1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Britisches Parlament vor turbulenter Woche

2. September 2019

Im Streit um den Brexit will der britische Premier Johnson das Parlament in eine fast fünfwöchige Zwangspause schicken. Doch viele Abgeordneten wehren sich und sondieren nun, wie sie Johnsons Pläne durchkreuzen können.

https://p.dw.com/p/3OrcT
Großbritannien London | Brexit-Protest gegen die Zwangspause des Parlaments
Gegen den Vorstoß von Boris Johnson zur verlängerten Parlamentspause regt sich auch auf den Straßen WiderstandBild: Reuters/P. Nicholls

Den ersten Anlauf wollen die Gegner eines ungeregelten Brexit im britischen Parlament am Dienstag nehmen. Dann wollen sie nach Angaben der oppositionellen Labour-Partei versuchen, einem solchen Vorgehen von Premierminister Boris Johnson per Gesetz einen Riegel vorzuschieben. Wie das Vorhaben für die Gesetzgebung umgesetzt werden soll, will die Partei am gleichen Tag erläutern. Das kündigte der Brexitsprecher der Partei, Keir Starmer, an. Hauptziel sei es, Johnson an einem EU-Austritt ohne Abkommen zu hindern.

"Unterschätzen Sie nicht, wie schwierig es ist, binnen einer Woche ein Gesetz auf die Beine zu stellen", sagte der Finanzsprecher der Labour-Partei, John McDonnell, dem Sender Sky News. "Der Premierminister weiß das, und deshalb schließt er das Parlament." Abgeordnete mit jahrzehntelanger Erfahrung würden nun schauen, wie sie zwischen Dienstag und Donnerstag kommender Woche eine Gesetzgebung auf den Weg bringen könnten, um einen No-Deal-Brexit ohne Zustimmung des Parlaments zu verhindern.

In einer höchst umstrittenen Entscheidung hatte der britische Premier dem Parlament zwei Monate vor dem geplanten Brexit eine fast fünfwöchige Zwangspause verordnet. Die traditionelle Parlamentspause im September wird so bis zum 14. Oktober verlängert. Die Entscheidung gibt den Abgeordneten kaum Zeit, um einen ungeregelten EU-Austritt am 31. Oktober noch per Gesetz zu verhindern.

Barnier ist skeptisch

Der Brexit-Beauftragte der EU, Michel Barnier, sieht unterdessen keine guten Chancen, einen Ausstieg Großbritanniens aus der EU ohne Abkommen noch zu verhindern. "Ich bin nicht optimistisch bei der Frage, ob ein "No-Deal"-Szenario noch vermieden werden kann", schrieb Barnier in einem Beitrag für den britischen "Sunday Telegraph". Den so genannten Backstop müsse es geben, um die Integrität des EU-Marktes zu gewährleisten und zugleich eine offene Grenze zwischen Irland und Nordirland zu haben.

Michel Barnier
Nachdenklich: der Brexit-Beauftragte der EU, Michel BarnierBild: Getty Images/C. McQuillan

Der Backstop ist das strittigste Thema beim Brexit. Dabei geht es um die Grenze zwischen dem zur EU gehörenden Irland und dem zum Vereinigten Königreich gehörenden Nordirland. Der von der EU und der damaligen britischen Regierungschefin Theresa May ausgehandelte Brexit-Vertrag sieht vor, dass die Wiedereinführung von Grenzkontrollen an der bislang kaum bewachten Grenze zwischen Irland und Nordirland nach einem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union vermieden werden sollen. Auch will die EU ein Wiederaufflammen der Kämpfe zwischen Katholiken und Protestanten auf der Insel nach einem Breit verhindern.

Der neue britische Regierungschef indes lehnt den Backstop ab, weil er fürchtet, dass Großbritannien in den Bemühungen gebremst werden könnte, neue Handelsverträge mit Drittstaaten zu schließen. Johnson hat erklärt, den Brexit zum 31. Oktober vollziehen zu wollen - notfalls auch ohne ein Austrittsabkommen mit der EU. Für diesen Fall wird mit schweren Turbulenzen für die Wirtschaft gerechnet.

Maas macht Tempo

Angesichts der immer knapper werdenden Zeit bis zum Stichtag 31. Oktober hat der deutsche Außenminister Heiko Maas Großbritannien aufgerufen, zügig "umsetzbare Vorschläge" für einen geordneten Brexit vorzulegen. Die Bundesregierung sei weiterhin überzeugt, dass ein geordneter Brexit für beide Seiten die bessere Lösung sei, sagte Maas den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Je schneller wir dazu umsetzbare Vorschläge der britischen Seite sehen, desto besser." Falls sich herausstelle, dass ein harter Brexit unausweichlich sei, sei Deutschland auf dieses Szenario vorbereitet, fügte Maas hinzu.

kle/wa (rtr, afp, dpa)