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Verfehlte Agrarpolitik

12. August 2009

Immer mehr reiche Länder investieren in Ackerland in Entwicklungsstaaten, die oft die eigene Bevölkerung nicht ernähren können. Es ist ein lukratives Geschäft. Die Armen aber bezahlen die Zeche, meint Ute Schaeffer.

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Themenbild Kommentar ´(Grafik: DW)
Bild: DW

Es ist erst ein Jahr her, da bat Äthiopien die Weltgemeinschaft um Lebensmittelhilfe. 4,5 Millionen Menschen brauchten dringend Nahrungsmittel. In Somalia können sich mehr als drei Millionen Menschen nicht mehr ernähren. Wie passt das dazu, dass Äthiopien gerade tausende Tonnen Reis an Saudi-Arabien geliefert hat - von Anbauflächen, welche der reiche Ölstaat im Dürrestaat am Horn von Afrika gepachtet hat? Wie gehen die Nachrichten wiederkehrender Hungerkatastrophen in den Sahelstaaten zusammen mit den Millionen Hektar wogender Weizenfelder in Mali, die Libyen dort anbaut? Warum kommt es in Tansania zu Versorgungsengpässen bei der Ernährung der eigenen Bevölkerung und gleichzeitig werden an Saudi-Arabien 500.000 Hektar Land verkauft?

Ute Schaeffer (Foto: DW)
Ute Schaeffer

Die Antwort ist einfach: Es geht ums Geld. Etwa 30 bis 40 Milliarden Dollar kosten die Investitionen in Pacht oder Kauf von Land in den Entwicklungsstaaten. Der Gewinn liegt um ein Vielfaches höher. Nicht erst seit der letzten Nahrungsmittelkrise gilt, dass Ackerland kostbar ist und im Wert weiter steigen wird. Land wird dort gekauft, wo es zum Niedrigpreis zu haben ist - in den Entwicklungsländern.

Es ist ja so bequem, die Risiken an Dritte, Ärmere abzugeben. Die Reichen haben ein großes Problem weniger, nämlich die Ernährung ihrer Bevölkerung zu sichern. Übersehen wird dabei leicht, dass die Armen dadurch nicht nur ein Problem, sondern viele Probleme mehr haben.

Auf Kosten der Kleinbauern

In strukturschwachen Ländern zieht industrielle High-Tech-Landwirtschaft ein. Sie verdrängt die Kleinbauern. Gutes, fruchtbares Land wird an internationale Investoren verkauft, das schlechte Land bleibt den heimischen Produzenten. Produziert wird auch in der Landwirtschaft zu großen Teilen für den Export, während die heimische Bevölkerung hungert.

Die Länder werden dadurch noch abhängiger vom Welthandel. Die Konkurrenz um Wasser und Land, die heute schon zu einer Vielzahl von Konflikten führt - wie im Sudan, Tschad oder in Kenia -, nimmt zu.

Jeder zweite Hungernde in der Welt ist heute bereits ein Kleinbauer. Und davon gibt es viele. In den Entwicklungsstaaten bewirtschaften 85 Prozent aller Landwirte Flächen von weniger als zwei Hektar. Nimmt der Landkauf - das so genannte Landgrabbing - in dem Tempo wie bisher zu, wird es künftig immer mehr Hungernde und mehr Arme geben.

Neokolonial aber ist das nicht - denn die Entwicklungsländer tragen den Deal mit. Sie rechnen mit dem Geld, mit neuer Technik und vielleicht mit Arbeitsplätzen. Doch das ist eine kurzfristige und trügerische Hoffnung.

Keine Lösung von außen

Warum haben die Agrarstaaten dieser Welt immer noch nicht erkannt, dass sie endlich eine eigene nachhaltige Agrarpolitik betreiben müssen, anstatt ständig darauf zu hoffen, dass jemand von außen diesen Job für sie erledigt? Anstatt das wertvollste, was sie haben, nämlich ihr fruchtbares Land, und das Recht auf Produktion und Handel mit den Produkten an Dritte abzugeben?

Wie so oft soll wohl auch diesmal wieder jemand von außen die Lösung bringen. Das ist ein kurzsichtiges Geschäft, das zu Lasten der Ärmsten geht. Mehr noch: Es ist ein Verrat der politisch Handelnden an den Menschen, die sie gewählt haben, dass ausgerechnet die ländliche Entwicklung völlig außen vor bleibt. Warum betreibt ein Flächenstaat wie Mosambik, das sich leicht selber versorgen könnte, keine Strukturpolitik für den ländlichen Raum und importiert Grundnahrungsmittel? Warum kommt es im relativ entwickelten Kenia immer noch zu wiederkehrenden Hungersnöten, nur weil die Politik es nicht fertig bringt, ausreichend Grundnahrungsmittel zur Verfügung zu stellen und die nötige Infrastruktur dafür zu schaffen?

Sparpotential für Entwicklungshilfe

Den anderen Teil der Verantwortung trägt der reiche Norden. Die Industriestaaten könnten sich viel Mitleid, viele generöse G8-Entschuldungsrunden und viele Hilfsprogramme sparen. Sie könnten die so genannten humanitären Aktionen für die Entwicklungsländer reduzieren, wenn sie endlich aufhören würden, erstens die eigenen Risiken nach außen zu exportieren und zweitens die Entwicklungsländer stets nur als Dienstleister und Rohstoffproduzenten zu betrachten.

Landgrabbing aber sitzt genau diesem Missverständnis auf. Es ist nichts weiter als eine profitgierige Spekulation zu Lasten Dritter. Und wie immer, wenn es nicht um die Rechte der Ärmsten geht, sondern nur um den Profit, der sich mit ihnen machen lässt, hört man daran kaum Kritik.

Autor: Ute Schaeffer

Redaktion: Kay-Alexander Scholz