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Blutige Tage

5. November 2006

Der israelische Militäreinsatz gegen palästinensisches Raketenfeuer geht weiter. Seit Beginn der "Operation Herbstwolken" am Mittwoch (1.11.) wurden nach Angaben palästinensischer Behörden fast 50 Palästinenser getötet.

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Palästinensische Studenten und Hamas-Anhänger demonstrieren in Gaza gegen IsraelBild: AP

Israelische Soldaten haben am Sonntag (5.11.) ihren Militäreinsatz im nördlichen Gazastreifen fortgesetzt und dabei zwei Palästinenser getötet. Am fünften Tag der Operation feuerten israelische Truppen nach palästinensischen Angaben eine Rakete auf eine Gruppe militanter Palästinenser nahe der Ortschaft Bet Hanun. Dabei sei ein 23-jähriges Mitglied des militärischen Fatah-Arms Al-Aksa-Brigaden getötet und ein weiterer Palästinenser verletzt worden, berichteten Augenzeugen.

Israel hatte am Mittwoch mit der Operation "Herbstwolken" begonnen, um den Raketenbeschuss israelischer Grenzorte vom Gazastreifen aus zu stoppen. Seither sind bei dem Einsatz nach Krankenhausangaben 48 Palästinenser getötet und 220 weitere zum Teil schwer verletzt worden.

Verstärkter Waffenschmuggel im Gazastreifen

Papst Benedikt XVI winkt während des Angelus-Gebets am 5. November aus seinem Fenster
Papst Benedikt XVI fordert beide Seiten zu Verhandlungen aufBild: AP

Seit die israelische Armee im August 2005 aus dem Grenzstreifen des Gazastreifens zu Ägypten abzog, ist der Waffenschmuggel dort dramatisch angestiegen. "Die militanten Gruppen sind stärker als zuvor, wenn man die Zahl ihrer Kämpfer und ihre Bewaffnung betrachtet", sagt ein Palästinenser, der mit den Verhältnissen vertraut ist. "Schon Israel konnte den Schmuggel und den Tunnelbau nicht beenden, unter Kontrolle der palästinensischen Behörden hat der Schmuggel noch zugenommen, was die Schwäche der Palästinenserführung zeigt."

Nachdem die israelische Armee die Einsätze in dem Grenzstreifen wieder aufgenommen hat, wurden 34 Tunnel unter der Grenze gefunden, vor allem in der palästinensischen Grenzstadt Rafah. "Eines Tages wird der Boden unter Rafah noch einbrechen", sagt ein palästinensischer Polizist mit bitterem Humor.

Vorbild Hisbollah

Israelische Sicherheitsexperten gehen davon aus, dass die militanten Palästinensergruppen vor allem auf Waffen aus sind, die sie gegen israelische Panzer einsetzen können. Vorbild sei die libanesische Hisbollah-Miliz, die im jüngsten Libanon-Krieg eine Reihe israelischer Kampfpanzer zerstören konnte.

Viele Palästinenser fragen sich verbittert, was die Angriffe mit selbst gebauten Kassam-Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel eigentlich bringen sollen. "Sie haben doch in Israel kaum jemals mehr als Sachschaden angerichtet. Manche haben sich sogar wie ein Drehwurm in den Himmel geschraubt und sind auf unserem eigenen Gebiet niedergegangen", sagt Hussam, ein Mitglied der Präsidialgarde von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Die militanten Gruppen sehen das Raketenfeuer dagegen als Teil einer psychologischen Kriegsführung gegen Israel. Diese soll jenseits des Sperrzauns um den Gazastreifen Angst und Schrecken verbreiten.

Tatsächlich werden in der israelischen Kleinstadt Sderot, die am Rande des Gazastreifens gelegen immer wieder Ziel von Angriffen ist, oftmals Einwohner mit einem Nervenzusammenbruch ins Krankenhaus gebracht. Doch den höheren Preis bei diesem Schlagabtausch mit der israelischen Armee zahlen die Palästinenser selbst.

Internationale Proteste können Israel nicht stoppen

"Unser Ziel ist es, das Raketenfeuer aus dem Gazastreifen zu minimieren", sagt eine Sprecherin der israelischen Armee am Sonntag. Zusätzlich zu den Getöteten sind in den vergangenen Tagen mehr als 30 Palästinenser in Gewahrsam genommen worden. Soldaten fanden mehrere Waffenwerkstätten. Den bisherigen Verlauf des Einsatz bewertet die Sprecherin als erfolgreich, auch wenn die Zahl der abgefeuerten Kassam-Raketen zunächst sogar noch gestiegen ist. "Ich denke, die palästinensischen Gruppen wollen uns ihre Stärke vorführen", sagte sie.

Maskierte Palästinenser verbrennen israelische Flagge
Maskierte Palästinenser verbrennen israelische FlaggeBild: AP

Die finnische EU-Ratspräsidentschaft zeigte sich "hochgradig beunruhigt" über das Ausmaß der Gewalt und warf Israel Unverhältnismäßigkeit vor. Der Leiter der UN-Flüchtlingshilfe in Gaza, John Ging, bezeichnete die Lage als "verzweifelt". Auch Papst Benedikt XVI. hat die jüngste Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern im Gazastreifen scharf verurteilt. Er fühle vor allem mit den Zivilisten, die unter dem Konflikt besonders zu leiden hätten, sagte der Papst bei seiner sonntäglichen Messe auf dem St. Petersplatz. Zugleich rief er beide Seiten auf, zu direkten Verhandlungen zurückzukehren und diese ernsthaft zu führen. Das Blutvergießen im Nahen Osten müsse ein Ende haben.

Trotz internationalen Protesten will Israel seine Militäroffensive im Gazastreifen bis auf weiteres fortsetzen. "Die Armee wird sich nicht zurückziehen, bis wir die Ziele erreicht haben, die wir uns gesetzt haben", sagte der israelische Vize-Verteidigungsminister Efraim Sneh am Sonntag im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die Operation Herbstwolken habe zum Ziel, die "Infrastruktur" der radikalen Hamas-Organisation zu beschädigen und "die Abschusslinie der Raketen gegen das israelische Gebiet" ins Landesinnere zurückzudrängen. (je)