auch nach der Abstimmung weiter auf verbale Konfrontation mit den Minderheiten. "Normal ist es nicht, was in den Regionen mit Mischbevölkerung geschehen ist", polterte er. "Da wurden die Wähler durch Sachleistungen zur Abstimmung bewegt, deswegen ist die Wahlbeteiligung in den türkischen und Roma-Regionen am höchsten". Dass die DPS so gut abgeschnitten habe, sei ein Beweis für die Korruption. Beobachter vermuten, dass der junge Ministerpräsident Sergei Stanischev einige korruptionsverdächtige Minister entlassen und sein Kabinett umbilden werde. GERB wird auf jeden Fall auf vorgezogenen Neuwahlen bestehen – dazu könnte es kommen, falls sich die Korruptionsvorwürfe gegen die Minister bestätigen sollten.

Alexander Andreev
DW-RADIO/Bulgarisch, 22.5.2007, Fokus Ost-Südost