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Brüssel wird bavarisiert

Christian F. Trippe, Brüssel23. April 2008

In Bayern gehört zu jedem feschen Frühlingsfest ein Maibaum. In diesem Jahr wird erstmals in Brüssel ein original bayerischer, regierungsamtlicher Maibaum errichtet. Nicht alle finden das zünftig.

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Bild: DW

Wer zum europäischen Parlament geht, kommt an einem prachtvollen Stadtschlösschen vorbei. In der ehemaligen Villa Pasteur – einst eine Forschungsstätte von Weltruhm, hier arbeitete Marie Curie – ist heute die bayerische Landesvertretung bei der Europäischen Union untergebracht. Eine Anlage mit Charisma, die jedem sofort ins Auge fällt und Touristen innehalten lässt. Gerne gestellte Frage dann: Welche alt eingesessene belgisch- blaublütige Adelsfamilie hier wohl residiere?

Es ist der eher schwarzblütige bajuwarische Politadel, das Geschlecht derer von Stoiber zu Beckstein, vertreten durch Landvogt – pardon: Europaminister – Markus Söder. Der will nun einen Maibaum vor die Landesvertretung pflanzen, auf dass die Strahlkraft des Gebäudes sich noch vermehre. Das "Prachtstangerl" liegt bereits gefällt am Chiemsee, es wurde blau-weiß lackiert und geht bald mit Trachtengruppe auf den Weg nach Brüssel. Auf dass es unter Blasmusikklängen errichtet werde als - ja, als was? Als Symbol der Fruchtbarkeit, als altgermanischer Totempfahl oder doch ganz einfach als hölzerne Folklore zur Beförderung des Bayern-Tourismus?

Solch Argwohn hat nun einige Trachtenspezerl’n und Heimatfreunde in München gepackt. Sie granteln, das Ganze sei doch bloß Show – keine Gaudi. Ein Maibaum gehöre einfach nicht nach Brüssel. Doch gemach, das stimmt nicht! Jedes Jahr am 9. August – und somit zwar arg zeitverschoben, aber immerhin – setzen die Brüsseler ihren "Meyboom" auf die Rue de Sables – und das seit 700 Jahren. Die belgische Nationalhymne schließlich besingt in jeder Strophe den "arbre de la liberté", den Freiheitsbaum, der nach der französischen Revolution an vielen Orten in Europa aus dem Maibrauchtum hervorging. In solchem Umfeld stört der bayerische Baum nicht – er fällt nur auf. Ob angenehm oder nicht – das liegt weniger an seiner Optik, als an der Blas- und Begleitmusik, mit der er errichtet wird.