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Zurück nach Brasilien

10. Januar 2012

Immer mehr brasilianische Fußballspieler kehren Europa den Rücken. Experten sehen zwei Gründe dafür: Brasiliens Wirtschaft boomt und somit auch das Fußballgeschäft. Darüber hinaus ist das Land 2014 WM-Gastgeber.

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Bremens Naldo jubelt (Foto: Ap)
Bremens NaldoBild: AP

Für die Fans von Werder Bremen-Fans kam die Nachricht überraschend: Nachdem bereits Nationalspieler Per Mertesacker zum FC Arsenal gewechselt war, wollte auch Abwehr-Chef Naldo den Club in Richtung Internacional Porto Alegre verlassen. Doch noch überraschender war seine Erklärung: Die WM 2014 sei ein großes Ziel, so Naldo, "und ich denke, dass ich bei Internacional mehr Chancen auf die WM habe." Beim dreifachen brasilianischen Meister könne er auch in der Copa Libertadores – dem lateinamerikanischen Pendant zu Champions League – spielen, argumentierte Naldo, mit Werder Bremen dagegen "nur" in der Bundesliga. "Brasilien ist mein Land", sagte der 29-Jährige: "Man kann dort so viel Geld verdienen wie in Europa."

Zur Erleichterung der Werder-Fans hat sich das Naldo inzwischen wieder anders überlegt, doch trifft er mit seiner Meinung den Geist der Zeit. Brasilianische Fußballspieler bleiben immer häufiger in der Heimat oder kehren ins eigene Land zurück. Brasilien ist zwar weltweit nach wie vor der größte Lieferant talentierter Spieler, trotzdem bevorzugen inzwischen immer mehr Stars die heimischen Clubs.

Die WM lockt

Das Maracana-Stadion in Rio de Janeiro (Foto: dpa)
Das Maracana-Stadion in Rio de JaneiroBild: picture alliance / dpa

Die brasilianischen Vereine verbuchen nicht zuletzt durch die boomende Wirtschaft höhere Gewinne. In zweieinhalb Jahren (12.06. - 13.7.2014) lockt zudem die Weltmeisterschaft im eigenen Land, und auch wegen der Wirtschaftskrise in Europa wollen immer mehr Spieler ihren Fußballtraum zuhause verwirklichen. Noch vor einigen Jahren konnten die Profis nur im Ausland die begehrten Millionenverträge abschließen. Heute sind die Verdienstmöglichkeiten auch in der Heimat verlockend – dank einer Mischkalkulation bei den Spielergehältern: Dabei bezahlen die brasilianischen Clubs eine Art Grundgehalt. Wirtschaftsunternehmen stocken das Gehalt durch lukrative Werbeverträge üppig auf.

Auf diese Weise gelingt es brasilianischen Clubs, Stars wie beispielsweise den erst 19-jährigen Wunderstürmer Neymar in Brasilien zu halten. Neymar, der bereits als Nachfolger des großen brasilianischen Fußballidols Pelé gehandelt wurde, verzichtete auf einen Platz im Kader großer Teams wie Real Madrid, FC Barcelona und dem FC Chelsea. Stattdessen verlängerte er seinen Vertrag beim FC Santos bis 2014.

Brasilien bleibt unversiegbare Talentquelle

Der Direktor der brasilianischen Filiale der Sportmarketingagentur Prime Time Sport. Luiz Rocha, beschreibt die neuartige Entwicklung: "Vor einigen Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass ein brasilianischer Fußballspieler auf einen Job bei Vereinen wie Real Madrid oder Barcelona verzichtet, um in Brasilien zu bleiben."

Eine Studie seiner Agentur bestätigt: Die Gewinne der Serie A, der ersten brasilianischen Liga, wachsen stärker als die Einnahmen der vergleichbaren europäischen Ligen. Zwischen 2008 und 2009 wuchsen die Einkünfte um zwölf Prozent. in Europa durchschnittlich nur um vier Prozent.

Das brasilianische Nachwuchstalent Neymar (Foto: dpa)
Das brasilianische Wunderkind Neymar sagte selbst Real Madrid ab, um beim FC Santos zu bleibenBild: picture alliance/dpa

Obwohl Brasilien im weltweiten Vergleich immer noch der größte Spielerexporteur ist, ist die Zahl der brasilianischen Fußballlegionäre in Europa in den letzten Jahren nicht gestiegen. Die Studie der Agentur Prime Time Sport bestätigt sogar einen jährlichen Rückgang der Spielertransfers zwischen Europa und Brasilien. Somit stehen immer weniger brasilianische Spieler auf europäischen Fußballplätzen.

Rocha vermutet, dass Brasilien aber auch in der Zukunft eine große Quelle talentierter Fußballspieler bleibe. Die Mehrheit der Sportler träume immer noch von Europa. "Neymar ist ein sehr spezieller Fall. Für andere Spieler gibt es diesen Traum noch. Es wird nur immer kostspieliger, die Spieler aus Brasilien abzuwerben." Rocha geht davon aus, dass die europäischen Vereine auch weiterhin problemlos vor allem die weniger bekannten Talente aus den brasilianischen Regionalligen verpflichten werden.

Beispiel deutsches Sommermärchen 2006

Das Logo der WM 2014 (Foto: AP)
Das Logo der WM 2014Bild: AP

Marketing- und PR-Arbeit sind im brasilianischen Fußballgeschäft heute so wichtig wie nie zuvor. Die Spieler werden zu brasilianischen Werbeikonen und Botschaftern ihrer Teams. Mit dem wachsenden Werberuhm der Fußballspieler klingeln auch die Vereinskassen. "Ein Meilenstein im brasilianischen Fußballmarketing war 2009 die Rückkehr Ronaldos zum SC Corinthians Paulista", sagt der Sportexperte der Beraterfirma BDO RCS, Amir Somoggi. Die erfolgreiche Rückkehr des Weltfußballers bestätige den Erfolg der neuen Strategie bei den Spielergehältern und diente als Vorbild für andere Clubs.

Somoggi glaubt, der brasilianische Markt habe in Sachen Fußballmarketing noch viele Möglichkeiten und großes Wachstumspotential. "Wir liegen noch deutlich zurück. Es sollte im Marketingbereich noch große Entwicklungen geben", so Somoggi. Besonders von der Ausrichtung der Fußball-WM 2014 gingen große Impulse aus.

Somoggi sieht in dem internationalen Turnier eine große Chance für Brasilien. "Mit neuen Stadien und einer verstärkten Professionalisierung des Marketings können wir in den nächsten fünf Jahren auf ein großes Wachstum hoffen, so wie es auch im deutschen Fußball passiert ist. In Deutschland hatte die WM 2006 einen großen Werbeeffekt und verbesserte das Image des deutschen Fußballs enorm. Die Bundesliga ist zur wirtschaftlich zweitstärksten Liga Europas aufgestiegen - noch vor den Spaniern und Italienern."

Autor: Márcio Damasceno
Übersetzung: Anna Pellacini
Redaktion: Arnulf Boettcher