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Politik

Brexit Tagebuch 6: Klartext, Wandern, Kinderkrise

Barbara Wesel
25. Juli 2017

Die Europäer sehnen sich nach Klarheit, während der Brexit-Minister ein Liedchen summt und das als Strategie bezeichnet. Theresa May geht auf eine Wandertour und eine Au-Pair-Krise sucht die britische Mittelschicht heim.

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Michel Barnier wollte ja unbedingt Chef-Unterhändler für den Brexit werden. Der Franzose hält sich für einen tollen Diplomaten und zeigt das gern vor. Aber vielleicht hat er in diesem Fall etwas missverstanden. Denn es geht nicht darum, den Brexit schnell und effizient über die Bühne zu bringen. Sondern darum, so lange wie möglich rum zu schwurbeln und jeden Fortschritt unbedingt zu vermeiden. Sein britisches Gegenüber nämlich summt auf Nachfragen nur leise ein Liedchen. Denn das ist David Davis Strategie: Bloß keine Klarstellungen.

Was um Himmelswillen wollen sie?

Nach zwei Gesprächsrunden weiß die EU nicht mehr über die britische Verhandlungsposition als zuvor. Und David Davis spielt seine Rolle meisterhaft: Er kommt nicht nur ohne Papiere, sondern auch ohne Ahnung zu den Verhandlungen. Dahinter kann natürlich ein ganz schlauer Plan stecken, wenn er Barniers Geduld total erschöpft, alle Termine überschreitet  und sich am Ende zum Sieger ausruft. 

Union Jack Einkaufstasche
Leere Taschen: Bei den Briten scheint nichts zu holen...Bild: picture-alliance/dpa/R. Goldmann

Bis dahin geht's beim Brexit nämlich um bewegliche Ziele. Innerhalb von einer Woche hörten wir, dass es keine Übergangsregelung geben soll. Dann räumte Handelsminister Liam Fox ein, der Übergang könnte ganz kurz sein, ein halbes Jahr vielleicht. Inzwischen ist von zwei Jahren oder mehr die Rede. Der Minister hat seine Meinung geändert, oder sie wurde für ihn geändert. 

Das gleiche gilt für die Zuwanderung und die Bewegungsfreiheit. Es fing an mit der klaren Ansage, dass dieser Unsinn am Tag des Brexit aufhören müsse. Dann hörte man, es gebe ein bisschen Flexibilität.  Inzwischen räumt London ein, die Bewegungsfreiheit könne bis 2023 weiter gehen. "Alles fließt", sagten die alten Griechen. Aber wer hatte geahnt, dass die  Brexit-Verhandlungen auf Flaschen gezogen würden? David Davis muss sich einfach weiter durch die Brüsseler Gespräche winden. Klarheit ist für Warmduscher.

Alpen können gefährlich sein

Theresa May nimmt einen wohlverdienten Urlaub und geht Wandern. Diese gesunde Aktivität allerdings kann böse enden. Als sie von ihrer letzten Tour in Wales zurückkam, rief sie vorgezogene Neuwahlenaus. Und wir wissen, wie das ausging. Dieses Mal wird sie in den Alpen wandern und kann dabei über die Schönheit der Berge und die höchst komplizierten Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU nachdenken. 

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Alpine Abenteuer: Wandern in dünner Bergluft kann gefährlich sein. Theresa May müsste es wissen Bild: Imago/blickwinkel

Ihre Feinde zu Hause schleifen unterdessen die Dolche. Die Tories sind berüchtigt für ihre Gnadenlosigkeit gegenüber abgehalferten Chefs. Es darf gewettet werden, wie lange May noch im Amt bleiben darf. Schätzungen laufen von zwei Monaten bis zu zwei Jahren. Aber es gibt keinen Zweifel daran, dass ihre Partei sie am Ende auffordern wird, den Abmarsch zu machen.

Der Geist von Dünkirchen

Kritiker schwärmen von der epischen Breite und emotionalen Tiefe des II. Weltkriegsdramas "Dünkirchen". Es ist eine cineastische Tour de Force über die chaotische Evakuierung britischer Truppen aus Nordfrankreich nach der katastrophalen Schlacht von Dünkirchen. Der Film konzentriert sich auf den Verband mutiger britischer Matrosen, die einer überlegenen deutschen Wehrmacht widerstehen. Es ist die alte Geschichte vom Vereinigten Königreich,  dass durch britischen Mut und Hartnäckigkeit seine Feinde besiegt. Manche sehen das als passende Saga für die Zeiten des Brexit.

Die Franzosen allerdings reagierten ziemlich wütend auf diese Auslegung der Alliierten Geschichte. "Wo sind die 120.000 französischen Soldaten, die auch aus Dünkirchen evakuiert  wurden?", fragt die Zeitung Le Monde. Und wo sind die 40.000 Franzosen, die sich geopfert haben, um die Stadt zu verteidigen und den Gegner aufzuhalten? Es scheint, dass die britische Idee von einsamer Stärke nicht unbedingt mit historischer Wahrheit zu tun hat.


Liebling, wir haben ein Problem

In der vergangenen Woche kam eine weitere von diesen völlig unvorhergesehenen Brexit-Folgen ans Licht. Denn britische Mittelschicht Familien werden von einer Au-Pair-Krise heimgesucht. Die Bewerbungen von Mädchen aus EU-Ländern, die britische Kinder für ein Taschengeld und einen Sprachkurs betreuen wollen, sind um die Hälfte gesunken. Die Mädchen hätten das Gefühl, sie seien nicht mehr willkommen, sagt eine Verbandssprecherin.

Nach den Sommerferien droht die Anzahl einsatzbereiter Au-Pairs auf ein Minimum zu schrumpfen. Und viele Familien von Doppelverdienern, die sich auf diese preiswerten Arbeitskräfte zu verlassen pflegen, haben dann ein Problem. Wenn aber Mittelschicht-Mütter zu Hause bleiben müssen, weil es keine erschwingliche Kinderbetreuung mehr gibt, wird das Remain-Lager laustarken Zulauf erhalten. Man unterschätze nie den Einfluss der Internetplattform "Mumsnet".

Symbolbild Limonade
Es geht auch ohne Brexit: Ein Prost auf die Sommerfrische!Bild: imago/Chromorange

Sommerpause, Brexit-Pause

Bis Ende August gehen die Brexit-Verhandlungen in die Sommerpause. Zeit für das Tagebuch, ebenfalls Urlaub zu nehmen und tief nachzudenken. Im Sommer ist das Leben süß und man kann auf die kleine, die große sowie die absurde Politik ein Glas Rosé erheben.  Ohne dabei an den ….. auch nur zu denken. Bis dann.