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"Zusammenarbeit mit China wird schwieriger"

Gui Hao28. Oktober 2015

Bundeskanzlerin Angela Merkel besucht China bereits zum achten Mal. Doch die Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsmacht läuft nicht nur gut. Wo die Probleme liegen, erklärt Johannes Buckow von MERICS im DW-Interview.

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Johannes Buckow, Mitarbeiter und Kuratoriumsmitglieder MERICS (Foto: MERICS)
Bild: Marco Urban

Deutsche Welle: Bundeskanzlerin Merkel besucht dieser Tage China. Politiker beider Länder betonen immer wieder, China und Deutschland pflegten jetzt eine "umfassende strategische Partnerschaft"? Was bedeutet das?

Johannes Buckow: Deutschland und China unterhalten mittlerweile fast 70 permanente Dialogformate, die sich auf deutscher Seite über alle Ministerien erstrecken und auch über Regierungswechsel hinweg bestehen bleiben. Die etwa alle zwei Jahre stattfindenden Regierungskonsultationen - also das Zusammentreffen der Kabinette beider Länder - sind das bekannteste Format.

Als Deutschland und China im März 2014 ihre "strategische Partnerschaft" zu einer "umfassenden strategischen Partnerschaft" aufgewertet haben, erklärten sie damit zugleich, in Zukunft auch bei großen globalen Fragen enger zusammenarbeiten zu wollen: Sicherheitspolitik, internationale Krisen, regionale und globale Konflikte.

Tatsächlich tauschen sich die beiden Regierungen seitdem zu vielen internationalen Konflikten aus, wie den Krisen in der Ukraine und in Syrien. Konkrete gemeinsame Vorstöße hat es allerdings kaum gegeben. Aber solche Formate müssen sich auch erst einspielen. Und das kann in unsicheren Zeiten durchaus etwas länger dauern.

Bundeskanzlerin Angela Merkel bei dem damaligen Premier Wen Jiabao in Peking (Foto: Ng Han Guan/AP/dapd)
Alte Zeiten: Kanzlerin Merkel mit Chinas Ex-Premier Wen JiabaoBild: dapd

Die Möglichkeiten, kritische Themen anzusprechen, waren bisher immer der Rechtsstaatsdialog und der Menschenrechtsdialog. Funktionieren die noch? Der Berufungstermin von DW-Autorin Gao Yu wurde immerhin schon drei Mal verschoben.

In den vergangenen Jahren haben sich diese beiden Dialogformate deutlich schwieriger gestaltet als noch zu Zeiten der letzten Führungsgeneration um Hu Jintao und Wen Jiabao. Dort, wo die deutsche Seite früher empfindliche Themen ansprechen konnte - wie zum Beispiel das Schicksal von inhaftierten Journalisten - scheint sich Peking seit einiger Zeit stärker zu verschließen.

Das wird auch teils an den Themen deutlich: Der letzte Rechtsstaatsdialog im Juli 2015 beschäftigte sich mit häuslicher Gewalt. Natürlich behandelte er damit ein sehr wichtiges Thema, entfernte sich aber zugleich sehr weit von politisch deutlich sensibleren Themen, wie der politischen Unabhängigkeit von Richtern oder dem Schutz vor Polizeiwillkür.

China hat in der letzten Zeit durch Börsenturbulenzen und die Anpassung des Wechselkurses für Irritationen auf dem Kapitalmarkt gesorgt. Ist das Land immer noch ein zuverlässiger Wirtschafts- und Handelspartner?

Das China-Geschäft ist für viele deutsche Unternehmen noch immer sehr wichtig und wird es mittel- bis langfristig auch bleiben, selbst wenn das Umfeld zurzeit schwieriger wird. Viele Unternehmen prüfen nicht erst seit den Börsenturbulenzen sehr sorgfältig, ob und wie sie ihre Aktivitäten in andere Märkte verlegen können. Hersteller, die in China produzieren, kämpfen mit steigenden Lohnkosten und verschärfter Konkurrenz durch chinesische Unternehmen.

Audi A6 in China (Foto: dpa)
Wichtiger Markt: Audi in ChinaBild: picture-alliance/dpa

Auch als Absatzmarkt verändert sich China gegenwärtig sehr stark. Viele Unternehmen werden sich auf einen deutlich höheren Margendruck und erheblich langsameres Wachstum einstellen müssen. Baumaschinen zum Beispiel werden sich im chinesischen Markt in Zukunft deutlich schlechter absetzen lassen. In anderen Branchen wie der Robotik oder der Lebensmittelindustrie bestehen nach wie vor sehr große Chancen auf Wachstum.

China will eine "starke Industrienation" werden und damit im Wettbewerb mit Deutschland stehen. Ist eine Zusammenarbeit zwischen Rivalen möglich?

Chinas Aufholprozess wird sich zwar durch die momentane schwierige wirtschaftliche Lage etwas verlangsamen. Aber dennoch wird die Zusammenarbeit auf jeden Fall schwieriger, je weiter chinesische Unternehmen technologisch aufholen und in Schwerpunktmärkte deutscher Hersteller vordringen - insbesondere angesichts der Tatsache, dass China gleichzeitig die chinesischen IT-Märkte gegen ausländische Wettbewerber abschottet.

Viele deutsche Unternehmen stehen einer geplanten "Innovationspartnerschaft" unter dem Titel "Industrie 4.0" sehr skeptisch gegenüber. Diese Zurückhaltung ist aus meiner Sicht gut begründet. Insbesondere den möglichen Verlust sensibler Firmendaten empfinden gerade viele mittelständische Unternehmen als große Gefahr. Datensicherheit lässt sich in China unter den momentanen Bedingungen nicht grundsätzlich garantieren. Der für "Industrie 4.0" notwendige Austausch von Daten mit chinesischen Partnern und Zulieferern ist so kaum denkbar.

"Innovation gemeinsam gestalten" hieß der Aktionsrahmen für die deutsch-chinesische Zusammenarbeit 2014. Haben sich die Länder dabei übernommen?

Der Aktionsrahmen beinhaltete zwar teilweise sehr konkrete, oft schon vertraglich separat festgezurrte Projekte. Insgesamt aber war er in manchen Bereichen deutlich ambitionierter formuliert, als es die deutsche Industrie mittragen kann.

Einige der optimistischen Ziele stehen heute in einem realistischeren Licht da, wie zum Beispiel die "Drittmarkterschließung durch neue Formen der Innovationszusammenarbeit". Diese Formulierung stand bereits vor einem Jahr, also unter deutlich besseren wirtschaftlichen Vorzeichen, an letzter Stelle der möglichen Kooperationsvorhaben im Bereich Wirtschaft.

Seither sind hier kaum konkrete Fortschritte erzielt worden. Dabei liegen in diesem Bereich durchaus Chancen: In der Entwicklung von Umweltlösungen für Megastädte in Entwicklungsländern könnten deutsche und chinesische Unternehmen sich beispielsweise gut ergänzen - technologisches Know-how von der deutschen Seite und Erfahrung mit Infrastruktur in Megastädten von der chinesischen Seite.

Johannes Buckow ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Forschungsbereichs Politik am Mercator Institute for China Studies (MERICS). Seine Forschungsschwerpunkte sind Krisenmanagement und Chinas Beziehungen zu Deutschland und Europa.