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Brummis wie an der Schnur gezogen

Ralph Heinrich Ahrens13. Juni 2012

LKW sollen mit Strom aus erneuerbaren Energien fahren und so die deutsche Energiewende vollenden. Eine Voraussetzung: Oberleitungen über den wichtigsten Autobahnen.

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Trolley-Truck auf der Teststrecke in Brandenburg (Bild: Siemens)
Bild: Siemens AG

Stromdrähte über Straßen waren ein typischer Anblick in deutschen Städten. Die Drähte versorgten Busse mit Strom. Doch in den 50er und 60er Jahren ersetzten die meisten Verkehrsbetriebe ihre Oberleitungsbusse durch Busse mit leistungsstarken Dieselmotoren. Heute befördern Oberleitungsbusse Fahrgäste nur noch an drei Orten: im nordrhein-westfälischen Solingen, im brandenburgischen Eberswalde sowie im baden-württembergischen Esslingen. Aus vielen Städten Osteuropas sind sie aber nicht wegzudenken.

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) hat jetzt die "altmodischen" Oberleitungen neu entdeckt – und zwar für LKW. Der SRU spricht vom Trolley-Truck-Konzept. Die Bundesregierung sollte Oberleitungen entlang von Autobahnen bauen, damit elektrisch betriebene LKW CO2-neutral im Fernverkehr Güter transpor­tieren können. Das empfiehlt der SRU im aktuellen Umweltgutachten 'Verantwortung in einer begrenzten Welt'.

Am LKW-Verkehrsaufkommen wird sich nicht viel ändern

Das Industrieland Deutschland weise mit Atomausstieg und Energiewende den Weg zu einer Stromgesellschaft, es gebe aber Schwächen, betont Ratsmitglied Olav Hohmeyer von der Universität Flensburg. "Die deutsche Politik kümmert sich nicht um den Klimakiller Güterverkehr." Im Gegensatz zu fast allen anderen Sektoren stiegen die CO2-Emissionen aus dem Güterverkehr von 1990 bis 2010 deutlich um etwa 25 Prozent.

Allein LKW, Züge und Schiffe emittierten 2010 fast 70 Millionen Tonnen CO2. Im Jahr 2050 werden es – ohne Kurskorrektur – 100 bis 120 Millionen Tonnen sein. Doch es geht auch anders, glaubt Hohmeyer. Durch Vermeidung unnötiger Transporte, bessere Auslastung, effizientere Motoren und eine teilweise Verlagerung auf die Schiene können bis 2050 ein Großteil dieser Emissionen eingespart werden. Dennoch könnte es noch ähnlich viel LKW-Verkehr geben wie heute.

Trolleybus in Moskau (Bild: RIA Novosti)
Trolleybus in MoskauBild: RIA Novosti

Strom direkt aus der Leitung ist am effektivsten

Will Deutschland seine Energiewende vollenden, müssen LKW also langfristig mit erneuerbaren Energien fahren. Dazu gibt es mehrere Möglichkeiten: Sie können Biokraftstoffe oder synthetische Kraftstoffe, die mit erneuerbarem Strom hergestellt wurden, tanken oder aber elektrisch fahren: Den Strom müssten dann Batterien liefern oder er würde von Oberleitungen bereitgestellt. Ein wichtiges Kriterium sei, so Hohmeyer, der Wirkungsgrad. Der liegt bei Biosprit bei 7 % bis 10 %, der von Synthesekraftstoff bei knapp 40 %, der von in Batterien gespeicherter Elektrizität bei 65 % und der von direkt eingesetzter Elektrizität bei 80 %. Die Lösung scheint also auf der Hand zu liegen: Für lange Strecken Oberleitungen – und für kurze Wege in der Stadt Batterien.

Oberleitungen nur an den wichtigsten Autobahnen

Das Trolley-Truck-Konzept des SRU klingt zwar utopisch, "lässt sich aber grundsätzlich in die bestehende Infrastruktur eingliedern", meint Bert Leerkamp, Verkehrs- und Logistikfachmann der Bergischen Universität Wuppertal. Es wird jedoch schwer umzusetzen sein. "Die meisten Akteure im Güterverkehr haben noch nicht erkannt, wie groß die Herausforderung ist, und nehmen die Klimaschutzaufgabe nicht ernst." Sie werden auf Kosten verweisen, erwartet Leerkamp. Der SRU hält das Konzept aber für finanzierbar: Er rechnet für die Elektrifizierung inklusive Bau der Oberleitungen mit Kosten von etwa zwei Millionen Euro pro Kilometer. Das ergibt für die 5700 Kilometer der wichtigsten Autobahnen A1 bis A9 rund 11,5 Milliarden Euro – verteilt über zwölf Jahre, wobei ein Teil der Kosten durch Einnahmen aus der Mautgebühr getragen werden könnte.

Kostendruck als Argument

Besonders schwer wird es werden, Spediteure zu überzeugen, glaubt Leerkamp. Denn erst einmal würde sie das Trolley-Truck-Konzept Geld kosten. Sie bräuchten Hybridfahrzeuge, die zusätzlich einen Stromabnehmer haben. "Der Vorteil entsteht erst, wenn der Sprit so teuer wird, dass sie eine Alternative brauchen. Wir denken hier ein ganzes Stück in die Zukunft.“ So weit scheint die Zukunft aber nicht weg zu sein. Die Firma Siemens testet in Brandenburg nördlich von Berlin bereits elektrisch betriebene Trucks auf einer Teststrecke. Der Strom kommt aus Oberleitungen. "Wir wollen das Konzept in bestehende Verkehrslösungen integrieren, um damit neben der technischen auch die wirtschaftliche Machbarkeit nachzuweisen", sagt Holger Sommer, Leiter des Siemens-Projekt ‘Elektromobilität bei schweren Nutzfahrzeugen zur Umweltentlastung von Ballungsräumen'. Beispielsweise hat Siemens einen neuen Stromabnehmer entwickelt, der sich automatisch an die Oberleitung anlegt.

Das Ende der "Elefantenrennen"

Zudem hat das Trolley-Truck-Konzept Vorteile: "Dadurch, dass elektrisch betriebene Fahrzeuge eine höhere Zugleistung haben, gibt es an Steigungen nicht mehr den großen Geschwindigkeitsunterschied zwischen LKW, die stark beladen sind, und denen, die leer fahren," erklärt Bert Leerkamp. Der Grund: Elektromotoren haben bereits bei Drehzahl Null ein Drehmoment, während normale Verbrennungsmotoren ihre Drehmomente erst aufbauen müssen. Sprich: Elektrisch betriebene Fahrzeuge können auch an Steigungsstrecken gut beschleunigen. Der Wuppertaler Leerkamp verweist zudem auf Solingen: Die Oberleitungsbusse fahren dort – aufgrund der steigenden Kosten für Diesel-Kraftstoff – zurzeit schon 20 bis 30 Prozent günstiger. Das Trolley-Truck-Konzept des Umweltrates ist also mehr als nur eine Vision.