1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Brexit: Die Woche der Entscheidung

Barbara Wesel
11. März 2019

Am Dienstag stimmt das Parlament in London erneut über den Brexit-Deal ab. Brüssel hat dafür die erhoffte Wunderformel nicht geliefert. Scheitert Theresa May, gibt es wohl einen Aufschub des Brexit.

https://p.dw.com/p/3EkkH
England, London: Brexit Proteste
Gegen den neuen Brexit-Deal ist die große Mehrheit der Opposition - und sind viele BritenBild: Reuters/H. Nicholls

Fällt in dieser Woche im britischen Parlament endlich die Entscheidung über den Brexit-Deal? Und bringt die Abstimmung am Dienstag ein fristgerechtes Ende mit Schrecken oder die Fortsetzung des Schreckens ohne Ende?

Theresa May hat ihren Kampf um den Ausstieg Großbritanniens aus der EU bis zur letzten Minute aufgeschoben. Bis zum offiziellen Brexit-Datum am 29. März sind es nur noch gut zwei Wochen. Dennoch ist der Ausgang des Streits in London weiterhin ungewiss.

Letzte Appelle

Am Freitag war die Premierministerin noch in die Hafenstadt Grimsby im Nordosten des Landes gereist, wo über 60 Prozent der Bürger für den Brexit gestimmt hatten. Nach dem Niedergang der Fischindustrie kämpft der Ort ums Überleben. Gastgeber für Theresa Mays letzten Appell an die Briten, die EU und ihre Partei war ausgerechnet eine dänische Windenergiefirma. Die Premierministerin hat wohl einen Sinn für Ironie. 

UK Fischversteigerung in Grimsby
Und nun? In der Hafenstadt Grimsby stimmten über 60 Prozent der Bürger für den Brexit Bild: Getty Images/AFP/O. Scarff

May forderte die EU zu einer "letzten Anstrengung" auf, um den Brexit in dieser Woche über die Ziellinie zu bringen. So, als ob es im Interesse der Europäer sei, den Briten beim Ausstieg zu helfen. Und sie drohte darüber hinaus einmal mehr, die konservativen Hardliner würden den Brexit selbst gefährden, wenn sie nicht endlich für ihren Deal stimmten.

Am Sonntag dann trat Außenminister Jeremy Hunt in der Politik-Talksshow der BBC auf, und formulierte noch deutlicher: Wenn der Deal in dieser Woche im Parlament nicht endlich eine Mehrheit findet, dann gebe es die Gefahr "den Brexit zu verlieren". Geht die Abstimmung im Parlament erneut schief, wie zuletzt im Januar, dann sei man schon 2/3 des Weges zu "no Brexit". Und das werde verheerende Folgen für die Zukunft der konservativen Partei haben.

Es sieht schlecht aus für May

Diese Appelle in letzter Minute dürften kaum jemanden umstimmen. Es wird erwartet, dass Theresa May die Abstimmung am Dienstag erneut verliert. Dabei hat sie in der eigenen Partei die moderaten Brexit-Anhänger, einige der kompromissbereiten Pro-Europäer und eine Hand voll Labour Abgeordnete aus Wahlkreisen mit starker Brexit-Mehrheit auf ihrer Seite. Wie viele solcher Labour-Rebellen es allerdings gibt und ob sie Mays Deal retten könnten, ist unklar.

Gegen den Deal ist die große Mehrheit der Opposition: Labour, die schottische SNP, die neuen Unabhängigen und die Liberalen. Entscheidend wird sein, wie sich die nordirische DUP und die radikalen Brexiteers bei den Konservativen um Jacob Rees-Mogg entscheiden.

London Brexit Protest  Jacob Rees-Mogg
Sendet in jüngster Zeit zweideutige Signale: der konservative Brexit-Gegner Jacob Rees-MoggBild: Reuters/J. Sibley

Er hat in letzter Zeit zweideutige Signale ausgesandt: Einerseits deutete er Kompromissbereitschaft an, andererseits nennt er das Ausstiegsabkommen mit der EU weiter inakzeptabel und unerträglich. Auch der frühere Brexit-Minister und bekennende Hardliner David Davis sprach am Sonntag erneut von einem "fürchterlichen Deal". Das klingt nicht nach Zustimmung.

Wie weiter, wenn May verliert?

Am Wochenende schienen in Brüssel die Verhandlungen über die Nachbesserung des irischen Backstop, der Rückversicherung gegen eine harte Grenze in Irland, endgültig zusammen gebrochen zu sein. Die Verhandlungsführung durch den britischen Generalstaatsanwalt Geoffrey Cox hatte sich dabei wohl eher als hinderlich als denn als nützlich erwiesen.

Cox versuche, ein politisches Problem mit juristischen Mitteln zu lösen, wurde bei der EU geklagt. Zuletzt drehte man sich nur noch im Kreise. Verliert die Premierministerin am Dienstag erneut die Abstimmung über den Deal mit der EU, hat sie dem Parlament ein Votum darüber versprochen, ob ein No-Deal Brexit ausgeschlossen werden solle. Eine große Mehrheit gilt dabei als sicher.

Im nächsten Schritt dann könnten die Abgeordneten Theresa May per Beschluss zwingen, bei der EU eine Verlängerung der Brexit-Frist zu beantragen. Vermutlich wird sie dem zuvorkommen und von sich aus diesen Antrag ankündigen.

Wie lange dauert die Verlängerung? 

Wie lange allerdings die Nachspielzeit sein soll, ist auch umstritten. May will nur eine kurze, technische Verlängerung bis Ende Juni. Denn sie will voraussichtlich beim Gipfeltreffen in Brüssel am 21./22. März noch einmal versuchen, den Regierungschefs persönlich die entscheidenden Zugeständnisse abzuringen. Damit ist sie zwar schon früher gescheitert, aber May ist extrem beharrlich.

Eine allerletzte Abstimmung über den Scheidungsvertrag mit der EU könnte dann in der letzten Märzwoche angesetzt werden, drei Tage vor dem offiziellen Brexit-Termin. 

Es sind auch viel längere Fristen im Gespräch: Es gibt Stimmen in der EU, die den Briten Zeit bis Ende 2020 geben wollen, um sich über 'ob und wie' eines Brexit klar zu werden. Und diese Idee wird neuerdings sogar von ein paar britischen Konservativen unterstützt. 

Bleibt noch das zweite Referendum als Ausweg aus der Sackgasse. Die Labour-Party erwägt, May's Deal zuzustimmen unter der Voraussetzung, dass die Bürger darüber abstimmen dürfen. Dieser Antrag wird wohl noch nicht in dieser Woche eingebracht. Die Parteiführung wartet auf einen günstigen Moment in letzter Minute.

Und schließlich bleibt die Frage, ob und wie lange die Premierministerin das selbst geschaffene Brexit-Chaos politisch noch überleben kann. Es läuft erneut ein Versuch, sie zum vorzeitigen Rückzug in den nächsten Monaten zu zwingen, und damit die harten Brexiteers umzustimmen. Derzeit sieht es allerdings nicht so aus, dass daraus etwas wird. Und für May gilt sowieso immer wieder der Satz, das alle Nachrichten über ihr nahes politisches Ende stark übertrieben sind.